Humanitäre Krise Merz kündigt Luftbrücke für Gaza an

Der Bundeskanzler kündigt konkrete Hilfe für den Gazastreifen an und richtet Forderungen an Israel und die Hamas. Auch Trump erhöht den Druck.
Deutschland will zusammen mit Jordanien eine Luftbrücke zur Versorgung des Gazastreifens mit humanitären Gütern aufbauen. Dieser Schritt werde "umgehend" erfolgen, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts in Berlin. Es sei "nur eine ganz kleine Hilfe", aber ein Beitrag, den die Regierung leisten wolle, sagte der CDU-Vorsitzende. Ziel sei es, das Leiden der Menschen zu lindern.
Israel hatte am Sonntag erstmals seit Monaten die Einfuhr von Hilfslieferungen in den Gazastreifen zugelassen. Nach israelischen Angaben wurden dabei auch Hilfsgüter aus der Luft abgeworfen. Bereits im vergangenen Jahr hatten Jordanien, Deutschland und andere Länder einige Wochen lang Hilfsgüter über dem Gazastreifen abgeworfen. Internationale Helfer halten die Methode jedoch wegen der relativ geringen Mengen und der prekären Lage in dem Gebiet für ineffektiv und auch teuer, etwa im Vergleich zu Lastwagentransporten. Außerdem könnten Menschen am Boden durch die Paletten verletzt werden.
Der Kanzler formulierte zudem klare Forderungen an die Konfliktparteien. "Israel muss die katastrophale humanitäre Situation in Gaza sofort, umfassend und nachhaltig verbessern", sagte Merz. Die seit Sonntag durch Israel möglich gemachten verstärkten Lebensmittellieferungen dürften nur ein erster Schritt sein. Zudem fordere die Bundesregierung einen umfassenden und nicht nur einen kurzfristigen Waffenstillstand. Dazu müsse die radikalislamische Hamas den Weg freimachen, die Geiseln freilassen und die Waffen niederlegen. Unter den Verschleppten befänden sich weiterhin deutsche Staatsangehörige.
Darüber hinaus warnte der Kanzler vor weiteren Schritten hin zu einer Annexion des Westjordanlands durch Israel. Eine Anerkennung eines palästinensischen Staates stehe für die Bundesregierung indes derzeit nicht zur Entscheidung an. Dies sei "nicht ein erster, sondern einer der möglicherweise abschließenden Schritte" auf dem Weg zu einer Zweistaatenlösung.
Trump: "Israel trägt eine große Verantwortung"
Auch aus den USA wächst der Druck auf Israel. US-Präsident Donald Trump sagte in Schottland, er werde Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zur Lieferung von Lebensmitteln auffordern. "Ich will, dass sie das Essen bekommen", sagte Trump mit Blick auf die hungernde Bevölkerung. "Israel trägt eine große Verantwortung."
Der US-Präsident bezeichnete zuvor die Situation im Gazastreifen als schrecklich und kündigte weitere humanitäre Hilfe an. "Wir wollen die Kinder ernähren", sagte er. Es gebe viele hungernde Menschen in Gaza, deswegen sei es jetzt vor allem wichtig, "dass die Menschen etwas zu essen bekommen". Erst vor wenigen Wochen hätten die USA Millionen für die Lebensmittelversorgung in Gaza bereitgestellt, sagte Trump. Er hoffe, dass die Lebensmittel die Bedürftigen erreichten.
Auf die Frage, welche Verantwortung Israel dafür trage, dass die Hilfslieferungen die Menschen erreichen, antwortete Trump: "Israel trägt eine große Verantwortung."
Seit März dieses Jahres ließ Israel nur noch wenige Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Zuletzt führte dies zu einem dramatischen Mangel an Lebensmitteln und anderen lebensnotwendigen Gütern. UN-Organisationen sprachen von einer drohenden Hungerkatastrophe. Das von der Terrororganisation Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium registrierte bis zum Montag 134 Menschen, die an Unterernährung gestorben sein sollen, unter ihnen 88 Kinder.
Die vorläufige Kehrtwende Israels im Umgang mit der humanitären Hilfe für den Gazastreifen erfolgte vor dem Hintergrund wachsender Kritik aus dem Ausland an den als unerträglich empfundenen Zuständen. Das Militär verhängte in Teilen des Gazastreifens während des Tages Feuerpausen und richtete sichere Korridore für den Transport ein. Die neue Regelung gelte bis auf Widerruf, hatte das Militär mitgeteilt.
NGOs werfen Israel Völkermord vor
Unterdessen werfen zwei israelische Menschenrechtsorganisationen ihrer Regierung einen Völkermord im Gazastreifen vor. Die Organisationen B'Tselem und Ärzte für Menschenrechte Israel sprechen von einem "bewussten und systematischen Vorgehen" gegen die palästinensische Bevölkerung. "Israel begeht einen Genozid an den Palästinensern", sagte B'Tselem-Chefin Juli Novak.
Die israelische Regierung weist diese Vorwürfe entschieden zurück. Regierungssprecher David Mencer erklärte: "Unsere Streitkräfte nehmen Terroristen ins Visier und niemals Zivilisten." Die Hamas sei verantwortlich für das Leid im Gazastreifen.
- Eigene Recherche
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und AFP