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Stefan Effenberg zur Führungskrise beim DFB: "Wenn das alles ans Licht kommt"


Führungskrise beim DFB
"Wenn das alles ans Licht kommt..."

  • Florian Wichert
MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 07.10.2021Lesedauer: 6 Min.
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DFB-Direktor Oliver Bierhoff am Telefon. Stefan Effenberg sieht beim Verband großen Handlungsbedarf.Vergrößern des Bildes
DFB-Direktor Oliver Bierhoff am Telefon. Stefan Effenberg sieht beim Verband großen Handlungsbedarf. (Quelle: Federico Gambarini/dpa)

Bei der Nationalelf geht es unter Hansi Flick bergauf, beim DFB unter der kommissarischen Leitung nicht. Das kommt nicht von ungefähr.

Die Nationalmannschaft wird sich am morgigen Freitag gegen Rumänien und am Montag gegen Nordmazedonien durchsetzen und für die Weltmeisterschaft 2022 in Katar qualifizieren, daran habe ich keinen Zweifel. Die Mannschaft ist unter Trainer Hansi Flick auf einem hervorragenden Weg und gewinnt gerade Sympathien zurück, die sie in den vergangenen Jahren verspielt hat. Mit tollen Talenten wie Karim Adeyemi, Florian Wirtz und Jamal Musiala.

Es gibt allerdings ein großes Aber.

Der Erfolg und die Sympathien werden nur bleiben, wenn es der DFB endlich schafft, aufzuräumen – und in der Spitze adäquat und dem größten Sportverband der Welt entsprechend aufgestellt zu sein. Und danach sieht es leider überhaupt nicht aus, obwohl für 2022 eine Strukturreform und die Installation eines neuen Präsidenten geplant sind.

Der Flick-Erfolg als Deckmantel

Haben Sie in letzter Zeit etwas zur Präsidentensuche gehört? Über Pläne, Sondierungen, Gespräche? Über Kandidaten oder insbesondere Kandidatinnen, nachdem sich eine Initiative "Fußball kann mehr" um die frühere HSV-Chefin Katja Kraus und Ex-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb für mehr Frauen und Diversität in Führungspositionen und insbesondere in der Spitze des DFB ausgesprochen hat?

Nicht?

Ich auch nicht. Oder zumindest nicht viel.

Kein Wunder. Beim DFB tut man derzeit das, was man am besten kann: aussitzen und abwarten. Totschweigen. Um dann in aller Ruhe mit einer Personalie um die Ecke zu kommen, die womöglich nicht unbedingt für Aufbruch steht, sondern möglichst wenig verändert. Im Zweifel sogar unter dem Deckmantel des Erfolgs der Nationalmannschaft unter Hansi Flick, der ihnen in dem Fall zugutekommen würde.

Der aktuelle Beirat ist eine Alibi-Veranstaltung

An diesem Wochenende will man die Kandidatenliste durchgehen, um dann im März 2022 den neuen Präsidenten zu wählen.

Dabei ist der Posten seit Mai vakant bzw. nur kommissarisch von Dr. Rainer Koch und Peter Peters besetzt.

Der DFB braucht nichts mehr als frische Impulse – so schnell wie möglich. Endlich eine gute Lösung an der Spitze. Dazu vielleicht einen echten Beirat mit aktuellen und ehemaligen Größen aus den Bundesliga-Klubs. Mit Karl-Heinz-Rummenigge, Uli Hoeneß, Rudi Völler, Matthias Sammer und auch mit Mitgliedern aus der Initiative um Katja Kraus. Wo Themen wirklich vorgedacht und dann umgesetzt werden. Und nicht so wie der bisherige Beirat, der offensichtlich eher eine Alibi-Veranstaltung ist. Zumindest ist Berti Vogts als ehemaliger Nationaltrainer und Europameister von 1996 genervt ausgetreten, weil die Punkte nicht mal weitergegeben wurden.

Ich bezweifle leider, dass sie beim DFB neue Impulse wollen.

Aufbruch mit Peters? Wohl kaum!

Personen wie Rainer Koch und Peter Peters kleben an ihren Posten. Und am Ende könnte Peters sogar noch zum neuen Präsidenten gewählt werden. Das wäre in meinen Augen kein gutes Zeichen. Peters hat auf Schalke schon ein schwieriges Erbe hinterlassen und in der Branche nicht den besten Ruf. Zudem verkörpert kaum jemand ein „Weiter so“ wie er. Aufbruch? Gibt es mit ihm wohl kaum. Und genau das geht nicht mehr.

Aber zumindest würde er sich gut in die Reihe der letzten Präsidenten einreihen. Ich fasse noch mal zusammen:

Wolfgang Niersbach stolperte über die Sommermärchen-Affäre und musste sich in Strafverfahren unter anderem wegen des Verdachts auf Betrug, Geldwäscherei und Veruntreuung verteidigen. Am 9. November 2015 trat er als DFB-Präsident zurück.

Kellers Amtszeit? Ein Missverständnis

Reinhard Grindel legte am 2. April 2019 mit sofortiger Wirkung sein Amt aufgrund seines „wenig vorbildlichen Handelns“ nieder. Er hatte eine Luxusuhr als Geschenk eines ukrainischen Oligarchen angenommen, was nicht hilfreich war, um mit Vorurteilen von Korruption gegenüber Funktionären aufzuräumen. Er hatte aber auch Nebeneinkünfte nicht angegeben, ein Interview mit der Deutschen Welle abgebrochen und die Affäre um Mesut Özil alles andere als souverän gelöst. Auch diese Punkte flogen ihm um die Ohren.

Fritz Keller verglich im April 2021 in einer DFB-Präsidiumssitzung Rainer Koch mit NS-Richter Roland Freisler, der für die Organisation des Holocaust mitverantwortlich war. Er musste vor die DFB-Ethikkommission, das Verfahren wurde eingestellt – allerdings erst, nachdem Keller sein Amt zur Verfügung gestellt hatte. Seine Amtszeit: ein einziges Missverständnis.

Das Geltungsbedürfnis war fast krankhaft

Man sollte meinen, dass ein DFB-Präsident eine Ära prägen, ein Jahrzehnt gestalten und diverse Turniere begleiten kann. Dass er sich im Hintergrund hält, wenn es um die Nationalmannschaft geht – und sich lieber um Mitarbeiter, Strukturen und die Zukunftsfähigkeit des Verbandes kümmert. Die Realität entspricht dem leider überhaupt nicht. Stattdessen hatten die Präsidenten zuletzt ein ausgeprägtes Geltungsbedürfnis. Sie freuten sich, wenn sie erkannt wurden. Der Drang in die Öffentlichkeit wirkte teilweise fast krankhaft.

Ich bin letztens über einen Satz von Schatzmeister Stephan Osnabrügge gestolpert, der für das Amt nicht noch einmal kandidieren möchte. Er begründete das so: „In einem solchen Umfeld möchte ich nicht arbeiten. Das kann ich meiner Familie, meinen Kolleginnen und Kollegen in der Anwaltskanzlei nicht zumuten. Diese Art des Umgangs, wie ich es zum Beispiel gerade in Zusammenhang mit der Ethikkommission erlebe, brauche ich nicht."

Ich habe mich früher lieber ferngehalten

Das sagt viel aus über den DFB – nur nicht viel Gutes. Aber durch Besuche der Steuerfahndung oder andere Nebenkriegsschauplätze ist das Image ja ohnehin längst ramponiert. Ich ahne: Wenn alles ans Licht kommen würde, was da im Hintergrund passiert, würden die sieben Millionen Mitglieder nur noch mit dem Kopf schütteln.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich schon zu meiner Zeit in der Nationalmannschaft von 1990 bis 1994 kein gutes Gefühl in Bezug auf die Funktionäre hatte. Ich habe mich da lieber ferngehalten, weil ich den Eindruck hatte, dass es ihnen am meisten um sich selbst ging. Sie wollten im Flieger vorne und am besten oben sitzen, wenn das möglich war, während die Spieler hinten unten Platz nehmen durften. Und so waren sie auch, die Anzugträger: von oben herab – und bedacht auf ihren Komfort und ihre Annehmlichkeiten. Geprägt ist das Verhalten vieler Funktionäre von der Angst, nicht mehr kostenlos und lecker auf Kosten des DFB essen zu dürfen.

Mir war das damals nicht so wichtig. Ich habe mich in erster Linie gefreut, für Deutschland spielen zu dürfen. Ich glaube aber, dass man beim DFB schon zu der Zeit sehr auf den eigenen Status und das Netzwerk Wert gelegt hat.

Der DFB hat Frauen in der Regel nicht eingeladen

Und ganz offensichtlich waren Frauen auch schon früher im Verband nicht so gern gesehen. Nicht an der Spitze – also genau wie heute. Selbst beim Thema Spielerfrauen war der DFB stets eigen. Man könnte sagen: Beim DFB empfand man Frauen schon damals eher als lästig.

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Das war übrigens bereits in den Siebzigern so, als Gerd Müller seine Karriere in der Nationalmannschaft nach nur 62 Spielen beendet hat. Der Grund? Er war sauer, dass die Spielerfrauen, also auch seine Frau, nicht zum Festbankett nach dem gewonnenen WM-Titel eingeladen wurden – und auch im Stadion eher schlechte Plätze bekamen.

Das war auch zu meiner Zeit so, in der Frauen in der Regel nicht mit eingeladen wurden. Und wenn doch, dann nur widerwillig und nach langen Diskussionen.

Fußballfans haben ein feines Gespür

Heute äußert sich das zum Beispiel im Umgang mit der Initiative. Rainer Koch soll auf die ehemalige Schiedsrichterin Steinhaus-Webb Druck ausgeübt haben, sich nicht dieser Gruppe anzuschließen. Als die Anliegen dann auf dem Tisch lagen, äußerte sich lange niemand vom DFB. Später zeigte man vorsichtig Gesprächsbereitschaft.

Oder in Berlin, wo Gaby Papenburg, Mitinitiatorin von "Fußball kann mehr", bei der Wahl zum Präsidenten des Berliner Fußball-Verbandes mit 33:81 gegen den männlichen Mitbewerber verlor und anschließend feststellte, dass der Amateurfußball nicht bereit sei für eine Frau. Und der DFB besteht zu großen Teilen aus Vertretern des Amateurfußballs. Ich will von außen auch gar nicht beurteilen, wer wofür besonders gut geeignet ist. Das Beispiel zeigt nur, dass man lieber auf angeblich Bewährtes setzt und sich vor Neuerungen und Veränderungen sträubt.

Die Fußballfans in Deutschland haben ein feines Gespür dafür, solche Dinge zu erkennen und darauf zu reagieren. Das hat sich über die Jahre durch abnehmendes Interesse längst bemerkbar gemacht. Durch teils leere Stadien, die die Nationalelf dazu verleitet haben, in kleineren Arenen zu spielen – unabhängig von den Leistungen. Ich habe auch in den Innenstädten bei den Turnieren zuletzt keine Fahnen und verkleidete Autospiegel mehr wahrgenommen.

Am Ende geht es um Fußballkompetenz

Umso größer ist jetzt die Chance, mit einer erfolgreichen Mannschaft und einer neu aufgestellten DFB-Spitze nachhaltig das Image des Verbandes wiederherzustellen – und spätestens mit der Europameisterschaft 2024 in Deutschland die Probleme endgültig hinter sich zu lassen.

Ich bin gespannt, ob der zuletzt gehandelte und unbekannte Bernd Neuendorf als aktueller Präsident des Fußball-Verbandes Mittelrhein eine Chance hat, DFB-Präsident zu werden. Ich kenne ihn nicht und will mir kein Urteil erlauben – womöglich ist er ja genau der richtige Mann. Aber: Zumindest ist es schade, dass Rummenigge, Hoeneß oder Völler entweder für den DFB kein Thema sind oder dankend abwinken. Am Ende geht es immer noch um Fußballkompetenz – und die bündelt man am besten, indem man Impulse von außen zulässt.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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