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Gerichtsmediziner schildert Horror des Ukraine-Krieges: "Konnte es nicht tun"


"Ich konnte es nicht tun"
Gerichtsmediziner schildert Horror des Krieges in der Ukraine

Von t-online, mk

Aktualisiert am 30.05.2022Lesedauer: 2 Min.
Ein Krankenhaus in Bakhmut, Ukraine: Der Leichnam eines Soldaten wird von Helfern hereingebracht.Vergrößern des BildesEin Krankenhaus in Bakhmut, Ukraine: Der Leichnam eines Soldaten wird von Helfern hereingebracht. (Quelle: Rick Mave/imago-images-bilder)
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Jurij Fenenko hat Hunderte Fälle von russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine dokumentiert. Doch eine Leiche brachte selbst den erfahrenen Gerichtsmediziner an seine Grenzen.

Vor dem Krieg waren es im Schnitt vier Leichen am Tag, die Jurij Fenenko zu untersuchen hatte. Die häufigsten Todesursachen waren Krankheiten, Unfälle und gelegentlich Waffengewalt. Doch mit der Einkesselung seiner Heimatstadt Tschernihiw nordöstlich von Kiew durch russische Truppen am 10. März änderte sich der Alltag des Gerichtsmediziners schlagartig.

"Wir wussten erst gar nicht, was los ist", berichtet der Mediziner dem "Guardian". "Es war beängstigend, man wusste überhaupt nicht, womit zu rechnen war. Nach ein paar Tagen kamen die ersten Leichen bei uns an und ihre Zahl wuchs von Tag zu Tag". Jetzt waren es im Schnitt 15 Tote am Tag, die Fenenko obduzierte – in einer Stadt mit 150.000 Einwohnern und einer Leichenhalle mit Platz für 30 Körper. Als die Leichenhalle voll war, lagerten sie die Getöteten in Kühlanhängern. Doch es war nicht nur die schiere Anzahl der Opfer, die Fenenko bedrückt.

Fenenko dokumentiert russische Kriegsverbrechen

"Vor dem Krieg hatte ich zerfetzte Leichen wohl nach Unfällen mit Explosionen gesehen", berichtet der Gerichtsmediziner mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung. "Aber nie so viele". Anfang April befreiten ukrainische Truppen die Stadt und die Dörfer in der Umgebung von der russischen Armee. Mehr als 700 getötete Zivilisten fanden Ermittler anschließend in der Region. Fenenkos Obduktionsberichte sollen mutmaßliche russische Kriegsverbrechen dokumentieren und könnten als Beweismaterial in späteren Strafprozessen dienen.

"Bei den Opfern aus den russisch besetzten Dörfern haben wir verschiedene Folterspuren entdeckt", berichtet der 44-Jährige. "Ihre Hände waren hinterm Rücken gefesselt, ihre Augen waren verbunden und ihre Gliedmaßen durchschossen." Hunderte Projektile und Granatsplitter hat Fenenko aus den Körpern der Kriegsopfer entfernt – auch Teile von Streubomben, die international geächtet sind und deren Einsatz Moskau abstreitet.

"Es war die Leiche einer geliebten Freundin"

Bestätigen konnte Fenenko auch den Einsatz sogenannter fléchettes durch die russischen Truppen. Fléchettes sind winzige Metallpfeile, die mit Granaten verschossen werden, sich bei der Detonationen auf eine große Fläche verteilen und im menschlichen Körper schwere Wunden schlagen. Die im Ersten Weltkrieg entwickelte Artilleriewaffe war zuvor auch in den Körpern von Kriegsopfern in Butscha bei Kiew entdeckt worden.

Am Obduktionstisch kann Jurij Fenenko seine Gefühle eigentlich ausblenden, erzählt er dem "Guardian", doch ein Fall brachte ihn an seine Grenzen. "Es war die Leiche einer geliebten Freundin, die Frau eines engen Freundes. Sie wollte mit dem Auto aus dem Dorf flüchten, das die Russen besetzt hatten, und fuhr auf eine Landmine." Zum Glück seien an dem Tag zwei Kollegen dagewesen, die die Autopsie vornahmen, so Fenenko: "Ich konnte es einfach nicht tun".

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