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Neuseeland ist Corona-frei: Wie das Land den Kampf gegen das Virus gewann


Corona-freies Land
Wie Neuseeland den Kampf gegen das Virus gewann


Aktualisiert am 13.06.2020Lesedauer: 4 Min.
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Der Strand von Wellington in Neuseeland: Seit dieser Woche dürfen sich die Menschen in dem Land wieder wie gewohnt bewegen. (Archivbild)Vergrößern des Bildes
Der Strand von Wellington in Neuseeland: Seit dieser Woche dürfen sich die Menschen in dem Land wieder wie gewohnt bewegen. (Archivbild) (Quelle: Xinhua/imago-images-bilder)

Die Neuseeländer dürfen sich wieder umarmen: Als eines der ersten Länder der Welt erklärte sich der Inselstaat kürzlich für Corona-frei. Dieser Erfolg ist kein Zufall – sondern folgt einer klaren Strategie.

Einen kleinen Tanz soll Jacinda Ardern eingelegt haben, als die Nachricht sie erreichte. Das erzählt die neuseeländische Premierministerin am Montag, als sie ihr Land für corona-frei erklärt. Die letzte neuseeländische Covid-19-Patientin ist genesen – drei Wochen ist das her. Seitdem sind keine neuen Infektionen gemeldet worden. Fast alle Länder auf der Welt versuchen gerade, die Pandemie zu überwinden. Neuseeland hat es geschafft. Aber wie?

Natürlich waren die Vorbedingungen gut: Der Staat besteht aus zwei Inseln, das macht es einfach, die Grenzen zu schließen. Nur fünf Millionen Menschen leben in dem Land, die Bevölkerungsdichte ist niedrig, der Wohlstand hoch. Doch das reicht nicht aus, um die Lage zu erklären.

Neuseeland machte die Grenzen schnell dicht

Beispiele wie Schweden zeigen, dass das Coronavirus sich auch in reichen Ländern mit verhältnismäßig wenig Einwohnern ausbreiten kann – wenn man es lässt. Denn der neuseeländische Erfolg ist weder Glück noch Zufall: Kaum ein anderes Land reagierte so schnell und so konsequent auf das Virus wie Neuseeland. Es zählte zu den ersten Ländern, das eine Quarantäne für Einreisende verhängte – am 14. März war das, da waren gerade mal sechs Infektionen bekannt. Fünf Tage später schloss Neuseeland seine Grenzen für Ausländer vollständig.

Am 23. März verkündete Premierministerin Jacinda Ardern schließlich den Lockdown – trotz der verhältnismäßig geringen Infektionszahlen im Land: "Wir haben bisher 102 Fälle", sagte Ardern, "aber so viele hatte einst auch Italien." Zwei Tage blieben den Neuseeländern, um sich auf die neue Situation vorzubereiten. Dann galt die Ausgangssperre. Als die Schulen, Geschäfte und Unternehmen schlossen, war im ganzen Land noch niemand an Covid-19 gestorben.

"Wir machen es streng und wir machen es schnell"

Während andere Länder den Lockdown hinauszögerten, um wirtschaftliche Schäden zu vermeiden, entschied sich die Regierung unter Jacinda Ardern sofort, Gesundheit vor Wirtschaft zu priorisieren – auch in der Hoffnung, dass der wirtschaftliche Ausfall heftig, aber kurz ausfallen würde: "Wir machen es streng und wir machen es schnell", sagte Ardern, als sie die Schutzmaßnahmen ankündigte.

Die neuseeländische Strategie war von Anfang an radikal. Während Deutschland sich zum Ziel setzte, das Virus einzudämmen, zielte Neuseeland darauf, den Erreger im eigenen Land auszurotten. Rund 1.500 Infektionen wurden registriert, 22 Menschen starben an Covid-19. Im internationalen Vergleich sind diese Zahlen außergewöhnlich gering.

Die Maßnahmen treffen auf große Zustimmung

Und an der Lage in Neuseeland ist noch etwas anderes bemerkenswert: die Geduld der Bevölkerung. Der Großteil der Neuseeländer nahm die Maßnahmen in Kauf und stellte sich hinter den Kurs der Regierung. Das änderte sich auch nicht, als deutlicher wurde, wie hoch der Preis im Kampf gegen das Virus sein würde: Ende April wurde bekannt, dass die Arbeitslosigkeit im Land infolge der Maßnahmen auf bis zu 26 Prozent steigen könnte. Im Jahr 2019 hatte sie bei rund 4 Prozent gelegen.

Doch die Beliebtheitswerte der neuseeländischen Premierministerin steigen ungebremst: Mitte Mai kletterten ihre Zustimmungswerte auf 59,5 Prozent – das macht sie zur beliebtesten neuseeländischen Premierministerin der letzten hundert Jahre. Arderns harte politische Linie zahlt sich aus – für sie, aber eben auch im Kampf gegen die Krise. Das US-Magazin "The Atlantic" beschrieb Ardern kürzlich als "die vielleicht effektivste Führungskraft der Welt".

Zu Arderns Strategie zählte von Anfang an, sich auf die Wissenschaftler zu verlassen. Nach deren Empfehlungen richtete sie ihre Politik aus. Dass das nicht zwangsläufig Beliebtheit bringt, konnte man in Deutschland erleben: Auch Angela Merkel stellte sich hinter die Wissenschaft – und brachte wütende Verschwörungstheoretiker auf die Straße.

Ardern saß im Schlabberpulli vor dem Computer

Dass sich in Neuseeland nichts Vergleichbares ereignete, mag daran liegen, dass Arderns Strategie neben Entschlossenheit und Wissenschaftlichkeit noch auf einer weiteren Säule fußt: Empathie – und Nähe. Als Ardern die Ausgangssperre verkündete, saß sie im grünen Schlabberpulli vor der Webcam; als die Maßnahmen in Kraft traten, litt sie mit der Bevölkerung und stellte sich vor, wie alarmierend das Geräusch der landesweiten Push-Nachricht auf den Smartphones geklungen haben musste. In den letzten Monaten meldete sich Ardern regelmäßig in Live-Streams auf Facebook – und gab täglich eine Pressekonferenz.

Die täglichen Auftritte der Premierministerin wurden zu einem festen Ritual für viele Neuseeländer: Tausende von ihnen verfolgten täglich, was die Premierministerin Neues zu der Krise zu erzählen hatte. Doch nicht nur wegen Ardern schalteten die Neuseeländer ein. Der überraschende Star der Krise stand bei den Konferenzen an der Seite der Premierministerin: Ashley Bloomfield, der Generaldirektor des Gesundheitswesens – und derzeit vielleicht beliebteste Mann des Landes.

Wer glaubt, Deutschland hätte in den ersten Wochen der Pandemie einen Hype um den Virologen Christian Drosten erlebt, täuscht sich: Um Bloomfield – einen blassen Mann mit dunklem Brillengestellt – ist ein regelrechter Fan-Kult entstanden. Sein Gesicht ziert Handtücher, Schlüsselanhänger, Ohrringe, Jutebeutel und T-Shirts, Songs, Videos und Liebeslieder sind ihm gewidmet worden. Das alles mag skurril klingen, aber es zeigt: Die Neuseeländer vertrauen dem Mann, der sie mit der Regierungschefin durch die letzten Wochen geleitet hat.

Nur noch eine Schutzmaßnahme ist geblieben

Die Pandemie ist überstanden, die Krise hat Neuseeland aber noch nicht hinter sich: In den nächsten Monaten wird sich Ardern erneut beweisen müssen, wenn sie die Wirtschaft in dem Land wieder in Gang bringen möchte. Das ist auch deshalb eine Herausforderung, weil dem Land weiterhin Touristen fehlen: Noch immer sind die neuseeländischen Grenzen dicht – und sollen es vorerst auch bleiben. Es ist die letzte Schutzmaßnahme, die aus der Lockdown-Zeit geblieben ist.

Ansonsten sieht das Leben in Neuseeland seit dieser Woche wieder normal aus. Am Wochenende dürfen die Neuseeländer sogar wieder zum Rugby-Turnier.

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