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Schalke 04 in der Krise: Diese Spieler hat der Malocher-Klub nicht verdient


Krise beim Malocher-Klub
Diese Spieler hat Schalke nicht verdient

  • Dominik Sliskovic
MeinungVon Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 28.05.2020Lesedauer: 6 Min.
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Guido Burgstaller (li.) und Bastian Oczipka (re.): Zwei Gesichter der Schalker Krise.Vergrößern des Bildes
Guido Burgstaller (li.) und Bastian Oczipka (re.): Zwei Gesichter der Schalker Krise. (Quelle: RHR-Foto/imago-images-bilder)

Schalke 04 steckt in einer der größten sportlichen Krisen der Vereinsgeschichte. Dafür verantwortlich sind mittelprächtige Spieler und extreme Egos. Eine Abrechnung.

3:24 Tore, zehn sieglose Spiele in Serie, die Europapokalplätze aus den Augen verloren. Der FC Schalke 04 steckt in einer schweren sportlichen Krise.

Dass Schalke in diese Lage abgerutscht ist, hat es sich selbst anzurechnen. Auf eine berauschende Hinrunde unter Neu-Trainer David Wagner und einem souveränen 2:0-Heimsieg gegen Borussia Mönchengladbach zum Rückrundenstart folgte ein beispielloser Absturz. Der so wiedererstarkte Ruhrpottklub, der in der vergangenen Saison noch dem Abstieg von der Schippe sprang, hörte urplötzlich auf, den Fußball zu praktizieren, der ihn bis dahin stark machte.

Der frühe 0:1-Rückstand gegen den FC Bayern am 19. Spieltag brachte Schalke aus der Spur, in die es nie wieder zurückfand. Coach Wagner entschied damals, das aggressive Anlaufen und Gegenpressing einzustellen, stattdessen den Gegner kommen zu lassen und auf Umschaltmomente zu lauern. Die Münchner nutzten diesen taktischen Fehlgriff aus. Endergebnis: 0:5 aus Schalker Sicht.


Doch das Problem war nicht Wagners taktischer Fehlgriff gegen spielstarke Bayern allein, sondern die Reaktion der Spieler: Sie gaben sich auf. Sie ließen sich zur Schlachtbank führen. Nicht nur vom FC Bayern, sondern von jedem Gegner, der folgte. Solche Spieler hat der FC Schalke 04 nicht verdient.

Spieler mit Motivationsproblemen und eine verheerende Kaderplanung

Die vergangenen Partien unterstreichen das: Die Mannschaft trat körper- und lustlos an, der Ball wirkte an ihren Füßen wie ein Fremdkörper. Der unbedingte Wille zu gewinnen, der sie in der Hinrunde anstachelte, war ihnen abhanden gekommen. Stattdessen sahen die Millionen von Schalke-Fans Spieler, die Standfußball praktizierten, Konter abbrechen mussten, weil keine Anspielstation mitgelaufen war, und eine Abwehr, die sich wie Zuckerwatte auflöste. Nach dem 0:4-Derbydebakel gegen Borussia Dortmund stellte Weston McKennie fest, es habe dem Team an Motivation gefehlt.

Nein, Spieler, die sich nicht einmal für das Revierderby, dem größten Spiel, das Fußball-Deutschland kennt, zu motivieren wissen, hat dieser großartige Klub nicht verdient.

Warum sie dann überhaupt beim S04 unter Vertrag stehen? Die Antwort darauf ist langjährige, nachhaltig verheerende Kaderplanung.


Als Christian Heidel 2016 am Berger Feld seine Arbeit aufnahm, war sein Ziel, Schalkes Gehaltsstruktur in den Griff zu kriegen. Großverdiener wie Ex-Torjäger Klaas-Jan Huntelaar, der erfolgsabhängig wohl bis zu acht Millionen Euro jährlich verdiente, sollte es nicht mehr geben. Das sollte eine Reduzierung der Kaderkosten, aber auch einen psychologischen Effekt mit sich führen: Auf Schalke, so der Gedanke, sollte die Verantwortung gleichmäßig auf viele starke Schultern verteilt werden. Das Problem ist nur: Eine starke Schulter, wie sie 48-Tore-in-48-Spielen-Bomber Huntelaar war, lockt und hält man nicht mit Gehältern, wie sie Mittelklasse-Klubs zahlen.

Stürmer Burgstaller erhielt zu viel Verantwortung

Doch die Schalker Entscheider ließen sich nicht von ihrem Weg abbringen und versuchten, mit kleinem Geld kreative Lösungen zu finden. Das gelang ihnen etwa mit Daniel Caligiuri, der im Januar 2017 für schlanke 2,5 Millionen Euro aus Wolfsburg kam und aktuell einer der wenigen Spieler ist, der sich gegen die Krise aufbäumt. Auch die Strategie, der kleineren Konkurrenz gestandene Überperformer abzuluchsen, gab Heidel zunächst recht. Der für 1,5 Millionen Euro als Notnagel vom 1. FC Nürnberg verpflichtete Stürmer Guido Burgstaller hat sich seinen Legenden-Status direkt in seiner ersten Rückrunde 2017 verdient, als er als belächelter Zweitligakicker in 18 Partien neun Mal einnetzte und weitere zwei Treffer direkt vorbereitete.

Das Problem liegt jedoch darin, dass Schalke sich auf Burgstaller als ersten und einzigen Mittelstürmer einschoss. Statt ihm einen ihn ergänzenden Partner oder einen Stürmer, der ihm im Konkurrenzkampf um die Neuner-Position täglich fordert, lud man auf Burgstaller die komplette Verantwortung, für Tore zu sorgen, auf und konterkarierte so die eigene Strategie.


Das Geld, das man mit den Verpflichtungen von Caligiuri und Burgstaller, aber auch mit den Abgängen von Eigengewächsen wie Thilo Kehrer und Leroy Sané verdiente, gab man stattdessen großzügig für Egozentriker wie Yevghen Konoplyanka und Nabil Bentaleb aus.

Bentaleb und Harit stehen sinnbildlich für Schalkes Fehler

Die Schalker Verantwortlichen müssen sich die Frage gefallen lassen, wie sie für einen Stinkstiefel wie Bentaleb 19 Millionen Euro ausgeben konnten. Dass Bentaleb bei seinem vormaligen Arbeitgeber Tottenham in Ungnade gefallen war, weil er trotz einer schweren Knieverletzung eine Startelfgarantie einforderte, hätte auf Schalke einige Personen am Charakter des Algeriers zweifeln lassen sollen. Gebessert hat er sich in seinen drei Jahren bei den Gelsenkirchenern in der Folge nicht: Mehrmals soll Bentaleb den verpflichtenden Deutschunterricht geschwänzt haben, Trainer angegangen und sich unentschuldigt vom Klubgelände entfernt haben. Aktuell ist der Problemprofi an den englischen Erstligisten Newcastle United ausgeliehen, sein Marktwert ist laut "Transfermarkt" auf vier Millionen Euro gefallen. Es heißt, Schalke würde Bentaleb sogar ohne Zahlung einer Ablöse an die "Magpies" abgeben – Hauptsache, man habe seinen Namen von der Gehaltsliste.

Bentaleb ist jedoch nicht Schalkes größtes Ego-Problem. Das befindet sich nämlich noch recht prominent im eigenen Kader: Es ist und bleibt Amine Harit. Der Marokkaner kam im Sommer 2017 als unbekanntes Versprechen ins Ruhrgebiet und wusste direkt zu überzeugen. In seiner ersten Saison trug der offensive Mittelfeldspieler mit zehn Torbeteiligungen einen großen Teil zur sensationellen Vizemeisterschaft bei. Doch der Erfolg und aufkommende Transfergerüchte stiegen Harit zu Kopf.

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Statt zu beweisen, dass er keine Eintagsfliege ist, trieb er sich nächtelang in Spielhallen und Casinos herum, jettete fürs Burgeressen nach London und baute in Marokko einen tödlichen Autounfall. Schalke streckte ihm die Hand zur Hilfe aus, Trainer Wagner redete ihm zu, gab ihm eine zweite Chance. In der Hinrunde der laufenden Saison war Harit der alles überstrahlende Akteur auf Schalke, sein Außenrist-Geniestreich gegen Mainz wurde zum Tor des Monats September gewählt. Zur Belohnung gab es eine Vertragsverlängerung bis 2024. Es schien, als habe sich Harit gefangen.

Doch kaum hatte sich sein Marktwert erholt und er mit seinen guten Leistungen wieder das Interesse von Vereinen wie dem FC Barcelona geweckt, verlor Harit das Wichtige aus dem Fokus. Nicht nur, dass er auf dem Platz seine Defensivarbeit vernachlässigte – er begann sich wieder die Nächte in Shisha-Bars um die Ohren zu schlagen und wurde von der Polizei bei der Verletzung der Corona-Verordnungen erwischt.

Schalke vermisst Typen wie Raul, Asamoah und Jones

Rekapituliert man das Verhalten von Spielern wie Bentaleb und Harit kommt man zu der Erkenntnis, dass sie nicht Persönlichkeiten sind, die Schalke zu Glanz und Gloria führen werden. Sie sind kein Klaas-Jan Huntelaar, kein Raul. Keine Superstars, die trotz all ihres Könnens die Mannschaft nie aus den Augen verlieren. Sie sind auch kein Gerald Asamoah und kein Jermaine Jones, die die Befindlichkeiten dieses so sonderbaren Vereins verstanden haben. Die schon im Kabinentrakt im Zweikampfmodus waren. Weil sie wussten, dass Einsatz und Wille auf Schalke jede fußballerische Schwäche kaschiert.


Was muss also passieren, dass Schalke diese Saison nicht komplett abschenkt und wie ein blutender Preisboxer in die nächste Runde taumelt?

Es benötigt einen konsequenten Umbruch – auch wenn Schalke-Fans dieses Wort nicht mehr lesen können.

Es muss sich von Spielern wie Bastian Oczipka losgesagt werden, die Schalke nie wirklich besser gemacht haben. Von Spielern wie Benito Raman, der sagte, er müsse zu Schalke wechseln, um seine Familie finanziell für die Zukunft abzusichern. Von Spielern wie Matija Nastasic, die zwischen Startelf und Bank pendeln und auf Altverträgen hocken.

Schalkes Kader braucht gesunden Mix aus jungen Wilden und Altstars

An ihrer Stelle müssen die Absolventen der "Knappenschmiede" gestärkt werden, dieses nie versiegenden Quells an Talenten. Auch aktuell hat man mit Malick Thiaw, Can Bozdogan, Nassim Boujellab und allen voran Ur-Gelsenkirchener und -Schalker Ahmed Kutucu in jedem Mannschaftsteil einen Jungspund, der zum Leistungsträger und Identitätsstifter für den Verein und den Anhang taugt.

Ihnen zur Seite sollten Mentalitätsspieler und Altstars stehen, von denen sie lernen und geleitet werden können. Warum sollte Schalke nicht wieder ein Sensationstransfer a la Raul gelingen? Warum lotst man nicht einen Juan Mata, einen Olivier Giroud an den Rudi-Assauer-Ring? Spieler, die längst nicht mehr die erste Geige in ihren Klubs spielen, aber längst noch nicht an asiatische Altherrenligen denken wollen? Deren Verträge zeitnah auslaufen und die nach einer Aufgabe, die sie erfüllt, suchen? Eine Verpflichtung dieser Kragenweite würde Schalke wieder ins internationale Gespräch bringen, Sponsoren anlocken – und nicht zuletzt Mannschaft und Fans mitreißen.

Ein Transfer könnte viele Probleme lösen

Schalke muss beginnen, sich wieder auf sich zu besinnen. Auf die Kumpel- und Malocherideale, aber auch an das offensive Flügelspiel, das man zuzeiten von Christian Fuchs und Julian Draxler, Atsuto Uchida und Jefferson Farfan kultivierte. An die Zeiten, als Schalker Jungs wie Benedikt Höwedes mit Stolz die Kapitänsbinde trugen und ihre Knochen hinhielten.

Einer, der all das symbolisiert, wäre Robin Gosens. Der bekennende Schalke-Fan träumt öffentlich davon, eines Tages im königsblauen Trikot in der Veltins-Arena aufzulaufen. Seine Leistungen beim italienischen Erstligisten Atalanta Bergamo haben jedoch auch den FC Chelsea aufhorchen lassen.

Das darf Schalke jedoch nicht abschrecken. Schalke muss beginnen, in der Kaderplanung wieder zu agieren und nicht mehr nur zu reagieren. Gosens würde mit einem Schlag so viele Probleme auf Schalke lösen, dass die Klub-Führung alles in die Waagschale werfen muss, um ihm seinen Traum (und dem vieler Fans) zu erfüllen. Also: Mach et, Jochen!

Verwendete Quellen
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