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Corona-Impfpflicht in Deutschland: Das droht jetzt den Menschen ohne Impfung


Das droht jetzt den Menschen ohne Impfung

Von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 03.12.2021Lesedauer: 5 Min.
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Polizeibeamte im Zug: Mit der Einführung schärferer Maßnahmen müssen sich die Bürger auch auf mehr Kontrollen einstellen.Vergrößern des Bildes
Polizeibeamte im Zug: Mit der Einführung schärferer Maßnahmen müssen sich die Bürger auch auf mehr Kontrollen einstellen. (Quelle: getty-images-bilder)

Angesichts der dramatischen Corona-Lage soll sie nun doch kommen: die allgemeine Impfpflicht. Doch wie könnte sie in Deutschland umgesetzt werden? International gibt es unterschiedliche Wege.

Seit Beginn der Corona-Pandemie galt es in Deutschland als politisches Sakrileg, nur darüber zu sprechen. Doch nun werden die Rufe nach einer allgemeinen Impfpflicht immer lauter. Eigentlich wollten Bund und Länder eine verpflichtende Corona-Impfung für einen Großteil der Bürger stets vermeiden, doch im Zuge der vierten Welle sehen viele keinen anderen Ausweg mehr. Zu groß ist die Impflücke – zu voll sind die Intensivstationen der Kliniken.

Im Kampf gegen Corona gehört die allgemeine Impfpflicht sicherlich zu den umstrittensten Waffen – wenngleich wahrscheinlich auch zu den wirkungsvollsten. Vor allem unter zwei zentralen Voraussetzungen ziehen manche Länder eine allgemeine Impfpflicht in Betracht: hohe Infektionszahlen bei einer zugleich niedrigen Impfquote. Seit die hoch ansteckende Delta-Variante des Coronavirus in Europa dominiert, gehen Experten von einer notwendigen Impfquote von über 80 Prozent aus, um eine ausreichende Grundimmunität in der Bevölkerung erreichen zu können.

Länder wie Deutschland sind weit davon entfernt. Die Impfkampagne hat hierzulande deutlich an Fahrt verloren. Doch eine Sieben-Tage-Inzidenz über 440 und ein Gesundheitssystem an der Belastungsgrenze haben den Handlungsdruck auf die Politik massiv erhöht. Das ist der Grund, warum sich der künftige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nun für eine allgemeine Impfpflicht einsetzt. Die künftige Ampelkoalition aus Sozialdemokraten, Grünen und FDP werden die Bundestagsabgeordneten frei darüber abstimmen lassen, ob sie kommt oder nicht.

So könnte die Impfpflicht in Deutschland aussehen:
► Zunächst einmal muss der gesetzliche Rahmen dafür geschaffen werden, dass Impfverweigerer sanktioniert werden können.
► Dabei könnten Impfverweigerer mit Bußgeldern belegt werden. Die Höhe der Strafen ist noch völlig unklar.
► Ein wirklicher Impfzwang, etwa durchgesetzt von der Polizei, ist dagegen rechtlich wohl nicht möglich und auch nicht geplant. Allerdings könnte der Staat wohl anordnen, dass Impfverweigerer in Quarantäne kommen.
► Scholz strebt an, eine Impfpflicht bis Ende Februar oder Anfang März umzusetzen. Ein Mittel gegen die aktuelle vierte Corona-Welle wäre sie also nicht.
► Es soll gesetzlich fixiert werden, dass Geimpfte sechs Monate nach ihrer Zweitimpfung den Status "geimpft" verlieren, um die Booster-Bereitschaft zu erhöhen.

Eine Mehrheit der Juristen geht davon aus, dass auch eine allgemeine Impfpflicht in Deutschland verfassungskonform ist. Deutschland würde sich sonst in einem Dauer-Kreislauf von immer neuen Corona-Wellen und Einschränkungen befinden. Das Grundrecht auf körperliche Selbstbestimmung würde in dem Fall hinter dem Schutz der allgemeinen Gesundheit zurücktreten, meinen Verfassungsrechtler.

Die Balance zwischen dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und Gesundheitsschutz ist in westlichen Demokratien eine politisch sensible Abwägung. International gibt es noch nicht viele Staaten, die sich für diese Maßnahme entschieden haben.

Internationale Uneinigkeit

Beim Thema Impfpflicht ist die internationale Gemeinschaft gespalten, vor allem westliche Demokratien gehen bei dem Thema unterschiedliche Wege.

Dabei zeichnen sich drei Gruppen ab:

1, Die Konsequenten (Österreich, Vatikanstadt, eventuell Deutschland)

Eine Impfpflicht für die gesamte erwachsene Bevölkerung – so wie Deutschland sie plant – ist bisher selten. Es gibt sie in einigen zentralasiatischen Ländern und in Vatikanstadt. Österreich will die Impfpflicht im Februar einführen.

Die Regierung in Wien hat eine Corona-Impfpflicht ab dem 1. Februar angekündigt. Details stehen noch nicht fest, das Gesetz soll aber bald ausgearbeitet werden. Durchgesetzt werden soll die Impfpflicht wohl durch Bußgelder bei Verstößen. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler von der konservativen ÖVP plädiert laut der Nachrichtenagentur APA dafür, die Menschen erst zu einem Impftermin einzuladen und erst danach Geldstrafen zu verhängen.

Bei der Höhe der Strafe könnte sich die Regierung demnach an den bis zu 3.600 Euro orientieren, die bereits in einem Entwurf für eine geplante Impfpflicht für Gesundheitsberufe enthalten sind. Ausnahmen soll es wohl für Menschen geben, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Über das Mindestalter für die Impfpflicht will die Regierung mit Experten beraten.

Auch in der Alpenrepublik ist die Corona-Lage außer Kontrolle, die Inzidenz lag vor Tagen noch bei über 1.000 Infektionen pro 100.000 Einwohner und die Impfquote ist bei den doppelt Geimpften auf ähnlichem Niveau, wie in Deutschland. Doch die geplante Einführung hat auch Schattenseiten in der Alpenrepublik: Zehntausende gingen zuletzt gegen die Maßnahmen auf die Straße, trugen dabei oft keine Maske. Dadurch droht sich die Corona-Lage eher noch zu verschlimmern. Ein harter Lockdown hat zumindest dazu geführt, dass die Inzidenz nun auf 880 gesunken ist – das ist allerdings immer noch zu viel für das österreichische Gesundheitssystem.

2. Die Moderaten (Italien, Frankreich, Griechenland und viele mehr)

Während Deutschland und Österreich wohl eine allgemeine Impfpflicht planen, gehen viele Länder einen Mittelweg, verhängen lediglich eine Verpflichtung für bestimmte Berufs- oder Altersgruppen. Dabei sind sich viele Regierungen bewusst, dass eine Impfpflicht nun zu spät käme, um die vierte Welle zu brechen. In der Hoffnung, dass sich die Impfquote bis zum Herbst im kommenden Jahr von selbst weiter steigert, wählten sie bislang einen moderaten Weg – mit unterschiedlichen Ansätzen.

  • Griechenland: Die griechische Regierung hat eine Impfpflicht für Menschen über 60 Jahre beschlossen. "Griechen über 60 müssen bis zum 16. Januar den Termin für ihre erste Impfung buchen", sagte Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis. Wer sich dann immer noch nicht impfen lässt, muss ein monatliches Bußgeld von 100 Euro zahlen. Das Parlament muss der Impfpflicht zustimmen. Es wird mit einer Zustimmung gerechnet.
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  • Italien: In Italien ist das medizinische Personal schon seit Mai zur Immunisierung verpflichtet. Anderenfalls droht ihnen ein Verbot, mit Patienten zu arbeiten. Im Oktober wurde die Impfpflicht auf das Personal von Altenheimen ausgeweitet. Im Gespräch ist zudem eine Impfpflicht für andere Berufsgruppen wie Polizisten, Verwaltungsangestellte und Lehrer.
  • Frankreich: In Frankreich gilt seit Mitte September eine Impfpflicht für Pflegeberufe und die Feuerwehr. Angehörige dieser Berufsgruppen, die sich nicht impfen lassen wollen, werden ohne Gehalt freigestellt. Sozialistische Abgeordnete hatten vergeblich versucht, eine allgemeine Impfpflicht auf den Weg zu bringen. Präsident Emanuel Macron setzt weiterhin auf 2G-Regelungen und starke Kontrollen.
  • Großbritannien: In England, wo die britische Regierung für die Gesundheitspolitik und die Corona-Maßnahmen zuständig ist, gilt seit September eine Impfpflicht für das Personal von Pflegeheimen. Ab April soll sie auf alle Beschäftigten des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS mit Patientenkontakt ausgeweitet werden. Wer sich nicht impfen lässt, riskiert seinen Arbeitsplatz.
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  • USA: In den Vereinigten Staaten hat US-Präsident Joe Biden im September eine Impfpflicht für Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten sowie für Mitarbeiter von Bundesbehörden, staatlich geförderten Pflegeheimen und öffentlichen Schulen verhängt. Doch es gibt verfassungsrechtliche Bedenken und ein Gericht wird über die Maßnahme entscheiden.

3. Die Zögernden (Spanien, Dänemark, Polen)

Doch die meisten Staaten verzichten derzeit auf eine Impfpflicht. Die Debatte darüber ist – global betrachtet – äußerst privilegiert, denn eines ist klar: Ein deutliche Mehrheit der Länder hat nicht genügend Impfstoff, um überhaupt einen Großteil ihrer Bevölkerungen verpflichtend impfen zu können. Dort wäre es eine Scheindebatte.

Auf der anderen Seite gibt es Nationen, die eine Impfpflicht gar nicht brauchen. In Portugal und Spanien beispielsweise ist das Vertrauen der Bevölkerung in das Gesundheitssystem so hoch, dass die Menschen sich freiwillig haben impfen lassen.

Auch in den skandinavischen Ländern ist die Impfquote im Vergleich zu Deutschland höher, aber auch dort steigen aktuell wieder die Inzidenzen. Zum Beispiel in Dänemark ist die Inzidenz momentan höher als in der Bundesrepublik, trotz vieler geimpfter Menschen. Das liegt vor allem daran, dass eine Impfquote von knapp 77 Prozent gegen die Delta-Variante nicht ausreicht und dass sich viele Menschen mit doppelter Impfung noch boostern lassen müssen, da die Wirkung der Vakzine nachlässt.

Daneben gibt es Länder, in denen eine Impfpflicht auf massiven Widerstand der Bevölkerung treffen würde. In den Niederlanden sehen die Menschen staatliche Eingriffe eher kritisch, schon bei vergleichsweise niedrigschwelligen Corona-Maßnahmen füllen sich die Straßen mit Protesten. Auch in vielen osteuropäischen Ländern wie Polen stößt eine Impfpflicht auf Ablehnung, da diese Länder noch mit dem gesellschaftlichen Trauma der sowjetischen Zwangsimpfungen leben müssen.

Letztlich ist die mögliche Einführung einer allgemeinen Impfpflicht in Deutschland ein Modellversuch, für den es international kaum funktionierende Beispiele in der Pandemie gibt. Andere Länder hoffen dagegen, auch ohne diese Maßnahme den Zyklus aus immer neuen Corona-Wellen brechen zu können. Das aktuelle Ergebnis ist international – wie so oft in dieser Pandemie – ein politischer Flickenteppich in Europa.

Verwendete Quellen
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