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Nicht nur Mazraoui: FC Bayern mit weiteren Baustellen beschäftigt


Trainer in Erklärungsnot
Tuchel antwortet Hoeneß mit versteckter Botschaft

Von Julian Buhl

20.10.2023Lesedauer: 5 Min.
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Thomas Tuchel: Der Trainer des FC Bayern muss Serge Gnabry ersetzen.Vergrößern des Bildes
Thomas Tuchel: Der Trainer des FC Bayern muss momentan einige Baustellen moderieren. (Quelle: Eibner-Pressefoto/Sascha Walther/imago images)

Nicht nur der Fall Mazraoui beschäftigt Bayern-Trainer Thomas Tuchel momentan intensiv. Es gibt einige weitere große Baustellen beim Rekordmeister.

Aus München berichtet Julian Buhl vom FC Bayern

Thomas Tuchel lächelte, als er am Freitagvormittag das Pressestüberl des FC Bayern an der Säbener Straße betrat. Er wirkte entspannt, geradezu gelöst, als er auf dem Podium Platz nahm. Wer also aufgrund all der düsteren Themen, die sich in den vergangenen Tagen vor dem Termin aufgedrängt haben und die es dabei zu besprechen galt, einen schlecht gelaunten Cheftrainer des Rekordmeisters erwartet hatte, der sah sich getäuscht.

Und den Doppelpass, der ihm gleich mit der ersten Frage an ihn zugespielt wurde, nahm er dankend an. Die bezog sich nämlich weder auf den komplizierten Fall Noussair Mazraoui, der unter anderem mit seinem Pro-Palästina-Post inmitten des Terrors und Kriegs in Israel großen Wirbel ausgelöst hatte, noch auf Uli Hoeneß, der Tuchel unlängst deutlich kritisiert und gar als "unklug" bezeichnet hatte.

Stattdessen wurde Tuchel um eine Stellungnahme zu Manuel Neuer gebeten, der über zehn Monate nach seinem Schien- und Wadenbeinbruch nun endlich bereit für sein Comeback ist.

Tuchel verschiebt Neuers Comeback

Tuchel bezeichnete das als "sensationell gute Nachricht" und "ganz herausragende Geschichte" für den 37-Jährigen und ließ eine wahre Lobeshymne auf seinen lange vermissten Kapitän folgen. "Wir sind sehr stolz", sagte Tuchel über die "außergewöhnliche Leistung" des nun nahenden Comebacks. "Ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass er auf sein allerhöchstes Niveau zurückkommt."

Trotzdem habe er "mit ihm zusammen entschieden", dass Ersatztorhüter Sven Ulreich am Samstag beim Bundesligaspiel in Mainz (15.30 Uhr) und "aller Voraussicht nach" auch am Dienstag in Istanbul vorerst noch mal Neuer vertreten werde. Als Comeback-Termin für Neuer ist dann das am Samstag darauf folgende Heimspiel gegen Darmstadt vorgesehen.

 
 
 
 
 
 
 

Es gelte schließlich, "trotz aller Euphorie von uns allen und von mir nicht hektisch zu werden und nichts zu überstürzen". Wäre es nach Tuchel gegangen, er hätte wohl am liebsten während seiner gesamten Pressekonferenz über die Vorzüge von Neuer und die Begeisterung aufgrund seiner nahenden Rückkehr referiert.

Bayern nimmt zu Mazraoui Stellung

Schon in der nächsten Frage wurde Tuchel aber freilich von den drängenderen Fragen, die seit Tagen auch an der Säbener Straße intensiv diskutiert werden, eingeholt. Das gilt vor allem für den weiteren Umgang mit Mazraoui, der am Mittwoch von der marokkanischen Nationalelf nach München zurückgekehrt war und dort gleich zum Rapport bei den Bossen hatte antreten müssen. Nach den äußerst umstrittenen und pro-palästinensischen Botschaften, die er in den sozialen Netzwerken verschickt hatte, stand nicht weniger als seine Weiterbeschäftigung beim FC Bayern auf dem Spiel.

Der Klub hatte Tuchel die Kommunikation zu diesem heiklen Thema zumindest noch ein wenig erleichtert, indem er etwas mehr als eine Stunde vor dessen Pressekonferenz doch noch ein offizielles Statement dazu auf seiner Homepage veröffentlicht hatte. Darin wurde festgehalten, dass Mazraoui im Kader bleiben werde, aufgrund einer nicht genauer definierten Verletzung aber derzeit ausfalle.

"Der FC Bayern verurteilt den Angriff der Hamas auf Israel", wurde der Vorstandsvorsitzende Jan-Christan Dreesen darin zitiert. "Darüber hinaus", erklärt Mazraoui, "verurteile ich jede Art des Terrorismus und jede Terrororganisation."

Der Fall Mazraoui bleibt heikel für Bayern

Tuchel sagte also: "Ich stehe zu 100 Prozent zu dem Inhalt und zu diesem Statement." Heikel bleibt die Angelegenheit trotzdem, auch weil Mazraoui mit Ersatztorwart Daniel Peretz beim FC Bayern nun wieder auf einen Teamkollegen treffen wird, der aus Israel kommt und aufgrund der dortigen Terroranschläge und des daraus resultierenden Krieges auch öffentlich mit seinem Heimatland trauert.

"Wir haben keine heile Welt in der Kabine, aber eine Kabine hat heilsame Wirkung über alle Grenzen", formulierte Tuchel seine große Hoffnung – er vertraut der Wirkung von diesem "kleinen Mikrokosmos": "Eine Kabine, völlig unabhängig von religiösen Überzeugungen, von kulturellen Unterschieden, ist immer, so habe ich es erlebt, ein Ort, an dem man friedlich, freundschaftlich, kameradschaftlich auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitet."

Tuchel berichtete von Einzelgesprächen sowohl mit Mazraoui als auch mit Peretz, ohne freilich Details daraus zu verraten. "Wir müssen Daniel fragen, wie es ihm geht, wir müssen ihn ernst nehmen", sagte Tuchel. "Es ist unsere Fürsorgepflicht, mit ihm zu sprechen und abzuklären, wie es ihm geht, ob Fußball für ihn möglich ist." Und Mazraoui? "Wir müssen Nous in der Gemeinschaft drin behalten. Er respektiert die Werte der Kabine und des FC Bayern."

Tuchel äußert sich zu Hoeneß' Kritik an ihm

In Anbetracht einer solch erdrückenden Thematik gerieten die verbalen Spitzen, die Hoeneß in seine Richtung geschickt hatte, fast schon zur Nebensache. Tuchel war darum bemüht, auch dieses Thema wegzulächeln.

"Ich habe es mitbekommen. Es ist bei mir angekommen", sagte er dazu knapp und verkniff sich wohl bewusst eine ausführlichere öffentliche Antwort darauf: "Ich habe mit Uli ein sehr offenes, direktes, wertschätzendes Verhältnis. Daran hat sich nichts geändert."

Der Zwist, in dessen Kern es darum geht, ob der Kader der Bayern zu dünn besetzt ist, wie Tuchel bisweilen beklagt hatte, oder nicht, was Hoeneß bei jeder Gelegenheit betont, holte Tuchel aber auch während der Pressekonferenz noch mal ein.

Bayerns Kader stößt an seine Grenzen

Und zwar, als t-online Tuchel nach seinen Planungen für das Spiel in Mainz in der Innenverteidigung fragte und ob der zuletzt aufgrund von Knieproblemen wochenlang pausierende Matthijs de Ligt schon wieder eine Option für die Startelf sei. "Wenn ich jetzt frech wäre, würde ich Sie fragen, ob Sie noch eine andere Idee haben", antwortete Tuchel und grinste.

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"Wir planen fest mit Matta und Min-jae (de Ligt und Kim; d. Red.)." Seine zwischen den Zeilen versteckte Botschaft klang dabei überhörbar mit. Denn aufgrund der Verletzung von Dayot Upamecano, der mit einem Muskelfaserriss von der französischen Nationalmannschaft nach München zurückgekehrt ist, hat er gar keine andere Wahl. "Gott sei Dank", so Tuchel, sei de Ligt, der alle Trainingseinheiten voll mitgemacht habe, wieder "bereit für morgen".

Der Kader stößt aber auch an anderer Stelle erneut an seine Grenzen. Mit Joshua Kimmich (Grippe) und Leon Goretzka (Fleischwunde am Sprunggelenk) droht nämlich auch Tuchels Duo im zentralen Mittelfeld in Mainz auszufallen.

"Das wird sehr knapp für Mainz", sagte Tuchel über Kimmich. "Leon hat einen Schlag abbekommen, da wird es darum gehen, wie er den Schmerz tolerieren kann." Sollten beide ausfallen, stünde für diese Position mit Konrad Laimer dann eigentlich nur noch ein Spieler bereit, den Tuchel andererseits aber auch als Rechtsverteidiger benötigt.

Da darüber hinaus auch Serge Gnabry (Armbruch) und Raphaël Guerreiro (Muskelfaserriss) weiter ausfallen werden, wird der Bayern-Coach also einmal mehr zum Improvisieren gezwungen sein. Aber das war an diesem Freitag definitiv nicht seine größte Baustelle, die es zu moderieren und möglichst zu schließen galt.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort bei der Pressekonferenz von Thomas Tuchel am 20. Oktober
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