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Cum-Ex-Skandal: Es wird eng für Olaf Scholz


Tagesanbruch
Steuerskandal: Es wird eng für Scholz

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 19.08.2022Lesedauer: 6 Min.
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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Olaf Scholz soll in den Cum-Ex-Skandal verwickelt sein.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz soll in den Cum-Ex-Skandal verwickelt sein. (Quelle: Lisi Niesner/Reuters-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

woran merkt man, dass jemand unter großem Druck steht? Ist es der Eindruck, dass er nicht mehr voll konzentriert ist, unaufmerksam wirkt, Fehler macht? Vielleicht auch eine seltsame Diskrepanz zwischen dem, was er sagt, und dem, was er tut? Man tritt ihm sicher nicht zu nah, wenn man feststellt, dass Olaf Scholz in diesen Tagen keine gute Figur abgibt. Die Teilnahmslosigkeit, mit der er den palästinensischen Holocaust-Relativierer Mahmud Abbas im Kanzleramt schwadronieren ließ, war eines deutschen Regierungschefs unwürdig. Die später hinterhergeschobenen Tweets, die ihm sein Sprecher-Team aufschrieb, ließen an Klarheit nichts zu wünschen übrig, stehen aber in seltsamem Kontrast zu den hölzernen Phrasen, die der Kanzler oft vor Fernsehkameras von sich gibt.

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Sicher: Die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine, die Versäumnisse der Vorgängerregierung, der wachsende Unmut in Teilen der Bevölkerung und der bevorstehende Krisenherbst zwingen den Kanzler in eine prekäre Lage. Wenige Regierungschefs wurden gleich nach ihrem Antritt derartig herausgefordert, ohne zunächst im Amt Erfahrung sammeln zu können. Aber es ist, wie es ist, und Scholz wollte den Job unbedingt haben.

Nun hat er ihn, ist jeden Tag maximal gefordert und bräuchte seine volle Aufmerksamkeit fürs Krisenmanagement. So dürften ihn sich auch die meisten Bürger wünschen: als einen Kanzler, der sich hundertprozentig darauf konzentrieren kann, das Land durch den Sturm zu führen.

Leider kann Olaf Scholz das nicht, weil ihm eine böse Geschichte aus der Vergangenheit anhaftet. Sie verblasst nicht, sondern wird immer präsenter. Und sie nimmt offenkundig auch einen Teil des Kanzlergehirns in Beschlag: In der Cum-Ex-Affäre um den Steuerraub der Hamburger Warburg-Bank kommen immer mehr Details ans Licht. Der Journalist Oliver Schröm hat das ganze Drama und Scholz' Rolle in einem Buch seziert. Im Interview mit meiner Kollegin Nele Behrens berichtet er, wie er bei der Recherche auf zahlreiche Merkwürdigkeiten stieß und wie das Kanzleramt seine Arbeit torpedierte.

Eine brisante Frage führt zur nächsten: Was wusste Scholz als damaliger Erster Bürgermeister der Hansestadt von den dubiosen Verbindungen zwischen den Bankern und der Finanzbehörde? Griff er gar selbst zugunsten des Instituts ein, um diesem eine millionenschwere Steuerrückzahlung zu ersparen? Bisher hat er jede Verwicklung abgestritten und beruft sich an entscheidenden Punkten auf Erinnerungslücken. Die neuen Enthüllungen über gelöschte E-Mails und Kalendereinträge nähren jedoch Zweifel daran, dass Scholz mit seiner Vergesslichkeitstaktik weiter durchkommt. Die Vorwürfe wiegen immer schwerer, wie unser Reporter Johannes Bebermeier berichtet.

Heute Nachmittag muss Scholz im Hamburger Rathaus vor dem Untersuchungsausschuss aussagen. Schon im Vorfeld fliegen ihm heftige Vorwürfe um die Ohren. "Herr Scholz ist ein Serienlügner", behauptet Fabio De Masi gegenüber unserer Redaktion. Der Linkenpolitiker saß bis vergangenen Herbst im Bundestag und hat sich bei der Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals parteiübergreifend Anerkennung erworben. "Dass die Polizei die E-Mails des heutigen Bundeskanzlers und seiner Büroleiterin durchkämmt, zeigt: Unsere Polizei glaubt dem Bundeskanzler nicht", meint er.

Richard Seelmaecker, CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss, fordert gar den Rücktritt des Kanzlers: Scholz sowie der damalige Finanzsenator und jetzige Bürgermeister Peter Tschentscher hätten "politisch Einfluss genommen", um die Warburg-Bank vor einer Steuerrückzahlung zu bewahren. "Beide müssen zurücktreten", sagte er "Spiegel Online". Nun mag der Mann bundespolitisch eher ein kleines Licht sein, doch eine Rücktrittsforderung aus der stärksten Oppositionspartei ist kein Pappenstiel, erst recht nicht gegen einen Kanzler. Die Einschläge kommen näher, und Olaf Scholz wird hart daran arbeiten müssen, das Vertrauen vieler Bürger wiederzugewinnen, die seine mögliche Rolle im Cum-Ex-Skandal mit Argwohn betrachten. Das kostet Kraft und Zeit, die er eigentlich für anderes bräuchte. Putin treibt sein böses Spiel ja weiter, Herbst und Winter werden hart.

Andererseits: Hält Scholz dem Sturm der Kritiker selbst jetzt weiter stand, kann das ihn und sein Team auch stärken. Manche Leitartikler werden dann wieder vom "Teflon-Scholz" schreiben und andere seine schlappe Rhetorik geißeln. Aber er hätte die Gewissheit, dass er damit durchkommt. Harte Schlachten erschöpfen Kämpfer nicht nur, sie können sie auch stärken. Das mag Scholz' Kritikern nicht gefallen, aber er wäre nicht der erste Kanzler, der trotz dubioser Verwicklungen einfach weitermacht.


Rätselhafter Tod im Wasser

Seit Tagen treiben tote Fische in der Oder, allein auf polnischer Seite sind schon 100 Tonnen Tiere verendet. Das Ökosystem des Flusses ist wahrscheinlich über Jahre hinaus massiv geschädigt – und noch immer ist die Ursache der Umweltkatastrophe unklar. Vermutete man zunächst, die Hitze und der damit einhergehende Sauerstoffmangel im Wasser könnten die Auslöser gewesen sein, gerieten danach Quecksilberablagerungen und ein hoher Salzgehalt unter Verdacht. Auch eine giftige Algenart, die in dem Fluss eigentlich nicht massenhaft vorkommen dürfte, aber sich womöglich infolge von Abwässern aus einer Papierfabrik oder aus dem Kalibergbau doch dort angesiedelt hat, wurde schon als Verursacherin für möglich gehalten.

Immerhin: Anders als die Brandenburger Oder sind Mecklenburg-Vorpommern und das Stettiner Haff bisher vom Fischsterben verschont geblieben. Ökologen hoffen, dass das auch so bleibt. Heute Vormittag stellt Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus neue Gewässeranalysen vor – und will anschließend im Stadthafen gleich weitere entnehmen lassen. Klingt so, als würde die Ursachenforschung noch länger dauern.


UN-Chef in Odessa

Hoher Besuch in der Ukraine: Gestern empfing Präsident Selenskyj in Lwiw UN-Generalsekretär Guterres und den türkischen Staatschef Erdoğan; als Ziel des Dreiergipfels gab die türkische Delegation nichts Geringeres als die Anbahnung einer Verhandlungslösung zwischen den Kriegsparteien aus. Besonders der Sultan aus Ankara, der sich in den vergangenen Wochen gleich zweimal mit Putin getroffen hat, gefällt sich in seiner Rolle als Vermittler auf der Weltbühne.

UN-Chef Guterres hält den Ball klugerweise flacher. Aber auch er will den Erfolg des im Juli vereinbarten Getreide-Abkommens natürlich gern als Startrampe für mehr nutzen. Heute reist der Portugiese in die Hafenstadt Odessa, von wo aus viele Agrarlieferungen starten, morgen besucht er in Istanbul das Koordinationszentrum zur Überwachung von Getreideexporten über das Schwarze Meer.

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Gedenken in der Normandie

In Frankreich wird an den 80. Jahrestag der Schlacht von Dieppe erinnert: Kanadische und weitere alliierte Streitkräfte versuchten 1942 an der französischen Küste zu landen, wurden aber von der deutschen Wehrmacht zurückgeschlagen. Mehr als 3.000 Mann starben, später machten Historiker die Eitelkeit eines britischen Befehlshabers für den Fehlschlag verantwortlich.


Heldin des Tages

Sie hat erst kürzlich eine Corona-Infektion überstanden, fühlte sich noch nicht wieder ganz fit – und nun das: In einem sensationellen Lauf über 5.000 Meter hat Konstanze Klosterhalfen gestern Abend bei der Europameisterschaft in München die Goldmedaille geholt. Wir verbeugen uns.


Was lesen?

Erst brummt die Ampelregierung allen Bürgern eine Gasumlage auf, dann kündigt sie Entlastungen an, nun versucht sie, die Umlage durch eine halbe Mehrwertsteuersenkung zu mildern. Ein fürchterlicher Murks, findet meine Kollegin Christine Holthoff.


Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) steht derzeit massiv in der Kritik: Die Corona-Regeln für den Herbst seien realitätsfern, seine Kommunikation sei reiner Alarmismus. Im Gespräch mit meinen Kolleginnen Annika Leister und Nicole Sagener verteidigt der Minister seine Pläne für die kommenden Monate. Hier lesen Sie das Interview.


Die russischen Truppen beschießen ein ukrainisches Atomkraftwerk: Welche Strategie steckt dahinter? Der Bundeswehrexperte Carlo Masala erklärt die Kriegslage in seiner Videokolumne auf t-online.


In der "Süddeutschen Zeitung" fand ich einen Text, der nur 283 Wörter umfasst. Jeder einzelne Satz ist lesenswert.


Die Sowjetunion wurde von den Amerikanern als "Reich des Bösen" geschmäht, aber 1960 konnte sie die USA bloßstellen. Was damals geschah, lesen Sie auf unserem Historischen Bild.


Was beschwingt mich?

Ich mag Rockkonzerte. Sehr. Niemand hat in den vergangenen Jahrzehnten so konstant so mitreißende Shows abgeliefert wie die Band um Paul Stanley und Gene Simmons. Schade, aber irgendwie auch verständlich, dass die Bühnenderwische nun in ihren Siebzigern langsam Schluss machen wollen. Vorher widmet ihnen der Sender Arte eine grandiose Doku: Hier können Sie den Film "Die heißeste Band der Welt" sehen.

Ich wünsche Ihnen einen grandiosen Tag. Es wird endlich kühler, soll aber auch kräftig krachen, also Obacht!

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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