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Andreas Goldberger zur Vierschanzentournee: Das sind die Favoriten


Goldberger zur Vierschanzentournee
Die deutschen Fans dürfen sich besonders auf drei Athleten freuen

MeinungEine Kolumne von Andreas Goldberger

29.12.2018Lesedauer: 6 Min.
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Österreichs Skisprung-Legende Andreas Goldberger gewann zweimal die Vierschanzentournee und verrät in seiner Kolumne, wen er dort in diesem Jahr ganz vorne sieht.Vergrößern des Bildes
Österreichs Skisprung-Legende Andreas Goldberger gewann zweimal die Vierschanzentournee und verrät in seiner Kolumne, wen er dort in diesem Jahr ganz vorne sieht. (Quelle: t-online.de/imago-images-bilder)

Vor dem Start der Vierschanzentournee in Oberstdorf erklärt t-online.de-Kolumnist Andreas Goldberger die Faszination des Wettbewerbs. Den Deutschen traut er einiges zu, favorisiert aber einen Japaner.

Liebe User von t-online.de,

endlich ist es wieder so weit. Mit dem Wettbewerb in Oberstdorf (heute ab 16:30 im Liveticker von t-online.de) beginnt die Vierschanzentournee 2018/19. Und in diesem Jahr dürfen wir uns auf eine besonders spannende Ausgabe dieser legendären Veranstaltung freuen. Dazu aber später mehr.


Zunächst nehme ich Sie mit auf eine kleine Zeitreise. Ende der 1970er-Jahre machte ich als kleiner Bub meine ersten Versuche auf den Skisprungschanzen meiner oberösterreichischen Heimat. Noch mehr als das Springen faszinierte mich aber das, was da in jedem Jahr nach Weihnachten auf den Schanzen von Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen über die Bühne ging: die Vierschanzentournee.

Mein großes Ziel

Schon damals waren die Stadien voll, die Zuschauer saßen in Massen vor dem Fernseher und das Medieninteresse war riesig. Und das nicht nur in Deutschland und Österreich, auf der ganzen Welt fand und findet die Tournee große Beachtung.

Mit Freunden und Familie saß ich nach Weihnachten vor dem Fernseher, die Tournee war Pflichtprogramm. Händisch schrieb ich die Ergebnisse mit und drückte den Springern die Daumen.

Vor allem die Schanze in Innsbruck hatte es mir angetan. Diese außergewöhnliche Anlage, dieses Umfeld, die begeisterten Fans. Ich hatte fortan einen großen Traum. Einmal in meinem Leben wollte ich bei einem Weltcupspringen in Innsbruck dabei sein. Das war mein Ziel. Und natürlich auch eine Teilnahme bei der Tournee hatte ich als junger Springer im Kopf.


1991 sollte mein Traum dann in Erfüllung gehen. Als 18-Jähriger gab ich am 4. Januar mein Weltcup-Debüt – in Innsbruck. Ein Jahr später sprang ich zum ersten Mal in meiner Karriere aufs Podest. Natürlich in Innsbruck, natürlich bei der Vierschanzentournee. Und wieder war ein Jahr danach gab es die nächste Premiere für mich.

Nervöse Gedanken

Ich feierte ausgerechnet in Innsbruck meinen ersten Weltcupsieg. Da auch die Springen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen gut für mich liefen, reiste ich als Gesamtführender zum letzten Springen nach Bischofshofen. Dieses Gefühl, als Letzter dort oben auf der Schanze zu sitzen, während im Zielbereich zehntausende Fans jubeln, das bleibt für immer.

Ich war nervös. Plötzlich schossen mir Gedanken in den Kopf, was so alles passieren könnte. Eigentlich war ich immer ein lockerer Springer, der sich darum nicht viel Sorgen gemacht hat. Aber in diesem Moment ist man mit seinen Gedanken alleine. Was, wenn ich den Absprung nicht treffe? Was, wenn plötzlich der Wind verrückt spielt? Was, wenn mir auf einmal die Bindung aufgeht?

In diesem Moment muss man sich dann auf sein Gefühl und seine Intuition verlassen. Siebenmal hat alles geklappt, wieso sollte es ausgerechnet jetzt schiefgehen …

Gefühl und Intuition haben mich nicht im Stich gelassen. Ich habe den Sprung sauber nach unten gebracht und realisiert, dass ich die Tournee gewonnen habe. Die Gefühle und Emotionen waren unbeschreiblich. Ein riesiger Druck fiel von mir ab, ich war einfach nur glücklich.

Silvester? Von wegen

Zu meiner aktiven Zeit, als der Weltcup-Kalender noch nicht so eng getaktet war wie heute, hat es nach dem Springen noch eine offizielle Abendveranstaltung gegeben, auf der dann auch die Siegerehrung stattgefunden hat. Da haben wir natürlich ordentlich gefeiert und die Tournee Revue passieren lassen.


Für uns Springer war das die nachträgliche Silvesterparty. Weihnachten haben wir noch im Kreise unserer Familien feiern können, anschließend waren aber alle im Tournee-Modus. Klar haben wir an Neujahr kurz angestoßen, an eine richtige Silvesterparty war aber nicht zu denken.

Denn die Vierschanzentournee ist eine große sportliche Herausforderung. Vier Springen in so kurzer Zeit müssen die Athleten absolvieren. Zwischen den Springen halten sie sich im Hotel auf, Zeit zur Erholung bleibt da aber kaum. Denn in der Regel wechseln die Sportler ihren Aufenthaltsort nach jedem Wettbewerb, zu weit liegen die Tournee-Schanzen auseinander. Und dann ist da der enorme mentale Stress.

Die höhere Belastung

Man darf sich keinen Ausrutscher erlauben. Wer am Ende den goldenen Adler in den Händen halten will, muss acht gute Sprünge hinter sich haben. Mit der neuen Regelung, dass die besten Zehn des Gesamtweltcups nicht mehr automatisch für den Wettkampf qualifiziert sind sondern ebenfalls die Qualifikation meistern müssen, ist die Belastung noch einmal höher geworden.

Für die Fans ist diese Regelung natürlich super. Kein Top-Springer kann die Qualifikation auslassen, in jedem Durchgang sind die großen Stars also zu sehen. Ich persönlich finde aber, dass die besten Athleten des Gesamtweltcups sich dieses Privileg verdient haben.

Denn man darf nicht vergessen, dass die Topspringer in der Regel zwei Durchgänge absolvieren, meistens gegen Ende springen und auch abseits der Wettbewerbe viel um die Ohren haben. Jetzt aber dürfen sie sich nicht mehr ausruhen. Nicht nur die acht Wettbewerbsprünge zählen, auch in der Qualifikation darf man sich keinen Patzer erlauben.


Entsprechend spannend wird die Tournee also auch in diesem Jahr wieder. Gleich zahlreichen Springern traue ich einiges zu. Da ist in erster Linie Ryoyu Kobayashi zu nennen. Der Japaner hat vier von sieben Weltcupspringen gewonnen, nur einmal stand er nicht auf dem Podest. Wenn er diese Form mit zur Tournee nimmt, ist er kaum zu schlagen. Aber auch für ihn wird das eine große Herausforderung. Ich bin gespannt, ob er mit dem Druck und der Belastung zurechtkommt.

Wellinger ist ein Wettkampftyp

Ebenfalls auf der Rechnung muss man die Polen Piotr Zyla und Kamil Stoch haben. Zyla springt unheimlich konstant, er ist in der Form seines Lebens. Stoch hat die Tournee in den letzten zwei Jahren gewonnen, ihm liegt dieses Event. Und er kann sich unheimlich auf Highlights fokussieren. Für die Polen ist die Ausgangslage sehr gut. Wenn eine Mannschaft gleich zwei Sieganwärter hat, ist das ein großer Vorteil. Die können sich gegenseitig pushen.

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Die deutschen Fans dürfen sich besonders auf drei Athleten freuen. Karl Geiger hat in dieser Saison einen großen Schritt nach vorne gemacht, er springt unheimlich konstant. Und er hat in Engelberg seinen ersten Sieg gefeiert. Er weiß jetzt wie ist es, ein Springen zu gewinnen. Das kann enorm viel Auftrieb geben. Stephan Leyhe gefällt mir vom Sprungstil unheimlich gut, auch ihm traue ich viel zu. Die Frage wird sein, ob er mit dem Druck umgehen kann.

Wer das im deutschen Team definitiv beherrscht ist Andreas Wellinger. Der ist ein echter Wettkampftyp und weiß genau, was er bei Highlights zu tun hat. Und er bringt einen Faktor mit, der fürs Skispringen und die Tournee unheimlich wichtig ist. Andi ist ein lockerer Typ, der sich richtig freut auf diesen Wettbewerb. Das war auch bei mir immer das Wichtigste. Nur wenn man richtig Lust auf die Tournee hat, kann man sie auch gewinnen.

Die Hoffnungs Österreichs

Bei den Norwegern traue ich am ehesten Johann Andre Forfang und Robert Johansson eine erfolgreiche Tournee zu, bei Daniel-André Tande muss man abwarten, ob er rechtzeitig in Form kommt.


Aus österreichischer Sicht ruhen alle Hoffnungen mal wieder auf Stefan Kraft. Der ist richtig gut drauf, ich traue ihm zu, dass er ganz vorne mitspringt. Oberstdorf liegt ihm von der Schanze, ich hoffe dass er gleich gut in die Tournee startet. Dann kann es ganz weit nach vorne gehen.

Wichtig für Stefan wird auch sein, dass die Jungs dahinter eine ordentliche Tournee springen. Wenn der ganze Druck nur auf ihm lastet und er sich für alles rechtfertigen muss, ist das sicherlich eine zusätzliche Belastung. Daher hoffe ich, dass Daniel Huber und Michi Hayböck ihr Potenzial ausschöpfen können und bei dem einen oder anderen Springen mit vorne dabei sind.

Wir werden sehen, wie es letztlich kommt. An Spannung und neuen Heldengeschichten wird es auch diesmal nicht mangeln.

Ich freue mich auf eine tolle Vierschanzentournee!

Ihr Andreas Goldberger

In der t-online.de-Wintersport-Kolumne schreiben Größen aus Biathlon, Ski alpin, Bob, Rodeln oder Skispringen abwechselnd über ihre Sportarten.

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