Sport Borussia Mönchengladbach setzt den Höhenflug fort
Von Björn Wannhoff
Nach dem Beinahe-Abstieg 2011 und der überraschenden Rückkehr nach Europa 2012 steht Borussia Mönchengladbach vor der interessantesten Saison der jüngeren Vereinsgeschichte. Das Team von Trainer Lucien Favre verlor in der Sommerpause einige wichtige Spieler, investierte aber die gesamten Transfereinnahmen direkt in den Kader.
Können die Abgänge von Marco Reus, Roman Neustädter und Dante kompensiert werden? Wer soll sie ersetzen? Kommt das Team mit den anstehenden Belastungen aus Bundesliga, Pokal und europäischem Wettbewerb klar? In Teil 15 der Teamcheck-Serie beantwortet t-online.de die wichtigsten Fragen zu Borussia Mönchengladbach.
Personelle Situation
Neben dem frisch gebackenen Bundesliga-Spieler des Jahres Reus (Borussia Dortmund) verließen Publikumsliebling Dante (FC Bayern München) und Neustädter (FC Schalke 04) den Klub. "Das ist so, als würde der FC Barcelona Messi, Xavi und Piqué verlieren", klagte Coach Favre. Um diesen Aderlass zu kompensieren, verließ Borussia den Pfad der Sparsamkeit und investierte fast 30 Millionen Euro in den Kader. Geld, dass der Verein durch die Transfers von Reus und Dante eingenommen hat. Für Gladbacher Verhältnisse astronomische Summen.
Manager Max Eberl kam also die Aufgabe zu, im Verbund mit Favre möglichst schnell wieder eine Erfolgsachse für die Fohlen zu finden. Die Gemengelage der Champions-League-Perspektive, eines renommierten Trainers wie Favre und der nötigen Menge Kleingeld machten es ihm möglich, einige spektakuläre Transfers zu tätigen. Während der acht Millionen Euro teure Granit Xhaka (FC Basel) im defensiven Mittelfeld die Strippen ziehen soll, ersetzt der spanische Nationalspieler Alvaro Dominguez (Atletico Madrid, 8,5 Millionen Euro) Abwehrchef Dante. Der Königstransfer gelang Eberl jedoch mit dem niederländischen Nationalspieler Luuk de Jong, den der findige Manager für rund 13 Millionen Euro vom FC Twente Enschede loseiste.
Bei diesen großen Namen geriet der Wechsel von U-21-Nationalspieler Peniel Mlapa aus Hoffenheim schon beinahe zur Randnotiz. Branimir Hrgota, der aus der zweiten schwedischen Liga zur Borussia kam, dürfte es bei der namhaften Konkurrenz zunächst schwer haben.
Stärken und Schwächen
Gladbach zeichnet unter Favre eine für Borussia ungewöhnliche defensive Stabilität aus. Daran wird auch der Weggang von Dante und Neustädter nichts ändern. Mit Marc-André ter Stegen besitzt der Klub vom Niederrhein einen der besten Keeper der Liga. Tony Jantschke und Kapitän Filip Daems machen die Außenbahnen dicht. Zudem stopft Sechser Havard Nordveit zumeist alle Löcher im Mittelfeld.
Offensiv war das Spiel der Gladbacher stark auf die schnellen Antritte von Reus fokussiert. Mit feinen Doppelpässen und flachen Anspielen in die Tiefe hatte man die "Rakete" zum Starten gebracht. Mit de Jong ist nun ein Spielertyp im Zentrum, der auch gerne lange Bälle verwertet. Im Optimalfall wird das Spiel der Borussia dadurch sogar variabler. Es ist allerdings zu befürchten, dass die Integration von de Jong und der anderen Neuen einige Zeit brauchen wird. Zeit, die Gladbach angesichts der Spiele gegen Dynamo Kiew in der Königsklassen-Qualifikation eigentlich nicht hat.
Der Trainer
Den Gladbach-Fans dürfte ein großer Stein vom Herzen geplumpst sein, als Favre nach langem Zögern seinen Vertrag bis 2015 verlängert hat. Das "Super-Hirnli" bewahrte die Fohlen 2011 vor dem bereits sicher geglaubten Abstieg und führte das Team in der abgelaufenen Saison ins internationale Geschäft. Damit genießt Favre quasi unbegrenzten Kredit bei Fans und Vorstand.
Dabei zeichnet es den Schweizer aus, dass er sowohl ein tiefes taktisches Verständnis aufweist, als auch die Fähigkeit besitzt, die Spieler individuell besser zu machen. Der 54-Jährige, dessen zur Mäßigung erhobener Zeigefinger mittlerweile permanent zum Bild der Borussia gehört, glaubt an feste Gefüge und stabile Strukturen. Es wird seine größte Aufgabe sein, die neuen Spieler schnell in die Mannschaft zu integrieren.
Die Prognose
Borussia wird nach einigen Anlaufschwierigkeiten eine stabile Saison spielen. Sind die Neuen erstmal vollends ins Spiel eingebunden, wird das Abwehrbollwerk wieder stehen. Dann wird auch ab und an mal ein großer Klub ins Straucheln gebracht werden. De Jong ist zwar kein zweiter Reus, aber 15 Tore sind dem Angreifer in seinem ersten Bundesligajahr allemal zuzutrauen. Borussia zieht wieder ins internationale Geschäft ein und beendet die Saison auf Platz sechs, weil Favre es versteht, die Dreifach-Belastung mit dem etwas tieferen Kader aufzufangen.