Camp der Randalierer aufgelöst Polizei nimmt rund 1.500 Bolsonaro-Anhänger fest
Anhänger des brasilianischen Ex-Präsidenten haben mehrere Amtsgebäude gestürmt. Die Behörden ermitteln unter Hochdruck.
Nach der Erstürmung des brasilianischen Kongresses und anderer Amtsgebäude durch Anhänger von Ex-Präsident Jair Bolsonaro haben die Justizbehörden unter Hochdruck Ermittlungen zu den Hintergründen eingeleitet. In Brasília sind rund 1.500 Unterstützer des früheren rechten Staatschefs vorläufig festgenommen worden.
Sicherheitskräfte räumten am Montag ein Camp der Bolsonaro-Anhänger vor dem Hauptquartier der Streitkräfte in der brasilianischen Hauptstadt und setzten die Aktivisten vorübergehend fest, wie das Nachrichtenportal G1 berichtete.
Demonstranten fordern Militärintervention
Am Sonntag hatte die brasilianische Bundespolizei mindestens 300 Festnahmen vermeldet, nachdem Hunderte Anhänger des rechtsradikalen Ex-Präsidenten das Kongressgebäude, den Obersten Gerichtshof und den Präsidentschaftspalast in der Hauptstadt Brasília gestürmt und für schwere Verwüstungen gesorgt hatten.
Sie erkennen den Wahlsieg von Bolsonaros linksgerichtetem Rivalen Luiz Inácio Lula da Silva nicht an und forderten eine "Militärintervention", um Lula von der Macht zu vertreiben.
Die Demonstranten hatten sich zuvor an dem Zeltlager vor dem Militärhauptquartier gesammelt und waren dann in das Regierungsviertel gezogen. Der Oberste Gerichtshof hatte angeordnet, das Lager innerhalb von 24 Stunden zu räumen. Die Inhaftierten wurden in etwa 40 Bussen zum Sitz der Bundespolizei gebracht, wie im Fernsehen zu sehen war.
Sicherheitschef entlassen
Die Bilder weckten Erinnerungen an den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021. Sicherheitskräfte brauchten Stunden, um die Lage wieder in den Griff zu bekommen. Zum Zeitpunkt des Angriffs hielt sich Lula nicht in der Hauptstadt auf, kehrte aber rasch zurück und verschaffte sich persönlich ein Bild von der Lage. Auf Twitter kündigte der erst seit kurzem amtierende Staatschef an, noch am Montag die Arbeit im Präsidentschaftspalast wieder aufzunehmen. "Demokratie für immer", fügte er hinzu.
Im Fernsehen war am Sonntag zu sehen, wie Polizisten mehrere Männer und Frauen mit auf den Rücken gefesselten Händen aus dem Kongress führten. Der Sicherheitschef der Stadt, Anderson Torres, ehemals Justizminister unter Bolsonaro, wurde entlassen.
Lula inspizierte Schäden
Noch am Sonntag inspizierte Lula die Schäden an seinem Amtssitz, dem Palácio do Planalto in der brasilianischen Hauptstadt. Das berichtete das Nachrichtenportal G1. Auch den Sitz des Obersten Gerichtshofs besichtigte der 77-Jährige und traf sich mit der vorsitzenden Richterin Rosa Weber.
Bei dem Vorfall waren Hunderte Demonstranten auf das Gelände des Kongresses vorgedrungen und über eine Rampe auf das Dach des Gebäudes gestiegen. Wie die "New York Times" unter Berufung auf Augenzeugen berichtete, schlug eine Gruppe der Demonstranten Scheiben ein und drang in die Eingangshalle vor.
Im Inneren des Regierungsgebäudes warfen sie Möbel um und plünderten Gegenstände. Auf Videos war zu sehen, wie Menschen im Plenarsaal des Senats auf Tische und Bänke kletterten. Sie sollen gerufen haben, dass sie sich ihr Land zurückholen und sich nicht aufhalten lassen würden. Dem Bericht zufolge war die Polizei zu diesem Zeitpunkt zahlenmäßig unterlegen und reagierte mit Gummigeschossen, Pfefferspray und Tränengas. Auch zwei Hubschrauber waren im Einsatz.
Nach dem Angriff auf den Kongress zogen Bolsonaro-Anhänger auch zum Obersten Gerichtshof. Sie hätten dort Scheiben eingeworfen und seien in die Lobby vorgedrungen, berichtete das Nachrichtenportal G1. Die Richter hatten während der Amtszeit von Bolsonaro den rechten Staatschef immer wieder in die Schranken gewiesen und werden von seinen Unterstützern deshalb verachtet. Später zog die Menge auch zum Regierungssitz Palácio do Planalto. Männer mit Brasilien-Flaggen liefen durch Flure und Büros, wie im Fernsehsender TV Globo zu sehen war.
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Die Militärpolizei setzte unter anderem gepanzerte Fahrzeuge ein. Im Fernsehen war zu sehen, wie Bolsonaro-Anhänger einen Polizisten von seinem Pferd zogen und auf ihn einschlugen.
Lula nennt Eindringlinge "faschistische Vandalen"
Lula verurteilte den Angriff der radikalen Anhänger seines Vorgängers scharf. "Alle Vandalen werden gefunden und bestraft", sagte der Staatschef am Sonntag. "Wir werden auch herausfinden, wer sie finanziert hat", erklärte er. Der Nachrichtenagentur AFP zufolge nannte er die Eindringlinge "faschistisch". "Dieser Völkermörder ... ermutigt dies über soziale Medien von Miami aus", sagte er bei einem Besuch des Bundesstaates São Paulo zudem über seinen Vorgänger. Es gebe mehrere Reden von Bolsonaro, in denen er zu solchen Aktionen anspornen würde.
Bolsonaro selbst wies die Vorwürfe gegen ihn zurück und verurteilte die Angriffe (hier lesen Sie mehr zu Bolsonaros Reaktion). Auch Bolsonaros Partei äußerte sich: "Heute ist ein trauriger Tag für die brasilianische Nation. Wir können mit der Erstürmung des Nationalkongresses nicht einverstanden sein", sagte der Vorsitzende der Liberalen Partei (PL), Valdemar Costa Neto, in einem am Sonntag veröffentlichten Video. "Alle geordneten Demonstrationen sind legitim. Aber das Chaos hat nie zu den Grundsätzen unserer Nation gehört. Wir verurteilen dieses Verhalten aufs Schärfste. Das Recht muss durchgesetzt werden, um unsere Demokratie zu stärken."
Bolsonaro war im vergangenen Oktober dem Linkspolitiker Lula in der Stichwahl unterlegen und zum Jahreswechsel aus dem Amt geschieden. Bereits vor der Wahl hatte er immer wieder Zweifel am Wahlsystem gestreut. Beweise dafür legte er allerdings nie vor. Auch nach der Abstimmung erkannte er seine Niederlage nie ausdrücklich an. Seine Anhänger blockierten immer wieder Landstraßen, kampierten vor Kasernen und forderten eine Militärintervention zugunsten des abgewählten Staatschefs.
Senatspräsident: Situation unter Kontrolle bringen
Senatspräsident Rodrigo Pacheco schrieb zu den Unruhen auf Twitter: "Ich verurteile diese antidemokratischen Handlungen, die dringend mit der Härte des Gesetzes geahndet werden müssen." Weiter teilte er mit: "Ich habe mit dem Gouverneur des Bundesdistrikts, Ibaneis Rocha, telefoniert, mit dem ich in ständigem Kontakt stehe. Der Gouverneur teilte mir mit, dass der gesamte Polizeiapparat sich darauf konzentriert, die Situation unter Kontrolle zu bringen."
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"Ich habe die Entlassung des Sicherheitsministers des Bundesdistrikts beschlossen und gleichzeitig alle Sicherheitskräfte auf die Straße geschickt, um die Verantwortlichen festzunehmen und zu bestrafen", schrieb der Gouverneur Ibaneis Rocha auf Twitter. "Ich bin in Brasília, um die Demonstrationen zu beobachten und alle Maßnahmen zu ergreifen, um die antidemokratischen Ausschreitungen im Regierungsviertel einzudämmen."
Die Generalstaatsanwaltschaft forderte umfassende Aufklärung zu den Drahtziehern und Verantwortlichen der Angriffe.
Szenen wie in Washington 2021
Die Szenen erinnerten an die Ausschreitungen am Sitz des US-Kongresses in Washington am 6. Januar 2021. Damals hatten Anhänger von Donald Trump das Kapitol gestürmt, wo die Wahlniederlage des Republikaners gegen Joe Biden beglaubigt werden sollte. Die Menge drang gewaltsam in das Gebäude ein, fünf Menschen starben.
US-Präsident Joe Biden nannte die Vorfälle bei einem Besuch im Bundesstaat Texas nach Angaben seiner Sprecherin "ungeheuerlich". "Unsere Unterstützung für die demokratischen Institutionen Brasiliens ist unerschütterlich", erklärte sein Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan. Auch die EU verurteilte die Angriffe.
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa, Reuters
- Twitter: @gleisi (portugiesisch), @aletweetsnews (englisch)
- nytimes.com: "Bolsonaro Supporters Lay Siege to Brazil’s Capital" (englisch)