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Effenberg: "Die Kluft zwischen Topklubs und Bayern wird immer größer"


Stefan Effenberg exklusiv
"Kluft zwischen Bayern und Europas Spitze wird immer größer"

t-online, Florian Wichert

Aktualisiert am 08.08.2017Lesedauer: 5 Min.
Trainer Carlo Ancelotti steht beim FC Bayern schon unter Druck. Stefan Effenberg kennt sich damit aus.Vergrößern des BildesTrainer Carlo Ancelotti steht beim FC Bayern schon unter Druck. Stefan Effenberg kennt sich damit aus. (Quelle: imago-images-bilder)
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Stefan Effenberg

t-online.de: Herr Effenberg, wie besorgniserregend ist die Vorbereitung des FC Bayern aus Ihrer Sicht?

Stefan Effenberg (49): Das war eine schlechte Vorbereitung, die Ergebnisse waren schlecht – und sind zum Teil krass ausgefallen. Die Alarmglocken sollten leise angehen, damit der Saisonstart nicht in die Hose geht. Denn dann hast Du natürlich direkt Theater in München. Die Stimmen wurden jetzt schon lauter aufgrund der Art und Weise. Das kannst du schnell wegbügeln, wenn du total positiv in die Saison gehst. Ich als Spieler würde jetzt hingehen und sagen: ‚Das ist nur eine Vorbereitung.‘

Heißt: Nach dem Supercup in der Liga die ersten drei, vier Gegner weghauen?

Du musst die ersten fünf, sechs Gegner weghauen, dann hast du deinen Rhythmus und erstmal Ruhe. Bayern ist es ja nicht gewohnt, hinterherzulaufen. Sie müssen zeigen, dass sie bei 100 Prozent sind – und das wird nicht einfach aufgrund der Asienreise, die in meinen Augen nicht optimal war. Ich hätte das als Spieler nicht gemocht, nicht die perfekte Vorbereitung zu haben – ohne Ruhe und optimale Bedingungen.

Wie viel Zündstoff beinhaltet die Situation?

Der Anspruch ist hoch: Bayern will natürlich beide nationalen Titel holen, was aber nicht immer gelingen kann. Auch die Champions League – und da waren sie in den letzten Jahren ein gutes Stück weit weg von den anderen Vereinen. Wenn ich an die Spiele gegen Real, Atlético oder auch Barcelona denke, sind sie in meinen Augen immer verdient ausgeschieden. Nur gegen Atlético war es vielleicht etwas unglücklich. Wenn Du nicht in die Nähe deines Anspruchs kommst, kommt Unruhe auf. Das sieht man auch daran, dass es jedes Jahr relativ krasse Veränderungen am Bayern-Kader gibt.

Wo liegen die Probleme aktuell?

Ein paar Spieler waren noch beim Confed Cup, dazu kommen die Kurz- und Langzeitverletzten, das darf man alles nicht vergessen. Die wirklichen Probleme werden wir erst nach vier, fünf Spieltagen erkennen. Aber 0:4 und 0:3 – ich kann mich nicht dran erinnern, dass Bayern so hohe Niederlagen kassiert hat. Es sind so viele Fragezeichen offen nach dieser Vorbereitung – so viele gab es noch nie beim FC Bayern. Und das macht mir etwas Sorgen, wobei ich ja nicht in der Verantwortung stehe.

Kann es sein, dass das Ancelottis letzte Saison bei Bayern wird?

Das ist im Bereich des Möglichen, dass es seine letzte Saison wird – wenn sie so läuft wie die letzte, oder vielleicht noch schlechter. Spieler werden bei Bayern ausgetauscht, der Trainer dann vielleicht auch irgendwann. Ich wünsche ihm das nicht und er ist ja zum Glück auch so erfahren, dass er zumindest mal eine Elf finden wird, die die nächsten Wochen gut bewältigt. Bei der man auch das Gefühl hat, dass sie ein Team ist. Die für und miteinander Fußball spielt – das fehlt mir bisher in der Vorbereitung.

Ihnen fehlt also der Wille?

Der Wille ist für mich das Wichtigste überhaupt im Fußball. Wenn der beim ein oder anderen nicht vorhanden ist, muss ich mir Gedanken und auch Sorgen machen. Und das hat bei Bayern gefehlt. Aber natürlich wissen wir auch: Wenn die Bayern mal angeschossen werden, dann können sie immer und jederzeit gegen jeden Gegner zurückschlagen.

Die große Diskussion beim FC Bayern in den vergangenen Wochen: Müller oder James – Ihre Meinung?

In einer Saison passieren so viele Dinge: Verletzungen, Sperren – Vieles regelt sich im Fußball ganz von alleine. Wenn aber Ancelotti aus dem Vollen schöpfen kann, gibt es Entscheidungen, die dem ein oder anderen wehtun. Es ist davon auszugehen, dass es auch Franck Ribéry oder Thomas Müller mal trifft – denn Ancelotti hat seine Wunschspieler geholt und die werden sicher erstmal das Vertrauen bekommen. Für große Trainer – und Ottmar Hitzfeld hat das in Perfektion beherrscht – gilt es, die Balance zu halten und die Spieler auf der Bank ruhig zu bekommen. Wenn das klappt, wird Bayern marschieren. Wenn nicht, wird es eine unruhige Saison.

Es gab auch Diskussionen, ob Thomas Müller den Verein verlassen sollte…

Nein. Warum? Er ist das Gesicht des FC Bayern München – nach dem Schweinsteiger-Abgang, nach dem Lahm-Abgang. Der FC Bayern würde einen Riesenfehler machen, sein Gesicht gehen zu lassen. Er hat jahrelang auf unglaublichem Niveau gespielt. Jeder Ball war drin – über Jahre. Jetzt hat er eine durchwachsene Saison hinter sich. Und vielleicht ist genau das Ansporn für ihn. So wie bei Vidal, der sagt: ‚Das wird die Saison meines Lebens.‘ Da bin ich mal gespannt (lacht).

Ist Hasan Salihamidzic der richtige Sportdirektor? Sie haben lange mit ihm zusammen gespielt.

Wenn man dem Jungen – und damals war er noch 21 oder 22 – etwas gesagt hat, dann hat er das immer mit unglaublich viel Ehrgeiz und Fleiß ausgeführt. Er war immer variabel und hat immer alles gegeben. Das wird er in seinem neuen Job jetzt auch. Er ist mit Demut an die Aufgabe rangegangen, will lernen. Das ist wichtig. Man darf ihn natürlich nicht mit Matthias Sammer vergleichen – schon gar nicht in der Öffentlichkeitsarbeit. Aber: Die Verantwortlichen werden sich Gedanken gemacht haben. Bei Brazzo sollte man kein Fass aufmachen – und er ist auch nicht entscheidend. Entscheidend ist, was die Spieler auf dem Feld anbieten.

Aber ist er hart genug für den Job?

Genau das muss er lernen.

Sie können hart – wären Sie die bessere Lösung gewesen?

Die Frage können wir gleich knicken. Weder stelle ich mich ins Schaufenster, noch sage ich da etwas zu.

Nach allem, was Sie sagen: Stimmt die Interpretation, dass Sie die Chancen der Bayern auf einen Champions-League-Titel sehr, sehr gering einschätzen?

Es wird nicht einfacher für den FC Bayern. Ganz im Gegenteil. Man sieht, wie andere Mannschaften aufrüsten, wenn 222 Millionen Euro in einen Neymar investiert werden. Paris ist mit Sicherheit jetzt ein Favorit auf den Sieg in der Champions League. Die sind hungrig und haben andere Möglichkeiten. Wenn Uli Hoeneß dann auch öffentlich sagt: ‚Nein, das sind wir nicht bereit zu bezahlen‘ – aber da geht leider die Entwicklung hin – dann wird die Kluft zu diesen Vereinen immer größer, die es machen, können und wollen.

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Sie würden sich nicht wundern, wenn der FC Bayern in den nächsten zehn Jahren nicht Champions-League-Sieger wird?

Nein, da würde ich mich nicht wundern. Das ist eine Entwicklung aufgrund der Ablösesummen, die gezahlt werden. Da sind Paris, Barcelona, Real und auch die englischen Klubs mit ihren Möglichkeiten – und spielen die Karten auch aus. Wenn Bayern das nicht auch macht, wird der Abstand immer größer. Und er ist jetzt schon groß.

Können Sie den Neymar-Wechsel nachvollziehen?

Sportlich kann ich es nachvollziehen, weil er bei Barcelona auch immer ein Stück weit im Schatten von Messi stand. Bei Paris ist er unangefochten und auch die Nummer eins. Das Gefühl braucht so ein Spieler. Raus aus dem Messi-Schatten, um selbst groß zu strahlen. Zur Ablösesumme: Das war nur eine Frage der Zeit, das ist eine ganz normale Entwicklung in dem Business. Wir waren länger an den hundert Mio. dran. Es wird trotz Financial Fairplay oder irgendwelchen Regeln immer Möglichkeiten geben, solche Transfers umzusetzen, wenn das Geld vorhanden ist. Es macht mir viel mehr Sorgen, dass für durchschnittliche Spieler mittlerweile 20 bis 30 Millionen gezahlt werden – das ist doch fragwürdig!

Das heißt für Bayern?

Dass für Bayern das Scouting eine Riesen-Bedeutung hat, um auch in der Champions League erfolgreich zu sein. Aber nochmal: Das ist kein Ratschlag. Ich stehe nicht in der Verantwortung. Das ist meine Einschätzung.

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