t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAusland

Paradise Papers: Wie Superreiche und Konzerne sich um Steuern drücken


"Paradise Papers"
Wie Superreiche und Konzerne sich um Steuern drücken

Von ap, dpa, reuters, rok

Aktualisiert am 06.11.2017Lesedauer: 5 Min.
Mehr als 600 Milliarden Euro werden jährlich von multinationalen Konzernen über Steueroasen verschoben.Vergrößern des BildesMehr als 600 Milliarden Euro werden jährlich von multinationalen Konzernen über Steueroasen verschoben. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
Auf Facebook teilenAuf x.com teilenAuf Pinterest teilen
Auf WhatsApp teilen

Ein riesiges Datenleck entlarvt Steuertricks von Politikern, Konzernen und Superreichen. Insgesamt 13,4 Millionen Dokumente – "Paradise Papers" genannt – belasten selbst hoch angesehene Persönlichkeiten. Strafrechtlich müssen sie allerdings wenig befürchten.

Um wie viel Geld geht es?

Die Fakten und Zahlen in den Paradise Papers sind kaum zu fassen: Mehr als 600 Milliarden Euro werden jährlich von multinationalen Konzernen über Steueroasen verschoben. Superreiche sollen 7,9 Billionen Euro in Steueroasen transferiert haben.

Um welche Daten geht es?

Die "Süddeutsche Zeitung" schreibt: "Die Paradise Papers sind ein neues Datenleck, das der SZ zugespielt wurde. Es handelt sich um 13,4 Millionen Dokumente – etwa 1,4 Terabyte – von zwei Offshore-Dienstleistern, Appleby und Asiaciti Trust, sowie den Unternehmensregistern von 19 Steueroasen." Die "Paradise Papers" speisen sich laut "Süddeutscher Zeitung" aus 21 unterschiedlichen Quellen. Die 13,4 Millionen Dokumente umfassten E-Mails, Urkunden und Kontoauszüge zu 214.000 Gesellschaften vor allem in der Karibik. Die Daten wurden über ein Jahr ausgewertet und bieten tiefe Einblicke, wie versucht wird, mit den Steuer- und Finanzkonstrukten den eigenen Reichtum zu mehren. Dabei tauchten die Namen von 140 Politikern oder Politikervertrauten auf.

Wer steckt hinter den "Paradise Papers"?

Neben der Süddeutschen Zeitung haben folgende Medien die Paradise Papers veröffentlicht: die New York Times, der Guardian, die BBC, Le Monde oder La Nación. Insgesamt arbeiteten mehr als 380 Journalistinnen und Journalisten von 96 Medien aus 67 Ländern mit, in Österreich waren es Teams von ORF und der Wiener Wochenzeitung Falter, in der Schweiz der Tages-Anzeiger und die SonntagsZeitung, in Deutschland neben dem Team der SZ auch der Norddeutsche Rundfunk (NDR) sowie der Westdeutsche Rundfunk (WDR).

Was sind Offshore Geschäfte?

Mit Offshore-Geschäften versuchen Firmen und Privatleute – oft durch Schein- oder Briefkasten-Firmen – ihre Steuern zu minimieren. Offshore-Finanzplätze liegen meist auf kleinen Inseln. Offshore-Firmen setzen auf niedrige Steuern, ein hohes Maß an Vertraulichkeit und Geheimhaltung (keine Weitergabe von Informationen über Finanztransaktionen und Eigentumsverhältnisse) und eine minimale Finanzmarktaufsicht und -regulierung.

Der Computergigant Apple, der eine neue Steueroase für seine Geschäfte suchte, stellte folgende Ansprüche: Es sollte ein Land sein, das wenig Transparenz und Steuern verlangt und in dem offenkundig keine Opposition diese Großzügigkeit gegenüber dem iPhone-Hersteller rückgängig machen könnte, wenn sie an die Regierung käme.

Sind Geschäfte in Steueroasen an sich illegal?

Nein. Vermögen in Offshore-Firmen zu halten, ist nicht unbedingt strafbar. Es gibt aber weltweit Kritik an Steuervermeidungsstrategien. Dadurch entfallen Milliarden-Zahlungen, die sonst dem Gemeinwohl zugute kommen würden – zudem wird die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft.

Wer ist in Deutschland betroffen?

In Deutschland führen die Spuren zu rund tausend Kunden, Begünstigten oder anderweitig Involvierten. Diesen könne aber "nicht automatisch rechtliches oder moralisches Fehlverhalten" unterstellt werden, schrieb die "SZ". Unter den Offshore-Nutzern sind demnach Firmen wie Sixt, die Deutsche Post, Siemens, Bayer und die Deutsche Bank.

Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte laut "SZ" eine Leitungsfunktion bei einer Offshore-Firma. Er soll von 2009 bis 2011 "unabhängiger Aufsichtsrat" des russisch-britischen Energiekonzerns TNK-BP mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln gewesen sein. Laut "SZ" will er sich dazu nicht äußern.

Die Dokumente belegen der "SZ" zufolge ferner, wie der deutsche Spielotheken-Betreiber Paul Gauselmann die Welt des Online-Glücksspiels erobert. Das Geschäft, das faktisch staatlicher Regulierung entzogen ist, habe seinen Grundstein in der Steueroase Isle of Man.

Die deutsche Milliardärsfamilie Engelhorn ist laut "SZ" Großkunde der Kanzlei Appleby. Ein Steuerverfahren gegen zwei Töchter des 2016 verstorbenen Pharma-Unternehmers Curt Engelhorn hatte demnach zu einer Nachzahlung von 145 Millionen Euro geführt. Allerdings wussten die deutschen Steuerbehörden laut "SZ", NDR und WDR damals nichts von einigen der dutzenden Trusts, die der Familie Engelhorn zuzurechnen seien.

Wer ist international betroffen?

Die kompliziertesten Vorgänge betreffen laut "SZ" oft die Steuerkonstruktionen multinationaler Konzerne. So gelinge es dem US-Sportartikelhersteller Nike, durch Offshore-Firmen und mithilfe der auf den Bermudas gegründeten Anwaltskanzlei Appleby seine weltweite Steuerquote auf 13,2 Prozent zu drücken. Zu den Kunden der Kanzlei gehörten demnach auch der Taxi-Konkurrent Uber, der Internet-Riese Facebook und der Haushaltsgerätehersteller Whirlpool.

Besonders in den Fokus wird von der "Süddeutschen Zeitung" und den anderen beteiligten Medien zum Beispiel US-Handelsminister Wilbur Ross gerückt. Er profitiere als Privatmann von Geschäften mit einer Firma, die dem Schwiegersohn des russischen Präsidenten Wladimir Putin und Kreml-nahen Geschäftsleuten gehöre. Sonderermittler Robert Mueller untersucht derzeit mögliche Kontakte der US-Regierung nach Russland im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl und eine mögliche Beeinflussung aus Moskau, um dem Trump-Lager zum Sieg zu verhelfen.

Die britische Königin Elizabeth II. soll rund zehn Millionen Pfund (mehr als elf Millionen Euro) aus ihrem Privatvermögen in Fonds auf den Kaimaninseln und den Bermudas angelegt haben. Das Geld sei unter anderem in die umstrittene Handelskette Brighthouse reinvestiert worden, die wegen Wucherzinsen in der Kritik steht, berichteten BBC und "Guardian". Geld sei auch in eine Ladenkette für Spirituosen geflossen, die aber später Pleite ging. Das Herzogtum von Lancaster, das für die Anlagen der Queen zuständig ist, erklärte: "Alle unsere Investitionen sind vollständig überprüft und rechtmäßig."

Der irische Rocksänger Bono, der sich vielfältig politisch und sozial engagiert und unter anderem für einen Schuldenerlass der Entwicklungsländer kämpft, investierte den Dokumenten zufolge über Firmen in den Steuerparadiesen Malta und Guernsey.

Kanadas Premierminister Justin Trudeau war vor zwei Jahren unter anderem wegen seines Versprechens gewählt worden, wirtschaftliche Ungleichheiten zu bekämpfen und für Steuergerechtigkeit zu sorgen. Nun enthüllen die "Paradise Papers", dass sein wichtigster Spendensammler und Berater Stephen Bronfman gemeinsam mit Ex-Senator Leo Kolber umgerechnet rund 52 Millionen Euro in eine Offshorefirma auf den Kaimaninseln investierte. Der Milliardär Bronfman ist Erbe des früheren Spirituosenimperiums Seagram.

Zudem taucht eine Verbindung zum argentinischen Finanzminister Luis Caputo auf. Kolumbiens Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos soll unter anderem Chef einer auf Barbados registrierten Holding gewesen sein, bevor er im Jahr 2000 Finanzminister Kolumbiens wurde.

Wie geht es weiter?

Die "Paradise Papers" schlugen hohe Wellen. Die Bundesregierung hat die Enthüllungen begrüßt. Dadurch würden "Strukturen, Akteure und Nutznießer steuerlicher Parallelwelten" bekannt gemacht, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Veröffentlichungen erhöhten international den Druck auf Länder, die sich in diesem Bereich bislang der Transparenz verweigerten.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) fordert transparentere Steuerregeln in der Europäischen Union. "Nur so können wir auch weltweit glaubwürdig für mehr Steuergerechtigkeit eintreten", sagte Maas am Montag in Berlin. Die Veröffentlichung unter dem Namen "Paradise Papers" zeigten einmal mehr, wie notwendig diese Arbeit sei.

Hessen bietet sich für die federführende Auswertung der "Paradise Papers" an. Bei den Unterlagen geht es um millionenfache Daten über Steuertricks. Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) berief sich bei seinem Vorstoß in Wiesbaden auf das Fachwissen und die technische Ausrüstung der hessischen Finanzverwaltung, die bereits bei der zentralen Auswertung der "Panama Papers" zum Einsatz kommen.

Loading...
Loading...
Loading...

In Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt (BKA) werten die hessischen Finanzexperten den riesigen Datensatz mit Informationen über dubiose Geschäfte mit Briefkastenfirmen aus und fungieren dabei als Schnittstelle zu ihren Kollegen in anderen Bundesländern. Das BKA ist im vollständigen Besitz der "Panama Papers", Hessen hat nach eigenen Angaben auf alle diese Daten Zugriff.

Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft (DSTG) fordert nach den Enthüllungen zu Steueroasen durch die "Paradise Papers" von der neuen Bundesregierung eine "Obergrenze Null" beim Thema Steuerhinterziehung und Steuerflucht. "Es geht so nicht weiter, dass sich die Staatenwelt an der Nase herumführen lässt", sagte Gewerkschaftschef Thomas Eigenthaler dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website