FΓΌr die russische Regierung ist er ein Staatsfeind. Andere nennen ihn den Mark Zuckerberg Russlands. In erster Linie ist Pawel Durow aber eins: der Mann hinter dem umstrittenen Messenger Telegram. Ein PortrΓ€t.
Als SpezialkrΓ€fte vor seiner TΓΌr standen und er sie ΓΌber einen Monitor beobachtet habe, sei ihm klargeworden, dass seine Zukunft nicht in dem russischen Staat liege. Das ist die bekannteste Geschichte ΓΌber den Telegram-GrΓΌnder Pawel Durow. ErzΓ€hlt hatte er sie 2014 einem Journalisten der New York Times in London.
Ob an der Geschichte etwas dran ist, weiΓ nur Durow selbst. Fest steht: Es passt zum selbstaufgebauten Image als gesuchter AbtrΓΌnniger. Auf seinem Instagram-Account inszeniert er sich als durchtrainierter Naturliebhaber zwischen schneebedeckten Bergen, Hindu-Gottheit und WΓΌste.
In einem von Durows Instagram-Posts ist Mel Gibson in seiner Rolle als FreiheitskΓ€mpfer William Wallace in dem Hollywood-Film Braveheart zu sehen. Daneben das Telegram-Logo. Durow schreibt: "They can take our IPs, but they will never take our freedom." (dt. Sie kΓΆnnen uns unsere IPs wegnehmen, aber nicht unsere Freiheit.) Angelehnt an Wallace' Ausruf im Film: "Sie mΓΆgen uns das Leben nehmen, aber niemals nehmen sie uns unsere Freiheit!"
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Anders als Wallace, der sich gegen den schottischen Herrscher Edward Longshanks wandte, meint Durow mit "sie" die russische Regierung. Laut Durow hatte Russland 2018 ΓΌber 15 Millionen IP-Adressen gesperrt, um den Telegram-Nutzern die Verwendung des Messengers zu erschweren. Die Geschichte ist bezeichnend fΓΌr das VerhΓ€ltnis zwischen Durow und dem Kreml.
Um Durows Groll gegen das Putin-Regime zu verstehen, muss man sich das Leben des 38-JΓ€hrigen anschauen. In Leningrad geboren, verbrachte Durow seine Jugend in Italien, wo sein Vater arbeitete. Nach seinem Linguistik-Studium in Sankt Petersburg grΓΌndete er 2006 zusammen mit seinem Bruder Nikolai das Soziale Netzwerk VKontakte, das heute Vk heiΓt. Das Soziale Netzwerk gilt mit Millionen Nutzern als das russische Facebook.
Snowden soll fΓΌr Durow arbeiten
Viele Jahre war Durow der Meinung gewesen, Russland stΓΌnde neuen Technologien liberal gegenΓΌber. Doch 2011 wurde er eines Besseren belehrt. Nach den umstrittenen Parlamentswahlen in dem Jahr hatte die russische Regierung verlangt, dass Durow bei VKontakte die Seiten von Oppositionspolitikern lΓΆscht.
Als er sich weigerte, standen kurze Zeit spΓ€ter die von Durow erwΓ€hnten SpezialkrΓ€fte bei ihm vor der TΓΌr. Als er daraufhin seinen Bruder anrufen wollte, sei ihm klargeworden, dass er keine MΓΆglichkeit hatte, ΓΌber eine sichere Verbindung mit ihm Kontakt aufzunehmen.
Das erste Mal fΓΌr weltweites Aufsehen sorgte Durow dann, als er dem US-Whistleblower Edward Snowden 2013 einen Job bei VKontakte anbot. Im selben Jahr verschΓ€rfte Russland die Kontrolle ΓΌber das Internet in dem Land.
Mit seinem Bruder entwickelte er den Messenger Telegram mit einem VerschlΓΌsselungskonzept. Seine Anteile an VKontakte hatte Durwo an einen VerbΓΌndeten von PrΓ€sident Putin und dessen Investment-Firma verkauft. Der genaue Kaufpreis ist bis heute nicht bekannt. Von einigen hundert Millionen US-Dollar war die Rede. Durow verlieΓ Russland.
WhatsApp-Verkauf wird zum GlΓΌcksfall
Die Telegram-GrΓΌndung kam zu einem fΓΌr die GrΓΌnder gΓΌnstigen Zeitpunkt. Anfang 2014 kaufte Facebook den beliebten Messenger WhatsApp fΓΌr 19 Milliarden US-Dollar. Da nicht alle Nutzer mit der Γbernahme durch den US-Konzern einverstanden waren und ihre Daten nicht mit dem Unternehmen teilen wollten, suchten sie nach Alternativen zu dem Messenger.
An manchen Tagen im Februar 2014 meldeten sich Millionen neue Nutzer bei Telegram an. Jede Sekunde kΓ€men 100 neue Mitglieder hinzu, teilten Durow und seine Mitarbeiter damals mit. Ein weiterer Vorteil gegenΓΌber WhatsApp war damals die Ende-zu-Ende-VerschlΓΌsselung Telegrams. Facebook fΓΌhrte eine solche SicherheitsmaΓnahme bei WhatsApp erst spΓ€ter ein.
London, Berlin, Singapur
Seit seinem Weggang aus Russland zog Durow mit Telegram mehrmals um. Der Messenger war zwischenzeitlich in Berlin, London und Singapur ansΓ€ssig. Momentan nennt das Unternehmen Dubai als seinen Hauptsitz. UnabhΓ€ngig davon gewann der Messenger jΓ€hrlich Millionen neuer Nutzer hinzu, die Milliarden Nachrichten pro Tag verschicken.
Aufgrund seiner sicheren Kommunikation und seiner Unangreifbarkeit durch BehΓΆrden wurde der Messenger zu einer beliebten Anwendung von Kriminellen. Laut der Internet-Analysefirma Flashpoint war der Dienst nach den TerroranschlΓ€gen von Paris im Jahr 2015 ein wichtiges Kommunikationsmittel fΓΌr die Terrormiliz Islamischer Staat.
Wegen fehlender LΓΆschpraxis ist der Messenger Telegram auch heute noch bei Querdenkern und Rechtsradikalen beliebt. In offen einsehbaren KanΓ€len verbreiten Nutzer ungeniert ihre Hassbotschaften. Zuletzt wurde dort offenbar der Mord an Sachsens MinisterprΓ€sident Michael Kretschmer geplant.
Kampf fΓΌr die Freiheit
Und Durow? Er bezeichnet sich derweil als "Teilzeit-Troll" und inszeniert sich weiter in seinen Instagram-Posts als Outlaw und Weltenretter. In einem Post schreibt er, sein Lieblingsfilm sei "300". Darin kΓ€mpft eine Gruppe Spartaner fΓΌr die Freiheit ihrer Landsleute.
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In anderen Posts zeigt sich Durow mit freiem OberkΓΆrper. Im Hintergrund ist eine WΓΌste zu sehen. Auf einem anderen WΓΌstenbild schreibt er wieder etwas von Freiheit. Da sitzt er auf einem Pferd. Und sofort kommt der Gedanke: So viel inszenierte MΓ€nnlichkeit hoch zu Ross kannte man bislang nur von einem anderen russischen Prominenten.
- Eigene Recherche
- The New York Times