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US-Leaks: Als das FBI kam, las der Verdächtige auf der Veranda ein Buch


Verdächtiger der Pentagon-Leaks
Wie ein Tisch den Geheimnisverräter überführte

Von dpa, afp, reuters, lib

Aktualisiert am 14.04.2023Lesedauer: 5 Min.
Der Verdächtige auf seiner Veranda: Kurze Zeit später kamen Spezialkräfte, um ihn abzuführen.Vergrößern des BildesDer Verdächtige auf seiner Veranda: Kurze Zeit später kamen Spezialkräfte, um ihn abzuführen. (Quelle: WCVB / YouTube)
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Die Veröffentlichung geheimer US-Dokumente sorgt für Aufsehen. Nun hat das FBI einen Mann festgenommen. Was war sein Motiv? Und: Wie konnte das passieren?

Auf der Suche nach dem Urheber des massiven Geheimdienst-Datenlecks scheinen US-Ermittler die undichte Stelle gefunden zu haben: Die US-Bundespolizei FBI hat am Donnerstag (Ortszeit) einen 21 Jahre alten Angehörigen des US-Militärs im Bundesstaat Massachusetts festgenommen. Am Freitag erschien der Verdächtige erstmals vor einem Gericht in Boston. Bis zur nächsten Anhörung am Mittwoch soll er in Untersuchungshaft bleiben, gaben die Behörden bekannt.

Der 21-Jährige soll zahlreiche geheime US-Regierungsunterlagen entwendet sowie Inhalte und Fotografien davon online verbreitet haben. Ein Großteil der Dokumente soll sich auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine beziehen: Informationen zu Waffenlieferungen, Einschätzungen zum Kriegsgeschehen, aber auch Details zu angeblichen Spähaktionen der USA gegen Partner. Unklar ist, was davon authentisch ist und was möglicherweise bearbeitet worden sein könnte.

Video | US-Leaks: Video zeigt die Festnahme
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Quelle: reuters

Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums hatte das Durchsickern der Dokumente als "sehr große Bedrohung" für die nationale Sicherheit eingestuft. Auch bei den westlichen Partnern hat die Veröffentlichung Besorgnis hervorgerufen. Wer ist der Mann, der hinter der Veröffentlichung stecken soll? Zu welchem Zweck hat er die Dokumente veröffentlicht? Und: Was hat die Inneneinrichtung im Elternhaus mit seiner Enttarnung zu tun? Ein Überblick.

Wer ist der Mann?

Der Verdächtige ist US-Angaben zufolge ein Angehöriger der Luft-Nationalgarde und 21 Jahre alt. Der Mann mit dem Namen Jack Douglas Teixeira soll mehreren US-Medienberichten zufolge im September 2019 in die Nationalgarde eingetreten sein. Dort soll er als Spezialist für Cybertransportsysteme ausgebildet worden sein. Das berichteten Verantwortliche der amerikanischen Luftwaffe der "New York Times". Seine Aufgabe war es demnach, das Kommunikationsnetz der Truppe zu betreuen.

Laut Angaben der US-Zeitung "Washington Post" ist der Verdächtige in Waffen vernarrt und soll die US-Regierung unter anderem als "dunkle Macht" bezeichnet haben. Mehreren US-Medienberichten zufolge soll der Mann eine Chat-Gruppe auf der bei Videospielern beliebten Plattform Discord mit dem Namen "Thug Shaker Central" geleitet haben. Dort hätten sich rund zwei Dutzend junge Leute mit Vorliebe für Waffen und Militärausrüstung zusammengeschlossen. In dem Forum wurde er offenbar "OG" genannt und von anderen Nutzern als charismatischer Waffennarr mit düsteren Ansichten über die US-Regierung, die Geheimdienste und die Strafverfolgungsbehörden beschrieben.

Wie ist er vorgegangen?

In dem Forum habe "OG" der Gruppe erzählt, dass er auf einem Militärstützpunkt, wo er arbeitete, an die Dokumente gelangt sei, berichtet die "Washington Post". Laut eigener Darstellung habe er Teile des Tages in einer abgesicherten Einrichtung verbracht, in der Mobiltelefone und andere elektronische Geräte verboten gewesen seien, mit denen Fotos oder Videos gemacht werden können. Daher habe er die Dokumente zunächst abgeschrieben – und dabei in seinen eigenen Worten "stundenlang geschuftet". Über den gesamten Winter habe er so in der Gruppe seine Posts abgesetzt.

Als sich das Abschreiben als zu mühsam erwies, begann er laut den Angaben der Zeitung, Bilder zuvor ausgedruckter Papiere zu posten. Mitte März habe "OG" aufgehört, Dokumente mit der Chat-Gruppe zu teilen, schreibt die "Washington Post" weiter. Grund war demnach, dass jemand aus dem Kreis – dem auch Nutzer aus Russland und der Ukraine angehört haben sollen – Ende Februar Unterlagen in einer anderen Gruppe gepostet und somit die abgesprochene Geheimhaltung gebrochen hatte.

Tatsächlich fanden verschiedene Dokumente den Weg vom ursprünglichen Chatraum über weitere Discord-Server und die Plattform 4chan bis zu Telegram. Das hat eine Recherche des Investigativnetzwerks "Bellingcat" ergeben. Auf Telegram wurden die Inhalte demnach vor allem von prorussischen Kanälen weiterverbreitet und gelangten von dort schließlich zu Twitter.

Anfang April, kurz bevor die "New York Times" über das Leck berichtete, habe "OG" verzweifelt gewirkt, zitierte die "Washington Post" ein minderjähriges Mitglied der ursprünglichen Gruppe: "Er sagte, es sei etwas passiert und er bete zu Gott, dass dieses Ereignis nicht eintrete."

Wie kamen die Ermittler auf seine Spur?

Das FBI hat den Verdächtigen am Donnerstag gegen 14.30 Uhr (Ortszeit) vor einem Wohnhaus in North Dighton, einem Ort zwischen Boston und Providence im Osten der USA, festgenommen. Aufnahmen zeigen, dass der Verdächtige ein Buch auf der Veranda las, als die Beamten eintrafen, berichtet "Business Insider".

Offiziellen Angaben zufolge hatten die Ermittler Teixeira bereits einige Tage zuvor im Visier. Dabei sei das FBI eigenen Ermittlungshinweisen, aber auch von mehreren Medien aufgedeckten Informationen nachgegangen.

So will etwa die "New York Times" von zwei Mitgliedern der Online-Gruppe Hinweise auf den Mann bekommen haben. Auch die Tatsache, dass Teixeira vom Abschreiben der Dokumente zum Abfotografieren überging, hat Journalisten und Fahndern Hinweise geliefert. So sollen Details am Rand einiger Fotos der veröffentlichten Geheimdokumente mit Details der Inneneinrichtung aus dem Elternhaus des 21-Jährigen übereinstimmen, schreibt die "New York Times" – unter anderem die markante Maserung einer Tischplatte. Die Familienfotos waren dem Bericht zufolge in den sozialen Medien auffindbar.

Bei einer Anklage und einer späteren Verurteilung könnte Teixeira eine lange Haftstrafe drohen.

Was ist sein Motiv?

Über die Motivation gibt es noch kein klares Bild, auch der Justizminister nannte keine Details. Feindselig gegenüber der US-Regierung sei Teixeira trotz seiner düsteren Ansichten nicht gewesen, schreibt die "Washington Post" unter Berufung auf Menschen aus seinem Umfeld. Er sei nach Überzeugung der Chat-Nutzer auch kein russischer oder ukrainischer Agent gewesen.

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Ein Mitglied der Chatgruppe äußerte die Vermutung, ihm sei es wohl darum gegangen, "vor seinen Freunden zu prahlen", aber auch darum, sie zu informieren, so die "Washington Post".

Warum hatte er Zugang zu den geheimen Dokumenten?

Dass ein 21-jähriger Nationalgardist von eher niedrigem Rang Zugang zu streng geheimen Dokumenten hatte, wirft Fragen auf. Der Fall zeigt auch, wie viele im US-Sicherheitsapparat – trotz einiger Änderungen nach den Snowden-Enthüllungen 2013 – Zugang zu geheimen Informationen haben.

Laut "New York Times" gehören zu den Mitgliedern der amerikanischen Streitkräfte, die über eine Top-Secret-Freigabe verfügen, nicht nur fast alle der mehr als 600 Generäle der verschiedenen Streitkräfte. Sondern auch einige ihrer militärischen Helfer, viele Oberste, die im Pentagon arbeiten, Kapitäne von Marineschiffen, eine Vielzahl von Nachwuchsoffizieren und sogar, wie im jetzigen Fall, Soldaten, die in Geheimdiensteinheiten arbeiten. Angaben aus dem Pentagon verlauteten, dass die Zahl an Personen mit einem solchen Zugang in die "Tausende, wenn nicht sogar Zehntausende" gehe, so die Zeitung weiter.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hat nun eine "Überprüfung" des Zugangs zu Geheimdienstinformationen angekündigt. Auch die "Verantwortlichkeit und Kontrollverfahren" im Verteidigungsministerium sollen überprüft werden, um "diese Art von Vorfall zu verhindern".

Welche Strafe droht ihm?

Teixeira wurde am Freitag erstmals einem Richter vorgeführt. Dem IT-Spezialisten der Nationalgarde wird Geheimnisverrat vorgeworfen, oder in amerikanischer Juristensprache das "unbefugte Entfernung, Aufbewahrung und Übermittlung von Verschlusssachen und nationalen Verteidigungsinformationen". Er soll für eine der folgenschwersten Veröffentlichungen geheimer US-Dokumente der vergangenen Jahre verantwortlich sein.

Im Falle einer Verurteilung könnte er für mehrere Jahre hinter Gitter kommen. Justizminister Merrick Garland kündigte bereits eine "sehr harte" Strafe an. Menschen, die Vereinbarungen unterschreiben, um geheime Dokumente zu erhalten, wüssten, wie wichtig es für die nationale Sicherheit sei, diese nicht weiterzugeben, so Garland weiter. Präsident Joe Biden wies das Militär und die Geheimdienste an, ihre Sicherheitsvorkehrungen zu verschärfen, um künftig derartige Fälle zu verhindern.

Verwendete Quellen
  • bellingcat.com: "From Discord to 4chan: The Improbable Journey of a US Intelligence Leak" (englisch)
  • businessinsider.de: "Geheimdienst-Leaks: FBI nimmt Verdächtigen fest – als die Beamten anrücken, liest er gerade ein Buch auf der Veranda"
  • nytimes.com: "When top secret is not so secret" (englisch)
  • nytimes.com: "Air National Guardsman Arrested as F.B.I. Searches His Home" (englisch)
  • washingtonpost.com: "What we know about 21-year-old accused of leaking top-secret documents" (englisch)
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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