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WM 2022 in Katar | DFB-Präsident: "Werde ich klar an die FIFA adressieren"


DFB-Boss vor WM in Katar
"Das werde ich klar an die Fifa adressieren"

  • Noah Platschko
InterviewVon Noah Platschko

Aktualisiert am 02.06.2022Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Bernd Neuendorf: Der DFB-Präsident ist seit März im Amt.Vergrößern des Bildes
Bernd Neuendorf: Der DFB-Präsident ist seit März im Amt. (Quelle: Sportfoto Rudel/imago-images-bilder)

Seit März ist Bernd Neuendorf neuer DFB-Präsident. Im Interview mit t-online spricht er über die anstehende WM in Katar, die Ziele mit den DFB-Frauen sowie die abgelaufene Bundesligasaison.

Der DFB-Präsident war zuletzt untergetaucht. Doch dass Bernd Neuendorf bei der Vergabe des DFB-Pokals der Frauen in Köln fehlte, lag an einer kurzfristigen Erkrankung. Ansonsten ist der seit März amtierende Chef der DFB-Spitze ein viel beschäftigter Mann. Pokalübergaben in Berlin, Uefa-Sitzungen in Wien, Fifa-Kongresse in Katar.

Die Aufgaben sind vielfältig für Neuendorf, der bei Amtsantritt angekündigt hatte, die "Werte des Fußballs" glaubwürdig vertreten zu wollen – und einen "Kulturwandel" forderte. Denn der Sport erlangt mehr und mehr politische Dimension, gerade im WM-Jahr 2022. Das Turnier in Katar steht aufgrund der Missstände im Gastgeberland stark in der Kritik. Auch der DFB ist gefordert – und muss sich positionieren.

Im Interview mit t-online spricht der DFB-Präsident über das anstehende Großevent in Katar, aber auch über die Ziele mit den DFB-Frauen sowie die abgelaufene Bundesligasaison.

Herr Neuendorf, dieses Jahr findet die Winter-WM in Katar statt. Sie haben noch im April mit Lise Klaveness, Ihrer norwegischen Amtskollegin, telefoniert, und sich mit ihr über mögliche gemeinsame Initiativen im Weltfußball ausgetauscht. Wie sollen die konkret aussehen?

Bernd Neuendorf (60): Die Fifa hat erkannt, dass bei den Vergabekriterien für solch ein Turnier deutlich nachgebessert werden muss. Menschenrechte und Arbeitsbedingungen sind dabei zentrale Punkte, seit 2017 müssen entsprechende Standards etwa beim Arbeitsschutz, der freien Meinungsäußerung oder der Inklusion von vorneherein gewährleistet werden. Das begrüße ich grundsätzlich.

Nun kommt es darauf an, dass diese Kriterien künftig auch wirklich angewendet werden. Darauf werde ich achten. Durch meine Reise nach Katar habe ich eigene Eindrücke gesammelt und fühle mich nun auch sicherer in der Bewertung der Situation vor Ort und der sich daraus ergebenden Forderungen. Diese werde ich auch weiter klar artikulieren und an die Fifa und Uefa adressieren.

Tut der DFB denn genug, um auf die Missstände im Land hinzuweisen?

Wir haben als DFB selbstverständlich eine Verantwortung, und die nehmen wir auch wahr. Um wirkliche Veränderungen zu erreichen, brauchen wir aber letztlich politische Unterstützung und Rückendeckung. Ich werde das auch weiterhin in meinen Gesprächen in Berlin thematisieren.

Hätten Sie Verständnis dafür, wenn deutsche Politikerinnen und Politiker aus Protest nicht zur WM reisen würden?

Ich habe hier keine Ratschläge zu geben. Diese Entscheidung sollte man den Verantwortlichen in Berlin überlassen.

2022 findet, noch vor der Männer-WM, die EM der Frauen in England statt. Wie groß ist Ihre Vorfreude auf das Turnier?

Der Frauenfußball befindet sich aktuell massiv im Aufwind. Beim Spiel des FC Barcelona wurde mit mehr als 90.000 Zuschauerinnen und Zuschauern in der Champions League gegen Wolfsburg ein Weltrekord aufgestellt. Beim Rückspiel in Wolfsburg waren mehr als 20.000 Fans im Stadion. So wünschen wir uns das. Wir wollen den Frauenfußball in Deutschland kontinuierlich weiterentwickeln. Die Professionalisierung und die Sichtbarkeit schreiten voran. Meine Hoffnung ist, dass mehr und mehr Mädchen in unsere Vereine eintreten und wir einen Boom erleben, der sich dann natürlich auch in der Nationalmannschaft und in der Frauen-Bundesliga widerspiegelt.

Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Frauenfußball in Deutschland?

Wir wollen in diesem Sommer zunächst ein erfolgreiches EM-Turnier in England spielen. Aber darüber hinaus stehen mehrere Punkte auf meiner Agenda. Der DFB wird sich um die Austragung der Frauen-WM 2027 bewerben – gemeinsam mit den Niederlanden und Belgien. Davon verspreche ich mir sehr viel.

Unter anderem habe ich die Hoffnung, dass durch ein solches Turnier viele Frauen und Mädchen den Weg in die Vereine finden. Denn dort, in den kleinen Vereinen an der Basis, beginnen die Spielerinnen mit dem Fußballspielen, dort werden sie ausgebildet. Turniere wie eine WM im eigenen Land bieten großes Potenzial. Diese Chance, Mädchen und Frauen für den Fußball zu begeistern, wollen wir nutzen.

Der Fußball befindet sich im Wandel, auch auf Vereinsebene. Die Champions League steht vor einer Reform. Ab 2024 sollen 36 Teams in einem Ligensystem gegeneinander antreten. Ist der neue Modus ein Vorbote der geplanten Super League?

Ich bin froh, dass unlängst eine vergleichsweise gute Lösung für die Champions League gefunden wurde. Das Wichtigste für mich: Der neue Modus ist kein abgeschlossenes System, für das man sich aus einem nationalen Wettbewerb heraus sportlich gar nicht mehr qualifizieren könnte. Das wäre bei der Super League der Fall.

Mit Real Madrid stand ein Klub im Finale der Champions League, der sich für eine Schaffung der neuen Super League einsetzt. Ist das nicht zynisch?

Gerade Real Madrid hat in dieser Champions-League-Saison gezeigt, was diesen Wettbewerb so besonders macht – und die Massen begeistert. Das wird den Verantwortlichen sicher auch bewusst sein und sie werden hoffentlich begreifen, was sie an der Champions League haben.

Ein Grund dafür, dass in Deutschland – im Gegensatz zu England – nicht unbegrenzt Investorengelder fließen, ist die 50+1-Regelung. Viele Fans wollen diese behalten, auch wenn dadurch drohen könnte, dass Bundesligaklubs international nicht mehr konkurrenzfähig wären.

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Meine Position ist klar: Ich bin ein Befürworter der 50+1-Regelung und froh, dass Investoren nicht einfach so einen Klub übernehmen können. Wir haben zuletzt unter anderem beim FC Chelsea gesehen, welche Probleme auf einen von Investoren geführten Verein zukommen können. Auch die DFL und die Profivereine haben sich für den Beibehalt der Regelung ausgesprochen, da haben wir in Deutschland aktuell einen guten Konsens.

Die Gelder, die Klubs wie der FC Bayern in der Champions League einnehmen, führen aber auch zu einer immer größer werdenden finanziellen Schere innerhalb der Bundesliga. Der FC Bayern feierte zuletzt den zehnten Meistertitel in Folge. Von Spannung im Titelkampf konnte dabei keine Rede sein.

Hinter dem Erfolg von Bayern München steht trotz der finanziellen Möglichkeiten eine sportliche Leistung. Die Bayern sind sportlich das Maß aller Dinge, das war auch schon unter Julian Nagelsmanns Vorgänger Hansi Flick so. Viele Vereine wie der BVB haben den Ehrgeiz, sich diesem Duell mit den Münchnern zu stellen – und haben für die kommende Saison hochkarätige Nationalspieler verpflichtet. Vielleicht sehen wir in der Spielzeit 2022/2023 schon ein anderes Bild.

DFL-Chefin Donata Hopfen hat in einem Interview mit der "Bild am Sonntag" einen möglichen Playoff-Modus in den Raum geworfen. Wie stehen Sie dazu?

Donata Hopfen hat sich gegen Denkverbote ausgesprochen, sich aber gleichzeitig ganz klar zu Traditionen und Werten des deutschen Fußballs bekannt. Und hinsichtlich der Playoffs hat sie in dieser Woche noch einmal unterstrichen, dass das Thema keine Priorität hat und derzeit nicht angegangen wird. Meine Meinung ist: Wir haben in Deutschland zwei wirklich gute und akzeptierte Wettbewerbe. Der eine ist der DFB-Pokal, bei dem das Duell 'David gegen Goliath' Jahr für Jahr herausragende Geschichten schreibt. Der andere ist die Bundesliga, in der eine Mannschaft über eine komplette Saison Zeit hat, am Ende ganz oben zu stehen und den Titel zu erringen. Dieses Prinzip, das im gesamten deutschen Fußball bis hinunter in die Kreisligen praktiziert wird, möchte ich nicht infrage stellen.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Bernd Neuendorf
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