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USA | Kritik an Donald Trump: "Er hat etwas ausgenutzt, was bereits da war"


Prominenter Republikaner klagt an
"Trump attackiert alle, die seine Lügen nicht mitmachen"

  • Bastian Brauns
  • Rahel Zahlmann
  • Axel Krüger
InterviewVon Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 02.11.2022Lesedauer: 7 Min.
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Al Schmidt im Gespräch mit t-online: Der Republikaner erhielt 2020 Morddrohungen – weil Donald Trump ihn verhöhnte. (Quelle: t-online)

Al Schmidt ist in der gleichen Partei wie Donald Trump. Doch 2020 wehrte sich der Republikaner gegen dessen Lügen – mit massiven Folgen für seine Familie.

Der langjährige Republikaner Al Schmidt erlebte 2020 hautnah, was passiert, wenn man sich gegen den Willen von Donald Trump stellt. Noch bevor die Anhänger des damaligen US-Präsidenten das US-Kapitol attackierten, hatte er zahlreiche Morddrohungen erhalten, auch gegen seine Frau und sogar gegen seine Kinder.

Der Grund: Schmidt war in den Chaostagen nach der Präsidentschaftswahl nicht bereit, Trumps Lügen vom massenhaften Wahlbetrug mitzutragen. Als offiziell gewählter Wahlleiter in Philadelphia war er dafür verantwortlich, die Stimmen in der Millionenstadt an der Ostküste korrekt auszuzählen. Trump veröffentlichte Al Schmidts Namen daraufhin bei Twitter. Um die Folgen mussten sich die Polizei und das FBI kümmern.

Als Zeuge sagte Schmidt in diesem Jahr darum vor dem Untersuchungsausschuss des US-Kongresses zum 6. Januar aus. Kurz vor den Zwischenwahlen spricht er mit t-online über die ungebrochene Macht der Lügen von Donald Trump. Denn bei den Midterms am 8. November könnte es noch schlimmer kommen als bei der vergangenen Wahl.

t-online: Mister Schmidt, als Donald Trump 2020 wiedergewählt werden wollte, waren Sie ein sogenannter City Commissioner in Philadelphia. Was war Ihre Aufgabe?

Al Schmidt: Als gewählter City Commissioner ist man in Philadelphia für alles, was mit Wahlen zu tun hat, verantwortlich. Wähler registrieren, Briefwahlunterlagen organisieren. Und man ist für die Auszählung der Stimmen verantwortlich und stellt fest, wer gewonnen und wer verloren hat.

Das Amt hatten Sie zehn Jahre inne. Hätten Sie sich jemals träumen lassen, dass im Nachgang einer US-Wahl etwas passiert, das schließlich zum Sturm auf das Kapitol führt?

Nein, und so etwas hatten wir ja auch noch nie zuvor erlebt. Es gab Androhungen von Gewalt und sogar Morddrohungen. Von Menschen, die eindeutig durch die Lügen des US-Präsidenten getäuscht wurden. Sie hörten und glaubten sie willentlich oder unwissentlich. Die Lügen von Donald Trump motivierten sie, das zu tun, was sie taten.

Sie sind Republikaner und haben diese Drohungen gegen sich erlebt. Donald Trump hatte sie zuvor in einem Tweet als "RINO" beschimpft. Was ist damit gemeint?

Zunächst möchte ich sagen, dass ich deutlich länger Republikaner bin als Donald Trump. Der Begriff "RINO" ist ein abfälliger Begriff und eine Abkürzung für "Republican In Name Only". Das heißt also, dass ich kein echter Republikaner sei. Den Begriff gab es schon vor Trump. Aber er hat ihn sehr oft benutzt. Er attackiert damit Republikaner, die nicht bereit waren und sind, bei den Lügen, die er über die Wahlen von 2020 verbreitete, mitzumachen.

Sie haben nicht mitgemacht. Darum twitterte Trump drei Tage nach der Wahl vom 8. November 2020 ihren Namen mit den Worten "Ein Typ namens Al Schmidt". Er ließ die Öffentlichkeit wissen, was er von Ihnen hielt, und warf Ihnen vor, sich von der "Lügenpresse" benutzen zu lassen. Welche Konsequenzen hatte das für Sie?

Ich war nicht der Einzige, der sich damit auseinandersetzen und das irgendwie durchstehen musste. Vielen anderen Menschen in den USA ist es ähnlich ergangen, in einigen Fällen wahrscheinlich noch schlimmer als mir. Wenn der US-Präsident Sie namentlich angreift, gibt es eine beträchtliche Anzahl von Menschen, die ihm glauben, was er sagt. Das hat zu Morddrohungen geführt, die gegen mich, meine Familie und meine kleinen Kinder gerichtet sind.

Hatten Sie jemals Kontakt mit Trump oder haben versucht, sich mit ihm darüber auszutauschen?

Nein, ich hätte auch bereits, als er noch Präsidentschaftskandidat war, keinen Kontakt zu ihm haben wollen. Ich hätte auch keine Gespräche mit ihm führen wollen. Ich glaube auch nicht, dass das etwas gebracht hätte. Er wollte einfach unbedingt verhindern, dass die Stimmen unserer Wähler ausgezählt werden. Weil er das nicht konnte, versuchte er, unsere Ergebnisse zu diskreditieren.

Wie hat sich Ihr Leben dadurch verändert?

Ich hatte wirklich großes Glück, dass die Polizei und das FBI die Drohungen ernst genommen haben. So konnte ich mich, während ich mich auch um meine Familie kümmerte, weiterhin auf meinen Job konzentrieren. Das war 2020 alles sehr zeitkritisch. Mit jeder Minute wurde das Vertrauen in unsere Demokratie weiter beschädigt. Immer mehr Lügen wurden gestreut: Etwa, dass die entstehenden Verzögerungen auf angebliche Manipulationen zurückzuführen seien. Je früher wir die Stimmen unserer Wähler ausgezählt hätten, desto früher wäre diese Wahl vorbei.

Was hat Trump so wütend gemacht?

Ich kann natürlich nicht in seinen Kopf schauen. Aber sein Tweet wirkte wie eine direkte Reaktion auf ein Interview, das ich am Morgen gegeben hatte. Ich sprach darin über die Integrität, Fairness und Sicherheit der Wahlen in Philadelphia. Der ehemalige Präsident war wie gesagt eindeutig daran interessiert, diese Wahlergebnisse zu diskreditieren. Sein Anwaltsteam versuchte, die Stimmen unserer Wähler nicht zählen zu lassen. Und dann sagte ein republikanischer Wahlbeamter: Nein, die Wahl war frei und fair und es gibt überhaupt keine Beweise für angeblichen massenhaften Wahlbetrug. Die Behauptung in seinem Tweet war, dass ich die Augen vor einem massiven Wahlbetrug einfach verschließen würde.

Dabei hatten Sie sich seit vielen Jahren für den korrekten Ablauf von Wahlen in Philadelphia eingesetzt.

Ja, es gab in Philadelphia überhaupt keine Hinweise auf einen weitverbreiteten Wahlbetrug. Und ich möchte hinzufügen, dass die Wahlen von 2020 nicht einmal knapp waren. Donald Trump verlor den Bundesstaat Pennsylvania mit mehr als 80.000 Stimmen. Genauso deutlich wie in anderen Bundesstaaten, die er hätte gewinnen müssen.

Was sagen Sie zu den angeblichen Belegen von Trump und seinen Verbündeten?

Mein Eindruck ist: Weil die Wahlen überhaupt nicht knapp waren, mussten einige der Lügen so gewaltig und geradezu fantastisch sein. Also etwa Anschuldigungen, dass ganze Lastwagenladungen mit Stimmzetteln für die Demokraten in die Stadt gefahren worden seien. Ich weiß nicht, wo das zuerst herkam, aber es hat verfangen.

Haben Sie eine Idee, warum die Menschen glauben, sie würden für Trump die Demokratie verteidigen, obwohl sie dabei sind, sie zu zerstören?

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Das ist eine sehr schwierige Frage. Irgendwie würde ich gerne Trump die Schuld für alles geben, was passiert. Aber er hat einfach etwas ausgenutzt, das bereits da war. Sicher, er hat alles noch schlimmer gemacht und die Leute dazu gebracht, schlechte Dinge zu tun. Aber viele Leute waren einfach empfänglich dafür, all diese Lügen zu glauben. Bis wir besser verstehen, warum Menschen so empfänglich für diese Lügen sind, werden wir es schwer haben, aus der Situation herauszukommen, in der wir uns gerade befinden.

In ein paar Tagen finden die Zwischenwahlen statt. Überall in den USA gibt es Kandidaten der Republikaner, die wie Trump das Wahlergebnis möglicherweise nicht akzeptieren wollen. Haben Sie Angst, dass dann niemand mehr so aufstehen wird, wie Sie es getan haben?

Wir haben Kandidaten, die sich weigern, die Entscheidung unserer Wähler zu akzeptieren. Das ist ein gefährlicher Trend. In einer Demokratie ist es die Aufgabe der Wähler, ihre Stimme zu erheben. Kandidaten, die versuchen, Wahlergebnisse zu diskreditieren, weil sie nicht gewinnen, halte ich für sehr kurzsichtig. Es ist sehr unverantwortlich und sehr schädlich für das Vertrauen in unsere Demokratie.

Es gibt zahlreiche Berichte darüber, dass die Trumpisten in Ihrer Partei die eigenen Leute an Stellen wie Ihre als City Commissioner setzen. Halten Sie das für gefährlich?

In den vergangenen zwei Jahren hat auch eine beträchtliche Anzahl von Wahlhelfern den Job aufgegeben. Vielleicht sind einige in den Ruhestand gegangen. Viele hatten es aber einfach satt. Früher haben wütende Menschen sie und ihre Familie nicht bedroht. Noch besorgniserregender sind aber die Bestrebungen, Menschen als Wahlverantwortliche einzusetzen, die versuchen sollen, das Vertrauen zu untergraben. Das sind Menschen, die sich dieser paranoiden Fantasie einer gestohlenen Wahl hingegeben haben. Und die sollen mit der Durchführung von Wahlen beauftragt werden?

Welche Folgen hat das?

Diese Leute kommen nicht, um Wähler wählen zu lassen. Sie kommen nicht, um die Integrität des Wahlprozesses in irgendeiner Weise zu verbessern. Sie kommen schlicht als parteipolitische Akteure. Sie versuchen, die eigenen Kandidaten, die eigene Partei zu unterstützen und sich gegen die andere Partei zu stellen. Das führt uns auf einen sehr schwierigen Weg. Die Wahlen in einigen Bundesstaaten im Auge zu behalten, wird sich lohnen.

Können Sie ein Beispiel geben?

Es gibt zum Beispiel das Amt des Secretary of State. Der ist für die Durchführung der Wahlen in einem Bundesstaat verantwortlich. In manchen ernennt der Gouverneur diesen Secretary of State. In meinem Heimatstaat Pennsylvania ist das der Fall. Wer in wenigen Tagen zum Gouverneur gewählt wird, wird bestimmen, wer in Pennsylvania die Präsidentschaftswahlen 2024 durchführt.

Ihren Job als City Commissioner in Philadelphia haben Sie inzwischen aufgegeben. Wegen der Drohungen gegen Sie?

Nein, ich hatte mich bereits entschieden, nicht mehr zur Wiederwahl zu kandidieren. Nach meiner dritten Wiederwahl hatte ich nach zehn Jahren in diesem Amt die Gelegenheit, zum "Committee of the Seventy" zu wechseln. Das ist eine fast 120 Jahre alte Organisation, die sich darauf konzentriert, Wahlen zu verbessern, Vertrauen in die Demokratie aufzubauen und Korruption in der Politik zu bekämpfen.

Es gibt viel Kritik am amerikanischen Wahlsystem. Können Sie diese nachvollziehen?

Einer der größten Vorteile bei Wahlen in Amerika ist zugleich ein Nachteil: Jeder Staat führt die Wahlen auf eigene Weise durch. In einigen gibt es Briefwahl, in anderen nur Briefwahl für Wähler, die sie beantragt haben, wieder andere lassen fast gar keine Briefwahl zu. Die verschiedenen Regelungen können zu Irritationen führen.

Sie haben als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das Kapitol am 6. Januar ausgesagt. Auch Donald Trump ist nun vorgeladen worden und soll unter Eid aussagen. Hoffen Sie, dass er für das, was er getan hat, zur Verantwortung gezogen wird?

Ob er strafrechtlich belangt wird oder nicht: Ich hoffe, dass es für ihn Konsequenzen gibt. Was die vielen Anhörungen zutage gebracht haben, zeigt: Trump hat die Situation wider besseres Wissen ausgenutzt. Was der Untersuchungsausschuss geleistet hat, ist wichtig, weil er historische Tatsachen festgehalten hat. Es ist wichtig, dass die Menschen die Wahrheit kennen und ihre eigenen Konsequenzen an der Wahlurne ziehen werden.

Verwendete Quellen
  • Interview in Washington, D.C.
  • Eigene Recherchen
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