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Stefan Effenberg: Wen Hertha BSC jetzt wirklich braucht – und wen nicht


Wen Hertha braucht – und wen nicht

Eine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 27.01.2021Lesedauer: 5 Min.
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Fredi Bobic: Der Frankfurt-Boss wurde zuletzt mit Hertha in Verbindung gebracht.Vergrößern des Bildes
Fredi Bobic: Der Frankfurt-Boss wurde zuletzt mit Hertha in Verbindung gebracht. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Ära von Manager Michael Preetz in Berlin ist beendet, auch der Trainer ausgetauscht. Wer dem Hauptstadt-Klub nun weiterhelfen wird – und wer nicht.

Eineinhalb Jahre nach seinem Aus als Trainer der ersten Mannschaft von Hertha BSC ist Pal Dardai zurück. Und wie. In seiner ersten Pressekonferenz hat er gleich einen Eindruck davon vermitteln können, wie sehr er diesen Verein liebt – und dass er alles tun wird, um ihn wieder dahin zu bringen, wo er hingehört: in das obere Tabellendrittel.

Vom Verein ist diese Personalie ein klares Eingeständnis. Er gibt damit zu, dass es ein Fehler war, Dardai 2019 zu beurlauben. Damals ist er den gehobenen Ansprüchen zum Opfer gefallen. Der Klassenerhalt oder ein Mittelfeldplatz waren nicht mehr genug. Das neue Ziel: Europa. Dabei hatte Dardai genau das 2017 mit bescheidenen Mitteln noch geschafft und in der folgenden Saison in der Europa League gespielt.

Seitdem und dank des Einstiegs von Investor Lars Windhorst hat Hertha BSC viel Geld ausgegeben, um die Ansprüche zu untermauern. Für die Trainer Ante Covic, Jürgen Klinsmann, Alexander Nouri und Bruno Labbadia. Für die Spieler Matheus Cunha (18 Millionen Euro), Lucas Tousart (25 Mio.), Krzysztof Piatek (24 Mio.), Dodi Lukebakio (20 Mio.), Jhon Cordoba (15 Mio.), Santiago Ascacibar (10 Mio.) und einige mehr. Insgesamt waren es 137,5 Mio. in eineinhalb Jahren. In der Winterpause 2019/20 war Hertha sogar weltweit der Klub mit den höchsten Ausgaben. Sportlich allerdings hatten diese nicht den gewünschten Effekt.

Mitte April 2019 hatte Hertha verkündet, dass Dardai sein Amt zum Saisonende abgeben würde – er beendete die Saison und verließ die Profis auf Platz 11. Vier Trainer und knapp 140 Millionen Euro Transferausgaben später liegt Hertha auf Platz 14 und nur zwei Punkte vor dem 1. FC Köln auf dem Relegationsplatz.

War die Entlassung von Dardai damals also ein Fehler? Aus heutiger Sicht ja. Platz 14 hätte man auch deutlich günstiger haben können.

Trotzdem war nicht alles falsch, was bei Hertha in den vergangenen Jahren versucht wurde. Allein die letztlich sehr kurze Ära von Jürgen Klinsmann war eine Chance, die Hertha vertan hat.

Denn jeder weiß: Wenn ich Klinsmann hole, dann hole ich ihn mit Haut und Haaren. Dann muss ich ihm alle Kompetenzen zugestehen und seinen Weg mitgehen in der Hoffnung, dass eine Aufbruchstimmung entsteht und sich die Dinge zum Besseren wenden. Genau das ist eben nicht passiert. Klinsmann hat nicht die Möglichkeit bekommen, die Dinge konsequent zu ändern. Er hat vieles erkannt, was in die falsche Richtung läuft – ist dann aber auf zu viele Widerstände im Verein gestoßen. Damit war dann auch klar, dass das nicht funktionieren kann. Und dann ist es leider in einer Schlammschlacht geendet.

Die negativen Entwicklungen sind natürlich insgesamt sehr eng mit dem Namen von Manager Michael Preetz verknüpft, der selbst bei den Fans immer mehr Kredit verloren hat und nun folgerichtig gehen musste. Sich von Trainer Bruno Labbadia zu trennen war ebenfalls komplett richtig – genauso wie die Entscheidungen für Pal Dardai und Arne Friedrich in der sportlichen Leitung. Wäre ich Fan von Hertha, wäre ich nun erleichtert und würde mit Zuversicht in die Zukunft blicken.

Fans und Experten waren nun dennoch teilweise überrascht von der Vertragslaufzeit von Dardai bis 2022 – ich war es nicht. Im Gegenteil. Es ist doch vollkommen logisch und sinnvoll, mit Dardai mindestens für eineinhalb Jahre zu planen, weil Hertha jetzt beginnen muss, den Kader für die Zukunft aufzustellen und für die kommende Saison zu planen. Dardai ist genau der richtige Mann, um das voranzutreiben. Und sehr wahrscheinlich ist er auch der richtige Mann für eine längere Zeit an der Seitenlinie.

Dardai hat schon aus weitaus schwächeren Spielern, weniger Qualität und mit weniger Möglichkeiten ein Team geformt und den Europapokal erreicht. Gelingt ihm das nun im Ansatz mit der aktuellen Mannschaft, wird Hertha in dieser Saison letztlich nichts mehr mit dem Abstieg zu tun haben. Und dann ist Dardai gefragt, den Kaderumbau voranzutreiben. Nochmal: Die Qualität ist zweifellos vorhanden. Die Frage, die er sich und auch den Spielern stellen muss, lautet vielmehr: Wer ist auch bereit, wirklich alles zu tun, damit Hertha Erfolg hat? Viele Bundesliga-Spieler sind heutzutage Diven, die schnell die Schuld auf andere schieben und sich sagen: "Warum läuft es nicht? Wahrscheinlich, weil hier alles schlecht ist". Wer schafft es, seine Divenhaftigkeit abzustreifen und sich in den Dienst des Vereins zu stellen? Dardai muss das erkennen und durchgreifen, keine Frage.

Die Hauptstadt träumt weiterhin davon, irgendwann mal ein "Big City Club" zu werden. Und ich weigere mich, in die Schadenfreude einzustimmen oder zu sagen, dass sie dieses Ziel nie erreichen werden. Ich halte das weiterhin für möglich, dass sie mal eine Entwicklung nehmen, die sie zumindest in die Richtung der Bundesliga-Spitze führt.

Natürlich haben der FC Bayern, Borussia Dortmund, RB Leipzig und auch Gladbach sowie Leverkusen einen gewissen Vorsprung erarbeitet. Nach wie vor muss es aber möglich sein, sich dahinter einzureihen. Das muss das Ziel sein – und das können sie mit Arne Friedrich und Pal Dardai auch erreichen. Hertha kann eine unglaubliche Strahlkraft entwickeln, wenn der Verein konstant sportlichen Erfolg hat.

Dafür braucht es auch keine großen Namen. Jens Lehmann hat im Aufsichtsrat wenig mit der sportlichen Entwicklung zu tun, ist mehr Ratgeber. Und ein externer Ralf Rangnick beispielsweise wird nicht funktionieren, weil er es gewohnt ist, alle Entscheidungen selbst zu treffen und alles zu kontrollieren. Mit Arne Friedrich passt das nicht zusammen. Ich bin immer ein Freund davon, sportliche Kompetenz dazuzuholen, aber es gibt etwas, das wichtiger ist als der Name: dass jemand ins Team passt.

Auch die Gerüchte um Fredi Bobic sind vollkommen sinnfrei. Bobic hat sich über Jahre etwas in Frankfurt aufgebaut, bereits tolle Erfolge gefeiert und zuletzt auch mal eine schwierigere Phase überwunden. Die Rückholaktion von Topstürmer Luka Jovic von Real Madrid ist ganz, ganz eng mit dem Namen Fredi Bobic verknüpft – und er war zu Recht stolz auf diesen Coup. In drei Spielen wurde Jovic dreimal eingewechselt, hat drei Tore erzielt und Bobic damit schon viel Freude bereitet. Ich bin mir sehr sicher, dass Bobic auf keinen Fall aufgibt, was er aufgebaut hat. Seine Reise ist bei Weitem noch nicht beendet in Frankfurt. Und genauso sinnfrei sind auch die Gerüchte um Hoffenheims Alexander Rosen und Salzburgs Christoph Freund.

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Sie sollten bei Hertha vielleicht versuchen, sich ein Beispiel zu nehmen an Borussia Mönchengladbach. Die haben 2012 noch schlechter dagestanden als Hertha heute. Mit Kontinuität und guter Arbeit haben sie sich in Richtung der Champions-League-Plätze vorgearbeitet und gehören nun verlässlich zu den Kandidaten für eine Qualifikation. Die Voraussetzungen bei Hertha sind locker zweimal so gut wie die bei Gladbach. Aber ein Verein und eine Mannschaft müssen eben gesund wachsen – und nicht von heute auf morgen nur mit horrenden Transferausgaben.

Doch genau daran werden die Verantwortlichen nun gemessen. Carsten Schmidt als neuer Vorsitzender der Geschäftsführung. Arne Friedrich als neuer Sportdirektor. Und auch Pal Dardai, der den Verein in- und auswendig kennt – und trotzdem künftig in einer neuen Hertha-Welt lebt. Mit Geld und mit Riesendruck. Und trotzdem: Für mich sind Friedrich und Dardai in der sportlichen Leitung das Duo der Zukunft.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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