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Ukraine-Talk bei "Markus Lanz" | Jürgen Trittin: Sind keine Kriegsteilnehmer


Ukraine-Talk bei "Markus Lanz"
Aha, so geht es also auch

Von Peter Luley

Aktualisiert am 14.05.2022Lesedauer: 3 Min.
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Diana Kinnert (Archivbild): In der jüngsten Lanz-Sendung saß die CDU-Politikerin mit Jürgen Trittin in einer Runde.Vergrößern des Bildes
Diana Kinnert (Archivbild): In der jüngsten Lanz-Sendung saß die CDU-Politikerin mit Jürgen Trittin in einer Runde. (Quelle: J. Kricks/ Future Image/imago-images-bilder)

Jürgen Trittin räumt Fehleinschätzungen ein, CDU-Politikerin Diana Kinnert lobt Habeck und Baerbock, die Wissenschaftlerin Maren Urner plädiert für Differenzierung auch in Krisenzeiten: "Markus Lanz" bot gestern einen wohltuend konstruktiven Dialog.

Gerade wer noch die jüngste "Anne Will"-Sendung im Ohr hatte, in der sich der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk und der Soziologe Harald Welzer gegenseitig mit Schmähungen überzogen, dürfte von der gestrigen "Markus Lanz"-Ausgabe positiv beeindruckt gewesen sein: Aha, so geht es also auch.

Auch hier ging es um Russlands Krieg gegen die Ukraine, auch hier wurde das Für und Wider von Waffenlieferungen diskutiert – nur diesmal ganz ohne hitzige Wortgefechte und persönliche Eitelkeiten.

Die Gäste

  • Jürgen Trittin, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
  • Maren Urner, Neurowissenschaftlerin und Professorin für Medienpsychologie
  • Julian Nida-Rümelin, Philosoph und ehemaliger Kulturstaatsminister
  • Diana Kinnert, Politikerin (CDU) und Publizistin


Die öffentliche Meinung zu Waffenlieferungen an die Ukraine sei in Deutschland geteilt, stellte der Moderator zu Beginn fest und wandte sich mit der Frage an die 31-jährige CDU-Politikerin Diana Kinnert, wie das die jüngere Generation sehe. Das unterscheide sich ihrer Wahrnehmung nach nicht wesentlich, antwortete Kinnert, auch bei den Jüngeren gebe es "eine Sehnsucht nach Eindeutigkeit", nach Verkürzung.

Und obwohl sie sich später als Befürworterin von Waffenlieferungen zu erkennen gab, die eher den entsprechenden offenen Brief von Ralf Fücks unterzeichnet hätte, plädierte sie für Risikoabwägung, warnte vor "Pathos und Überschwang" und forderte: "Wenn wir solidarisch mit der Ukraine sein wollen, dann muss man auch Dritter bleiben, dann darf man das Eigene nicht aufgeben."

Trittin: "Wir sind parteiisch, aber nicht Kriegsteilnehmer"

Dazu passend lieferte die Neurowissenschaftlerin Maren Urner die Erklärung für die Eindeutigkeitssehnsucht vieler Menschen: In Krisensituationen sehnten sich Körper und Gehirn "nach Eindeutigkeit, nach einfachen, nicht-komplexen Antworten wie 'dafür oder dagegen'". In diese Falle sollte man aber nicht tappen.

Jürgen Trittin, der offen die eigene Fehleinschätzung Wladimir Putins einräumte, mochte da nicht widersprechen und erläuterte "den schmalen Grat", auf dem Deutschland sich bewege: "Wir sind parteiisch, aber nicht Kriegsteilnehmer."

Das Bild der Gratwanderung nahm wiederum Julian Nida-Rümelin auf, um die Abgründe zu benennen, die seiner Meinung nach neben dem Grat lauern: auf der einen Seite ein "Diktatfrieden", bei dem Putin nach Gutdünken in der Ukraine schalten und walten könne, auf der anderen Seite eine "Eskalation", bei der die Nato zur Kriegspartei würde.

Kinnert lobt Habeck und Baerbock

Er habe den Eindruck, der Bundeskanzler wäge in dieser "Dilemma-Situation" sehr genau ab, und er sei "heilfroh" darüber, so der Philosoph, der den offenen Brief in "Emma" gegen Waffenlieferungen unterzeichnet hat. Unterstützung bekam er von Diana Kinnert, die feststellte: "Jemand, der zögert, ist nicht automatisch einer, der nichts tut, sondern einer, der es sich vielleicht genau überlegt. Deswegen könnte das auch ein Akt sein, der Gehalt hat."

Den Zweifel zu mögen und die Differenzierung zu leben, sei etwas, worauf sie eigentlich stolz sei. Und obgleich sie als CDU-Mitglied Robert Habeck und Annalena Baerbock politisch nicht nahestehe, merke sie, wie diese "Zweifel sichtbar machen". Das wecke Vertrauen, im Gegensatz zu "diesem alten Politikertypus, der wahnsinnig selbstherrlich ist und immer suggerieren muss, dass er schon alles weiß".

Warum man sich nicht von Angst leiten lassen sollte

Ein eindrückliches Bild, warum man sich nicht von Angst leiten lassen solle, hatte dann noch Maren Urner parat: Wenn wir Angst hätten, seien wichtige Gehirnregionen blockiert und wir "zurückgeworfen auf unser Eidechsenhirn". Es gebe dann im Grunde nur noch die Optionen "fight, flight oder freeze", also Kampf, Flucht oder Erstarren in Hilflosigkeit.

Diesem Mechanismus in Zeiten von Klimakrise und Krieg entgegenzuwirken, sei auch eine Verantwortung der Medien – gerade angesichts des Umstands, dass in einer internationalen Studie über 50 Prozent der jugendlichen Befragten angegeben hätten, die Menschheit habe keine Zukunft mehr. Urner: "Wir brauchen Bilder, die aufzeigen: Wir sollten was tun – aber nicht sagen: Es hat eh keinen Sinn mehr."

Auch dafür erhielt sie Zustimmung: Es gelte "Handlungsräume zu erhalten", forderte Jürgen Trittin, "aus der Apokalypse erwächst Lähmung". Und Julian Nida-Rümelin äußerte die Hoffnung, dass "die Zeit der schlichten Botschaften erst mal vorbei" sein könnte. Diese Sendung jedenfalls war in ihrer unaufgeregten Konstruktivität schon mal ein guter Anfang.

Verwendete Quellen
  • "Markus Lanz" vom 12. Mai 2022
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