Putin heckt etwas gegen uns aus
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung ΓΌbernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
In der Ukraine sprechen die Waffen β gegen den Westen fΓΌhrt Wladimir Putin eine ganz andere Art von Feldzug. Wir sollten mΓ€chtig auf der Hut sein, meint Wladimir Kaminer.
Inzwischen ist sogar mein Sohn, ein ΓΌberzeugter Pazifist, der sich am besten mit Turnschuhen auskennt, zu einem Panzerexperten geworden β und klΓ€rt mich darΓΌber auf, wie sich die Pumas von den Leoparden unterscheiden. Bei der endlosen Diskussion ΓΌber die Lieferung von Panzern an die Ukraine, die sofort eine weitere ΓΌber mΓΆgliche Lieferungen von Kampfjets nach sich zog, konnte man eine Sache herauslesen.
Die Ukrainer werden nie zufrieden sein, egal wie viele Waffen die EU-LΓ€nder und die Amerikaner ihnen auch versprechen. Das kΓΆnnen sie auch gar nicht, denn sie werden ja immerhin angegriffen. Die ganze Panzerdiskussion erschien mir hingegen vor allem deswegen als merkwΓΌrdig, weil sie den Eindruck vermittelte, als wolle die Nato sparen. Obwohl ausgerechnet diese Panzer, in groΓen Mengen und schnell geliefert, der SchlΓΌssel zur Beendigung des Krieges wΓ€ren. Zu schΓΆn, um wahr zu sein.
Wladimir Kaminer ist Schriftsteller und Kolumnist. Er wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit mehr als 30 Jahren in Deutschland. Zu seinen bekanntesten Werken gehΓΆrt "Russendisko". KΓΌrzlich erschien sein neues Buch "Wie sage ich es meiner Mutter. Die neue Welt erklΓ€rt: von Gendersternchen bis Bio-Siegel".
Nach unbestΓ€tigten Angaben der ukrainischen Armee hat sie seit Beginn des Krieges mehr als dreitausend russische Panzer und ΓΌber sechstausend gepanzerte Fahrzeuge auΓer Gefecht gesetzt. Die Panzerwracks haben neben den zerbombten HΓ€usern die Bildergalerie dieses unsΓ€glichen Krieges gefΓΌllt. Angeblich soll die russische Seite zurzeit etwas mehr als eintausend Panzer an der Frontlinie haben, und die Ukraine Γ€hnlich viele.
Die Vorstellung, dass dreiΓig US-Panzer, die noch lΓ€ngst nicht geliefert sind, den Verlauf des Krieges stark beeinflussen kΓΆnnten, ist definitiv ΓΌbertrieben. Doch selbst wenn alle versprochenen Panzer einigermaΓen gleichzeitig die Ukraine erreichen: GroΓe Panzerschlachten wie einst in Kursk 1943 zwischen Wehrmacht und Roter Armee wird es in diesem Krieg nicht geben. Wozu also wurde so viel geredet β und worum ging es in Wahrheit?
Jetzt bloΓ nicht schwach werden
Ich meinerseits glaube: Es gibt zwei voneinander unabhΓ€ngige Lieferwege in diesem Krieg. Die Panzerdebatte war in erster Linie fΓΌr die Medien bestimmt β Munition, Artillerie und Informationen ΓΌber die Stellungen feindlicher Truppen hingegen fΓΌr die ukrainische Armee. Γber die tatsΓ€chlichen Lieferungen der Letztgenannten wird die Presse zum GlΓΌck nicht informiert, es wΓ€re fatal, wenn der Feind aus der Zeitung erfahren wΓΌrde, was wann wo ankommt.
Die Panzerlieferungen spielen allerdings eine weitere wichtige Rolle, sie dienen dazu, die Einheit des Westens zu manifestieren. Und zugleich Russland und seinem PrΓ€sidenten Wladimir Putin die Bereitschaft eben dieses Westens zu demonstrieren, die Ukraine weiterhin zu unterstΓΌtzen.
Wie der Bundeskanzler mehrmals betonte: Putin darf diesen Krieg nicht gewinnen. In den russischen Medien wird gerade tΓ€glich vom siegreichen VorrΓΌcken der russischen Armee berichtet, selbst wenn es um ein paar Meter am Rande eines kaputt geschossenen Dorfes geht. Diese paar Meter werden als groΓe Errungenschaft prΓ€sentiert, im Kreml unermΓΌdlich Medaillen und Auszeichnungen verteilt, die Kriegshelden wie am FlieΓband gestempelt.
Die EuropΓ€er mΓΆgen aber nicht darΓΌber nachdenken, welche Konsequenzen eine reale Niederlage der Ukrainer fΓΌr uns bringen wΓΌrde. Anstatt die BΓΌrger mit Zahlen und Gattungen des MilitΓ€rgerΓ€ts zu verwirren, sollte man darΓΌber sinnieren, was der Westen, was Europa zu verlieren hat, sollte die ukrainische Armee nachgeben mΓΌssen. Dabei soll es nicht um Panikmache gehen, dass Putins Armee im Falle eines erfolgreichen VorrΓΌckens weitere Grenzen verletzen und Gebiete erobern, andere ehemalige Republiken der Sowjetunion angreifen oder gar der Nato den Krieg erklΓ€ren wΓΌrde.
BloΓ nicht Trump
Eine solche Entwicklung erscheint mir angesichts der wirtschaftlich angespannten Lage in Russland im Augenblick als nicht besonders glaubwΓΌrdig. Doch Putin kann in Europa viel grΓΆΓeren Schaden einrichten, ohne direkt anzugreifen. Letzten Endes geht es in diesem Krieg um eine Auseinandersetzung zwischen zwei politischen Systemen: Totalitarismus versus Demokratie. Die Vor- und Nachteile beider Systeme werden noch einmal durch den Krieg vorgetragen.
Wenn es Putin gelingt, der Welt zu zeigen, dass demokratische Staaten, die jeden Panzer fΓΌr die Ukraine einzeln ausdiskutieren, nicht in der Lage sind, einer totalitΓ€ren Macht Paroli zu bieten, wird dies fΓΌr Europa verheerende Folgen haben. Eine solche Demonstration der UnfΓ€higkeit wird Putinversteher in allen europΓ€ischen LΓ€ndern und auΓerhalb aus ihrem Halbschlaf wecken.
Als Beispiel haben wir den bereits erwachten Donald Trump, der den Amerikanern verspricht, den Konflikt mit Putin binnen 24 Stunden "zu regeln". Wie er das machen wird? Auf Donald-Trump-Art.
Ein Sieg Putins wΓΌrde ΓΌberall auf der Welt demokratiefeindliche KrΓ€fte wecken und die bΓΌrgerlichen Institutionen Europas vernichten, eine Interessenpolitik wΓΌrde die Wertepolitik auflΓΆsen. Dadurch riskierten wir, das Wertvollste zu verlieren, das wir haben: unsere Freiheit. Und das alles, ohne einen Krieg zu fΓΌhren.