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Kanzleramtschef Helge Braun: "Schluss mit den Funklöchern"


"Es muss Schluss sein mit den Funklöchern"

Ein Interview von Laura Stresing und Florian Harms

Aktualisiert am 11.04.2019Lesedauer: 12 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Helge Braun: Der Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben ist auch für Digitales zuständig.Vergrößern des Bildes
Helge Braun: Der Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben ist auch für Digitales zuständig. (Quelle: Metodi Popow/imago-images-bilder)

Kommen nun Uploadfilter oder nicht? Und eine Steuer gegen Google, Amazon und Facebook? Merkels Digitalstratege macht im t-online.de-Interview klare Ansagen – und erklärt, wie die Bundesregierung den Netzausbau fördern will.

Deutschland hinkt im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung auf vielen Feldern hinterher. Die große Koalition hat sich vorgenommen, das schnell zu ändern. Im November hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Interview auf t-online.de ihren Plan für Deutschlands digitale Zukunft erklärt. Bei der konkreten Umsetzung, kann man als Beobachter den Eindruck bekommen, geht es aber in vielen Bereichen allenfalls langsam voran. Trifft diese Kritik zu oder täuscht der Eindruck? Wie will die Regierungszentrale die enormen Herausforderungen beim Netzausbau und bei der künstlichen Intelligenz bewältigen – und kommen nun Uploadfilter oder nicht? Im Gespräch mit t-online.de erklärt Merkels Digitalstratege, Kanzleramtsminister Helge Braun, was die Bundesregierung jetzt vorhat:

t-online.de: Herr Braun, die Unterstützung der Bundesregierung für die EU-Urheberrechtsreform hat viele junge Menschen frustriert und geärgert. Viele haben den Eindruck, dass ihre Anliegen von der Regierung nicht ernst genommen werden. Ist die Regierungspartei CDU jetzt bei Jungwählern durch?

Helge Braun: Das Thema hat in der Tat Frust ausgelöst. Weil natürlich der Eindruck entstanden ist, dass durch den Artikel 13, der jetzt Artikel 17 heißt,…

…durch den Plattformen wie Youtube und Facebook künftig für Urheberrechtsverstöße haften und der die Grundlage für Uploadfilter wäre…

…die Freiheit im Internet ernsthaft in Gefahr sei. Ich nehme diese Sorgen total ernst, halte sie aber für unberechtigt. Am Ende werden wir es in der nationalen Umsetzung so lösen, dass es überhaupt keine spürbaren Freiheitseinschränkungen im Internet gibt. Niemand will einen Uploadfilter, der durch eine Inhaltskontrolle massiv eingreift. Das will auch die Union nicht. Aus unserer Sicht sind Uploadfilter auch nicht zwingend mit dem beschlossenen Artikel verbunden.

Was macht Sie so sicher, dass eine Lösung ohne Uploadfilter machbar ist?

Der Artikel 17 sagt ganz klar, dass die Plattformen nur dann haften, wenn es keine Lizenzlösung gibt. Auf diesen ersten Teil des Artikels wollen wir uns stützen und die Anwendung von Uploadfilter durch die nationale Umsetzung vermeiden. Dazu werden wir uns darum kümmern, dass wir den Abschluss von Lizenzvereinbarungen anreizen.

Ihr Parteikollege, EU-Kommissar Günther Oettinger, sieht das offensichtlich anders. "Die Richtlinie stellt verbindliche Anforderungen auf, und ich erwarte, dass die Bundesregierung sie umsetzt", sagte er "Politico". Einen deutschen Sonderweg dürfe es nicht geben, alles andere werde die EU-Kommission nicht akzeptieren. Wäre es nicht klüger gewesen, die Reform in ihrer jetzigen Form abzulehnen, statt hinterher bei der Auslegung zu tricksen und sich mit der EU-Kommission anzulegen?

Wir standen den Uploadfiltern von Anfang an kritisch gegenüber. Das steht ja auch so im Koalitionsvertrag. Deshalb haben wir in Europa sehr lange diskutiert und immerhin eine Ausnahme für Startups erwirkt. Das war ein großer Verhandlungserfolg. Die Franzosen waren nämlich für ein viel umfassenderes Urheberrecht. Da kann man am Ende nicht sagen: Ihr seid zwar auf uns zugekommen, aber wir stimmen trotzdem dagegen.

Die deutschen Wähler zeigen dafür wenig Verständnis. Viele machen mit dem Hashtag NiemehrCDU deutlich, wer aus ihrer Sicht die Hauptverantwortung für die ungeliebte Richtlinie trägt, und werfen Ihnen und Ihren Kollegen mangelnde Digitalkompetenz vor.

Ich finde, da tun die Kritiker der CDU Unrecht. Wenn man sich mal anschaut, wie viel wir momentan digitalpolitisch voranbringen, glaube ich schon, dass man in der Digitalpolitik bei der CDU sehr gut aufgehoben ist.

Quantität und Qualität ist ja ein Unterschied...

So zu tun, als handele es sich bei der EU-Urheberrechtsreform um eine "Lex CDU" ist in der Sache falsch. Hier hat nicht eine einzelne Partei, sondern die Bundesregierung in einem europäischen Kontext gehandelt. Übrigens haben wir als erste und bisher einzige Partei ein Konzept zur nationalen Umsetzung der Richtlinie vorgelegt, das Uploadfilter vermeiden soll.

Die Debatte um Artikel 17 und Uploadfilter stand in den vergangenen Wochen im Fokus. Aber wie wollen Sie mit den anderen problematischen Teilen der Richtlinie umgehen? Haben Sie für das Leistungsschutzrecht auch einen Plan B?

Beim Leistungsschutzrecht haben wir in Deutschland festgestellt, dass uns eine nationale Lösung an der Stelle nicht weiterhilft. Jetzt wollen wir mal gucken, ob die europäische Lösung das Problem eher lösen kann.

Sie wollen mal gucken?

Ich war nie ein Freund des Leistungsschutzrechts. In Deutschland haben wir damit keine guten Erfahrungen gemacht. Aber wir haben uns jetzt in Europa nun mal so entschieden. Und den Kompromiss trage ich im Ergebnis mit.

Die Kritik der Reformgegner richtete sich nicht nur gegen die CDU als Partei. Einige Ihrer Kollegen standen auch persönlich unter Beschuss, vor allem der Verhandlungsführer Axel Voss. Aber auch der Chef der Unionsgruppe im Europaparlament, Daniel Caspary, musste viel Kritik einstecken, nachdem er behauptet hatte, die Demonstranten seien von Google gekauft worden. Wie stehen Sie zu solchen Aussagen?

Ich finde, man sollte solche Themen in der Sache diskutieren. Diese Abgesänge auf das Ende des freien Internets sind ebenfalls kontraproduktiv. Wir schauen uns mit kühlem Kopf an, wie die neuen Regeln national umgesetzt werden können. Digitalpolitik lebt davon, dass wir Dinge anders angehen und Neues ausprobieren, weil sie nun mal Möglichkeiten mit sich bringt, die wir vorher nicht hatten. Früher wurde jeder einzelne Urheberrechtsverstoß gemeldet. Da wurde ein Anwalt eingeschaltet, da wurde geklagt. Jetzt ist die Veröffentlichung von Inhalten zum milliardenfachen Phänomen geworden. Trotzdem gibt es niemanden, der sagt, wir wollen Urheberrechte nicht schützen. Jeder will online tolle Filme oder hochwertigen Lesestoff haben – und die, die sie erzeugen, sollen davon leben können. Unsere Aufgabe ist es, neue rechtliche Regeln zu schaffen, die diesem Grundsatz gerecht werden, ohne die Freiheit des Internets zu beschneiden. Dazu muss man auch mal experimentieren, neue Rechtsformen finden und diese behutsam umsetzen.

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Im Fall der Datenschutzgrundverordnung endete das gesetzgeberische Experiment in einem Debakel. Als das Gesetz in Deutschland in Kraft trat, fühlten sich viele Unternehmen schlecht vorbereitet. Kann es sein, dass das politische Management digitaler Themen in der Bundesregierung das eigentliche Problem ist?

Sie müssen bedenken: Als sich Europa vor fünf, sechs Jahren an die Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung gemacht hat, war diese gewissermaßen ihrer Zeit voraus. Viele Geschäftsmodelle, die uns heute normal vorkommen, waren damals noch überhaupt nicht auf dem Markt. Daher hatte man gar nicht so viel Expertenwissen. Ziel der Datenschutzgrundverordnung war es einerseits, datengetriebene Geschäftsmodelle in Europa zu ermöglichen und einen einheitlichen Rechtsrahmen für den digitalen Binnenmarkt zu setzen. Andererseits wollte man keinen leichtfertigen Umgang mit den Daten wie in den USA zulassen. Das sind zwei große Anliegen, die wir in der DSGVO ganz gut umgesetzt haben, finde ich. Trotzdem glaube ich auch, dass man sie relativ frühzeitig wieder novellieren muss, wenn erste Erfahrungen vorliegen. Die Frage nach dem richtigen Umgang mit Daten verändert sich sehr schnell.

Unternehmen müssen also bald mit dem nächsten Gesetz rechnen – dürfen sie dann auf Entlastung hoffen?

Die Unternehmen waren damals alle hellauf entsetzt, als das Gesetz in Kraft getreten ist, das stimmt. Meiner Wahrnehmung nach lag das aber nicht an irgendeiner Einzelregelung der DSGVO, sondern an den Sanktionsmöglichkeiten, unter anderem für Verstöße gegen die Dokumentations- und Nachweispflichten,durch die Richtlinie: Um sich dagegen abzusichern, muss man alle Prozesse dokumentieren.

In endlosen Excel-Tabellen...

Diese Vorgaben bedeuten leider einen hohen bürokratischen Aufwand, mit dem niemand gerechnet hat. Das ist für die Vereine und Unternehmen in Deutschland ein Problem. Da müssen wir nachbessern. Dafür muss man nicht gleich die Verordnung ändern. Aber wir müssen darüber reden, was in der Ausführung wirklich erforderlich und notwendig ist und was nicht. Die große Angst vom Anfang hat sich zumindest schnell gelegt: Die Aufsichtsbehörden haben in den letzten Monaten gezeigt, dass sie verantwortungsvoll vorgehen. Die befürchteten hohen Bußgelder sind bisher nicht verhängt worden.

Sie sagen selbst, dass häufig nicht die Ziele der Digitalpolitik von Kritikern in Frage gestellt werden, sondern vielmehr die Wahl der Mittel. Ziel der Urheberrechtsreform war es, große US-Konzerne zu einer Abgabe für die Kreativwirtschaft zu bewegen. Wäre da eine Digitalsteuer nicht das viel bessere Mittel gewesen?

Die Digitalsteuer diskutieren wir in Europa gerade sehr kontrovers. Wenn wir aber ein besonders attraktiver Markt für digitale Unternehmen sein wollen, finde ich das nur schwer mit der Einführung einer spezifischen Digitalsteuer vereinbar. Auch angesichts der aktuellen Handelsgespräche ist das ein Thema, das wir in Europa mit Bedacht einsetzen müssen. Wir finden eine Besteuerung von Autos falsch, denken aber gleichzeitig über eine Digitalsteuer nach. Donald Trump sieht das exakt anders herum.

Sie fürchten also, dass Herr Trump sofort die Autozölle erhöht, falls Europa eine Digitalsteuer erhebt?

Nein. Die Frage ist ja immer: Wen will man mit einer Digitalsteuer erreichen? Wenn wir die gesamte Digitalwirtschaft besteuern, dann ist das im Hinblick auf das Aufbruchsignal in Europa ein Problem. Wenn wir aber sehr selektiv ausländische Großunternehmen besteuern, dann würde wahrscheinlich die Welthandelsorganisation fragen, ob das noch fairer Handel ist. Da muss man genau hingucken.

Also lieber nichts tun und Google, Apple, Facebook und Co. in Europa weiter allenfalls Mini-Steuern zahlen lassen?

Natürlich wollen wir eine faire Besteuerung. Dabei sollten wir aber im Hinterkopf behalten, dass wir Deutschen unseren Reichtum ebenfalls mehren, indem wir unsere Waren in alle Welt exportieren. Wenn man die gleichen Argumente, die für eine Digitalsteuer angeführt werden, auf klassische Warenströme ummünzt, wendet sich das Blatt zu 100 Prozent gegen den Exportweltmeister Deutschland.

Mit dem Unterschied, dass Konzerne wie Google, Facebook, Amazon und Apple mit ihren virtuellen Arbeitsstätten und Wertschöpfungsketten ganz andere Möglichkeiten haben, ihren Reichtum am Fiskus vorbei zu schleusen. Wollen Sie sich als Bundesregierung von dem Geld, das hier verdient wird und auf Konten im Silicon Valley landet, nicht etwas zurückholen?

Die Digitalsteuer ist bisher nur ein abstrakter Begriff. Die Frage ist, wer macht wo seine Gewinne, wer hat wo seinen Unternehmenssitz und wen besteuert man wo für was?

Eben.

Darüber wird viel diskutiert. Ich bin jedenfalls dagegen, eine zusätzliche Steuerbelastung an der Tatsache aufzuhängen, dass es sich um ein digitales Geschäftsmodell handelt.

Also eine klare Absage an jede Form einer Digitalsteuer.

Ich kann gar nicht ausschließen, dass wir uns irgendwann mal so einem Gedanken nähern. Aber ohne das Modell zu kennen, ist es unmöglich, für oder gegen eine Digitalsteuer zu sein. Wir haben in der Bundesregierung noch keinerlei Modell gefunden, auf das wir uns auch nur annähernd einigen konnten.

In welche Richtung sollte es Ihrer Meinung nach gehen?

Ich möchte ja Digitalisierung fördern, und deshalb gehört es nicht zu meinen Lieblingsprojekten, Digitalisierung zu besteuern.

Die Uneinigkeit in dieser Frage wirft erneut die Frage nach der Organisation digitaler Themen in der Bundesregierung auf. Digitalkabinett, IT-Rat, IT-Planungsrat, Digitalrat, Datenethikkommission, Ministerien, Kanzleramt: Digitale Themen sind an vielen verschiedenen Stellen verteilt. Wie eine stringente, schlagkräftige Organisation wirkt das nicht. Wenn Sie heute noch mal entscheiden könnten, würden Sie ein Digitalministerium gründen?

Nein. Wir haben einen zentrales Thema, das alle berührt, in der Regierungszentrale prominent aufgestellt und die Koordination massiv verstärkt. Die Vorstellung, dass man digitale Themen aus den einzelnen Ministerien herauslöst, widerstrebt zutiefst der Grundüberzeugung, dass die Digitalisierung alle Lebensbereiche verändert und deshalb alle betrifft. Stellen Sie sich das mal vor: Ein Arbeitsminister, der sich nicht über Arbeit 4.0 Gedanken macht, ein Wirtschaftsminister, der für Biotech-Startups zuständig ist, aber nicht für das Digitale, ein Innenminister, der zwar Wohnungseinbrüche und Diebstähle verfolgt, aber keine Cyberkriminalität? Das geht nicht.

Ein eigenes Ministerium könnte vielleicht all diesen Themen mehr Nachdruck verleihen, indem es sie bündelt und vorantreibt.

Das tun wir ja mit der Koordinierung im Kanzleramt. Es ist mein Anspruch, dass sich in dieser Bundesregierung alle Minister nicht nur politisch mit den Digitalthemen beschäftigen, sondern auch technisch und auch im Hinblick auf unsere eigenen Prozesse und unsere Arbeitswelt. Und das Erstaunliche ist: Das macht sogar allen Spaß, und alle machen mit.

Das Engagement in den sozialen Medien ist allerdings – gerade für Politiker – nicht immer angenehm. Die Kanzlerin hat ihr Facebook-Profil vor kurzem gelöscht. Die offizielle Begründung lautete, sie sei ja nun nicht mehr CDU-Chefin. Was ist der wahre Grund?

Das war der Facebook-Account der CDU-Vorsitzenden, der durch die CDU betreut wurde. Deshalb war es nur konsequent, dass man den Account löscht, wenn Frau Merkel dieses Amt nicht mehr bekleidet.

Es war also kein Vorzeichen dafür, dass die Bundesregierung Facebook bald härter anfasst?

Nein. Übrigens: Laut Umfragen sind die beliebtesten Politiker Deutschlands die beiden Social-Media-Aussteiger Robert Habeck und Angela Merkel. Das sollte uns Digitalos zu denken geben.

Reden wir also unter uns Digitalos mal über das deutsche Mobilfunknetz. Das zählt zu den schlechtesten in ganz Europa. Auch bei der LTE-Abdeckung liegen wir noch hinter Ländern wie Albanien. Wann ändert sich das?

Es muss Schluss sein mit den Funklöchern. Das ist das große Ziel. Wir werden als Regierung bald eine Gesamtstrategie Mobilfunk vorlegen, mit der wir darauf hinarbeiten wollen.

Wie sieht die aus?

Was die Leute am meisten ärgert, ist die mangelnde Versorgung unterwegs, also entlang der Straßen. Deshalb haben wir auf dem Mobilfunkgipfel mit den Telekommunikationsbetreibern vereinbart, dass 99 Prozent der Haushalte mit LTE versorgt werden sollen. Im Zuge der 5G-Versteigerung haben wir zusätzliche Auflagen hinsichtlich des Straßennetzes gemacht, durch die sich die Situation entlang der Verkehrswege massiv verbessern wird. Das ist für uns wichtig als Infrastruktur für autonomes Fahren und anderes. Insofern haben wir damit eine sehr gute Antwort für den flächendeckenden Ausbau.

Und das letzte Prozent der Haushalte?

Dafür müssen wir noch eine Antwort finden. Dazu wird es staatlichen Geldes bedürfen, und es liegen bereits verschiedene Vorschläge auf dem Tisch. Die CSU hat eine Infrastrukturgesellschaft vorgeschlagen, die Bundesnetzagentur sogenannte Negativ-Auktionen.

Werden die Netzbetreiber da mitspielen? Für die ist der Ausbau mit hohen Kosten verbunden.

Wir rechnen in den nächsten zwei bis drei Jahren mit einem massiven Ausbau des Mobilfunknetzes. Die größte Sorge der Telekommunikationsbetreiber ist, dass es an Standorten fehlt. Denn der Netzausbau ist mit zusätzlichen Standortgenehmigungen verbunden. Wir haben als Regierung den Unternehmen unsere Unterstützung zugesagt. Wenn sie da Probleme bekommen, werden wir mit den Landesregierungen und Kommunen einen Dialogprozess führen. Wer die Mobilfunklöcher schließen will, muss natürlich auch bereit sein, Standorte für den Aufbau von Mobilfunksystemen bereit zu stellen.

Das sogenannte „Local Roaming“ gilt ebenfalls als sinnvolle Maßnahme gegen Funklöcher. Trotzdem hat der Staat bei der 5G-Frequenzvergabe auf entsprechende Vorgaben verzichtet. Warum?

Beim „Local Roaming“ geht es um folgendes Problem: Wenn irgendwo ein Funkmast eines bestimmten Anbieters steht, ich habe aber als Kunde einen Vertrag bei einem anderen Anbieter, dann befinde ich mich in einem Funkloch, obwohl eine Antenne in der Nähe ist. Das ist ärgerlich. Deshalb haben wir in der 5G-Versteigerung explizit die Möglichkeit eingeräumt und Anreize gegeben, dass die Mobilfunkanbieter miteinander kooperieren, sich also zum Beispiel ihre Masten teilen.

Glauben Sie, dass das funktioniert? Die konkurrieren doch miteinander.

Die Netzbetreiber werden diese Möglichkeit nutzen. Die können unsere hohen Auflagen nämlich nur erfüllen, wenn sie kooperieren. Es bleibt nur die Restunsicherheit, ob sie es auf eine Weise machen, die am Ende für alle zufriedenstellend ist.

Was, wenn nicht?

Wenn sich herausstellt, dass Kooperationen auf freiwilliger Basis nicht ausreichend funktionieren, werden wir auch einen „Local Roaming“-Zwang in Betracht ziehen.

Im Zuge des anstehenden Netzausbaus mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G haben wir in Deutschland nun überrascht festgestellt, dass wir im Mobilfunk schon seit Jahren von chinesischer Technologie abhängig sind. Warum kommt die Debatte über die möglichen Risiken eigentlich erst jetzt auf?

Für die Regierung ist das überhaupt kein neues Thema. Auf die IT-Sicherheit von Kommunikationsnetzen achten wir seit jeher. Wir passen den Kriterienkatalog für die Sicherheit von solchen digitalen Infrastrukturen regelmäßig an. Das haben wir jetzt auch getan und die generellen Sicherheitsanforderungen verschärft. Bei der kritischen Infrastruktur kann nur derjenige Ausrüster sein, der sich diesen Sicherheitsanforderungen stellt und sie vollumfänglich erfüllt. Das richtet sich nicht gegen bestimmte Unternehmen oder ein bestimmtes Land, sondern gilt für alle Anbieter im Markt. Das Ziel ist ganz klar: Wir wollen für die Bürgerinnen und Bürger die sichere Kommunikation und die Sicherheit ihrer Daten durch sichere Infrastruktur ermöglichen.

Erfüllt der chinesische Konzern Huawei diese Vorgaben aus Ihrer Sicht?

Das muss sich erst noch zeigen. Die Kriterien, die wir ganz frisch beschlossen haben, sind so ehrgeizig, dass ich davon ausgehe, dass die wenigsten Anbieter sie bisher erfüllen. Die Unternehmen sind noch gar nicht darauf eingestellt.

Also wie weiter?

Es müssen alle ihre Hausaufgaben machen und die entsprechenden Kontrollen bei sich zulassen, so dass wir prüfen können, ob sie die Auflagen erfüllen. Wenn das der Fall ist, können sie auch am Markt teilnehmen. Wichtig ist heute generell, dass man sich nicht komplett einseitig abhängig macht, sondern dass mehrere Anbieter zum Zuge kommen. Das setzen eigentlich alle unsere Telekommunikationsbetreiber bereits um, schon aus rein wirtschaftlichen Gründen. Ich finde es übrigens erstaunlich, dass sich alle über die Sicherheit des Netzes Gedanken machen, während im Bereich der Endgeräte die Technologien der gleichen Unternehmen nicht problematisiert werden.

Was meinen Sie damit?

Datensicherheit ist hauptsächlich ein Problem, das ganz am Anfang entsteht, nämlich auf dem Endgerät. Da liegen die Daten noch komplett unverschlüsselt vor, bevor sie in alle Welt verschickt werden. Den Transport kann man aber verschlüsseln und darauf achten, dass man sensible Daten nur mit Partnern austauscht, denen man vertraut.


Wie also wollen Sie Endgeräte wie Smartphones sicherer machen?

Für uns lautet das Stichwort „security by design“. Das heißt, man muss das Thema IT-Sicherheit bei solchen Geräten und Systemen von Anfang an mitdenken. Gewisse Dinge, die einem Sorge bereiten – mag es externe Abschaltung sein, mag es ein Datenabfluss in die falsche Richtung sein – müssen von Anfang an ausgeschlossen werden. Und das muss überprüfbar sein. Die Infrastrukturgeräte von heute aktualisieren ständig ihre Firmware und werden ständig verändert, ohne dass man so genau weiß, was sie da eigentlich tun. Solche Systeme erfüllen diese Anforderung nicht mehr. Insofern wird sich da technologisch was ändern müssen. Wir wollen, dass Deutschland in diesem Bereich der IT-Sicherheit zum Marktführer wird. Gleichzeitig wird sich die Frage nach der Datenübertragung in den kommenden Jahren noch sehr viel stärker auf das Thema Verschlüsselung fokussieren. Auch daran arbeiten wir zusammen mit Forschungszentren. Schon heute wird Kommunikationsverkehr auf unterschiedlichen Ebenen mehrfach verschlüsselt. Die SMS war noch unverschlüsselt, während heute jeder Messaging-Dienst eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bietet. Da tut sich massiv was, sowohl auf der Netzebene als auch auf der Endgeräte-Ebene.

Herr Braun, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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