Fix: Tuchel wird neuer Chelsea-Coach
London (dpa) - Ob er Timo Werner und Kai Havertz zu alter StΓ€rke verhelfen kann?
Die deutschen Nationalspieler aus ihrem seit Wochen anhaltenden Formtief zu befreien, gehΓΆrt zu den wichtigsten Aufgaben von Thomas Tuchel, dessen allseits erwartetes Engagement als neuer Chelsea-Trainer der Verein am Dienstagabend offiziell vermeldete.
"Ich kann es kaum erwarten, meine neue Mannschaft kennenzulernen und in der aufregendsten Liga des FuΓballs anzutreten", wurde Tuchel auf der Club-Homepage zitiert. "Wir alle haben den grΓΆΓten Respekt vor Frank Lampards Arbeit und dem Erbe, das er bei Chelsea geschaffen hat", betonte der Coach, der einen Vertrag ΓΌber 18 Monate mit Option auf ein weiteres Jahr unterschrieb. Bereits fΓΌr Dienstagabend war das erste Training angesetzt, Tuchels DebΓΌt steht bereits am Mittwoch gegen die Wolverhampton Wanderers an.
Der 47-JΓ€hrige kommt mit groΓen Vorschusslorbeeren nach London. Britische Medien begrΓΌΓten die Verpflichtung des "verrΓΌckten Genies" ("Telegraph"), "VisionΓ€rs" (BBC), "hervorragenden Talententwicklers und FuΓballwissenschaftlers" ("The Athletic").
Doch an der Stamford Bridge zΓ€hlen nur Erfolge. Die gab es zuletzt kaum - trotz einer 250 Millionen Euro schweren Transferoffensive im Sommer. Nach nur einem Sieg aus den vergangenen acht Spielen ist der vermeintliche TitelanwΓ€rter in der Premier League auf Platz neun zurΓΌckgefallen. Tuchel, der kurz vor Weihnachten bei Paris Saint-Germain gehen musste, soll den Club von MilliardΓ€r Roman Abramowitsch im Eiltempo wieder an die Spitzengruppe heranfΓΌhren. Mehr als die Qualifikation fΓΌr die Champions League ist wohl nicht mehr drin.
Sein VorgΓ€nger Lampard scheiterte auch, weil es ihm nicht gelang, die hochbegabten NeuzugΓ€nge Werner und Havertz ins Team zu integrieren. Unterschiedliche Systeme, wechselnde Positionen - er probierte und probierte vergeblich. Zuletzt stand das deutsche Duo nicht mal mehr regelmΓ€Γig in der Startelf. In Lampards letztem Spiel, dem 3:1-Pokalsieg gegen Luton Town, verschoss Werner einen StrafstoΓ. Die Szene war symbolisch fΓΌr das derzeit fehlende Selbstvertrauen.
In Paris hat Tuchel gezeigt, dass er aus teuren Individualisten - darunter Superstars wie Neymar und Kylian MbappΓ© - ein Spitzenteam formen kann. Der britische "Guardian" nannte den gebΓΌrtigen Krumbacher "eine Art Anti-Lampard". Auf den "unterqualifizierten Promi" folge ein "bayerischer Γber-Nerd, taktischer Modernist und detailbesessener Trainer", schrieb das Blatt.
Lampard wurde vorgeworfen, er habe zu wenige Anweisungen gegeben. DarΓΌber dΓΌrfte bei Tuchel, der nichts dem Zufall ΓΌberlΓ€sst, sicher niemand mehr klagen. Mit einigen Profis hat er bereits erfolgreich gearbeitet. Mit Christian Pulisic gewann Tuchel 2017 mit Borussia Dortmund den DFB-Pokal. Mit Thiago Silva als PSG-KapitΓ€n wurde er unter anderem zweimal franzΓΆsischer Meister.
Antonio RΓΌdiger, der unter Lampard seinen Stammplatz eingebΓΌΓt hatte, darf in Zukunft sicher auch auf mehr EinsΓ€tze hoffen. Tuchel wollte den deutschen Verteidiger einst nach Paris lotsen. Und doch: Davon dass Chelsea, wie mitunter zu lesen war, gezielt einen deutschen Trainer fΓΌr seine deutschen Stars suchte, ist nicht auszugehen. Sprachliche GrΓΌnde waren dem Vernehmen nach kein Kriterium fΓΌr die Wahl des FuΓballlehrers, zumal das DFB-Trio gutes Englisch spricht.
TatsΓ€chlich stand Tuchel schon 2018 - also lange vor Werner und Havertz - auf dem Zettel der Chelsea-Verantwortlichen. Angeblich bereut man an der Stamford Bridge bereits, dass der frΓΌhere Mainzer und Dortmunder Coach nicht schon damals verpflichtet wurde. Sein anspruchsvoller AngriffsfuΓball mit dem blitzschnellen Pressing ist genau nach dem Geschmack von Inhaber Abramowitsch.
Mit den Vereinsverantwortlichen war sich Tuchel auf seinen letzten Stationen jedoch nicht mehr einig: In Dortmund sah BVB-Boss Hans-Joachim Watzke nach eigenen Worten keine Grundlage mehr fΓΌr eine auf Vertrauen ausgelegte und perspektivisch erfolgreiche Zusammenarbeit. In Paris gab es Meinungsverschiedenheiten mit PSG-Sportdirektor Leonardo. In London muss er sich mit MilliardΓ€r Abramowitsch und der mΓ€chtigen Sportdirektorin Marina Granowskaja gut verstehen. Dass es sich Lampard mit Granowskaja verscherzt hatte, soll am Ende den Ausschlag fΓΌr den Trainerwechsel gegeben haben.