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Zum journalistischen Leitbild von t-online.US-Gesundheitsminister Er empfiehlt Lebertran gegen Masern

Robert F. Kennedy Junior will als US-Gesundheitsminister das Land heilen. Nach mehreren Monaten im Amt scheint er das genaue Gegenteil zu erreichen.
Am Muttertag unternahm Robert F. Kennedy Junior mit seiner Familie einen Ausflug. Mit Kindern und Enkeln war der US-Gesundheitsminister im Rock Creek Park in der Hauptstadt Washington unterwegs. So zeigen es Bilder auf der Plattform X. Es blieb allerdings nicht bei einem gewöhnlichen Spaziergang: Kennedy badete auch in einem Bach. Er präsentierte sich dabei so, wie er häufig auf Fotos abgelichtet wird: oberkörperfrei und in Jeanshose.
Naturverbunden, aber auch für sein Alter außergewöhnlich fit: So stellt sich der 71-jährige Kennedy gern in den sozialen Medien zur Schau. Im Internet gibt es unzählige Bilder, die ihn beim Krafttraining (meistens auch oberkörperfrei und mit Jeanshose), Skifahren oder Joggen zeigen.
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Die Aufnahmen aus Rock Creek offenbaren bei einer genaueren Recherche aber ein anderes Bild von Kennedy: Das Gewässer ist laut der Verwaltung des Parks stark mit Bakterien und infektiösen Krankheitserregern belastet. In dem Wasser sollten Menschen und Tiere deshalb nicht nur nicht schwimmen, sondern auch jeglichen Hautkontakt vermeiden, heißt es auf der Internetseite des verantwortlichen National Park Services. Auf den Fotos von Kennedy sind im Hintergrund Absperrzäune vor dem Gewässer erkennbar.
Die Episode in dem Park zeigt im Kleinen, was auch im Großen für Kennedys Arbeit als Gesundheitsminister der USA gilt: Vordergründig schreibt sich das Mitglied einer der berühmtesten Polit-Dynastien der USA auf die Fahnen, das Land wieder gesünder zu machen. Ein genauerer Blick macht allerdings deutlich, dass Kennedy in seiner Arbeit als Gesundheitsminister bislang eher das Gegenteil verursacht hat.
Vom Demokrat zum Trump-Minister
Kennedy gehört dem Kabinett des Republikaners Donald Trump an. Dabei stammt er eigentlich aus einer Familie, die die Demokratische Partei wie kaum eine andere geprägt hat: Er ist Neffe des 1963 ermordeten Präsidenten John F. Kennedy. Sein Vater, Robert F. Kennedy Senior, war Senator, US-Justizminister und strebte ebenfalls nach dem Amt des Präsidenten. 1968 wurde er im Vorwahlkampf erschossen.
Viele Mitglieder des Kennedy-Clans haben sich von ihm schon vor Jahren distanziert: Im Präsidentschaftswahlkampf wollte der als Verschwörungstheoretiker bekannte Anwalt zunächst für die Demokraten in den Vorwahlen antreten. Aufgrund seiner geringen Chancen ging er dann als unabhängiger Kandidat ins Rennen. Später zog er seine Kandidatur zurück und unterstützte öffentlich Donald Trump.
Trump dankte Kennedy, indem er ihn zum Gesundheitsminister machte. Analog zum Trump-Slogan "Make America Great Again" (MAGA) versprach Kennedy, er wolle das Land wieder gesund machen, oder auf Englisch: "Make America Healthy Again" (MAHA).
Wer sich genauer mit Kennedys Lebensstil befasst, findet allerdings viele Praktiken, von denen Gesundheitsexperten wohl eher abraten: Der 71-Jährige lässt sich mit Testosteron behandeln oder trinkt Rohmilch. Das Bundesinstitut für Risikobewertung und die Weltgesundheitsorganisation WHO warnen etwa davor, dass unbehandelte Milch krank machende Erreger enthalten kann. Zudem ist Kennedy ein bekennender Skeptiker von Impfungen.
"Eine absolute Katastrophe"
Wie er die USA gesünder machen will, erläuterte Kennedy im vergangenen November dem Sender National Public Radio (NPR). Er habe von Donald Trump drei Aufgaben erhalten: Kennedy solle den Gesundheitsbehörden die Korruption austreiben, sie zu "evidenzbasierter Wissenschaft und Medizin" zurückführen und die "Epidemie chronischer Krankheiten" beenden.
Unter Korruptionsbekämpfung lief aus Kennedys Sicht wohl die Entlassung des gesamten Impfgremiums der Gesundheitsbehörde CDC: Kennedy hatte Anfang des vergangenen Monats dem 17-köpfigen Gremium vorgeworfen, das einige der Mitglieder größere Summen von Pharmakonzernen erhalten hätten, die auch Impfstoffe herstellen sollen.
Beweise für seine Behauptungen lieferte Kennedy nicht. Der Aufschrei in der Wissenschaft war dagegen groß: "Dies ist eine absolute Katastrophe für die öffentliche Gesundheit", sagt Dr. Sean O'Leary, der Vorsitzende des Ausschusses für Infektionskrankheiten des US-Verbandes der Kindermediziner in der "New York Times." Das Gremium gibt Empfehlungen für den Einsatz von Impfstoffen in den USA ab.
Fehlerhafte Analyse
Kennedys Skepsis bezüglich Impfungen ist hinlänglich bekannt. In der Corona-Krise verbreitete der Politiker zahlreiche Verschwörungstheorien zu Impfstoffen und war unter anderem auch Redner auf einer Demonstration der sogenannten Querdenker in Berlin. Kennedy hatte in der Vergangenheit etwa behauptet, es handele sich bei dem Corona-Impfstoff um eine gentechnisch veränderte biologische Waffe, die so konzipiert sei, dass sie Juden und Chinesen nicht schaden könne.
Kennedy hing in der Vergangenheit auch der bekannten Unwahrheit an, dass Impfungen bei Kindern zu Autismus führen können. Seine falschen Behauptungen hatte er jahrelang in einer eigenen Lobby-Organisation verbreitet.
- Robert F. Kennedy: Die Polizei in Berlin jagte ihn
Wie wenig faktenbasiert – entgegen seinen eigenen Zielsetzungen – Kennedy politische Entscheidungen trifft, zeigt ein weiterer Vorfall: Ende Mai veröffentlichte das Weiße Haus den "Make America Healthy Again"-Report, in dem Kennedy eine Bestandsaufnahme und Lösungen für das US-Gesundheitssystem vorstellte. Allerdings enthielt der 73-seitige Bericht etliche Fehlinterpretationen und auch Zitierungen von nicht existenten Studien.
"Außergewöhnliche Heiler"
Auch beim Eindämmen von Krankheiten war Kennedy bislang wenig erfolgreich: Im Bundesstaat Texas waren Anfang April zahlreiche Fälle von Masern aufgetreten. Zwei ungeimpfte Kinder starben an der Erkrankung.
- Masern in Texas: Gesundheitsminister empfiehlt Lebertran
Der Gesundheitsminister nahm an der Trauerfeier eines der Kinder teil. Kennedy teilte auf X mit, er habe in Texas zwei "außergewöhnliche Heiler" getroffen, die mit Erfolg 300 Kinder behandeln konnten. Kennedy sprach sich unter anderem bei der Behandlung für Lebertran oder das Steroid Budenosin aus. Dass beide Mittel gegen Masern helfen, ist wissenschaftlich nicht bewiesen – Steroide können im Gegenteil die Erkrankung sogar noch verschlimmern.
Gremium mit Impfkritikern
Auf die helfende Wirkung einer Impfung wies Kennedy dagegen nicht hin. Mitte Mai sagte er vor einem Ausschuss im US-Repräsentantenhaus, dass er seine Kinder heute "wahrscheinlich" gegen Masern impfen würde. Allerdings schränkte Kennedy ein, dass seine Meinung dabei "irrelevant" sei und er nicht glaube, dass Leute von ihm Ratschläge annehmen sollten. Ob er Kinder auch gegen Windpocken oder Polio impfen würde, ließ Kennedy offen.
Das Impfgremium der CDC hat Robert F. Kennedy Junior mittlerweile mit neuen Wissenschaftlern besetzt. Der neue Vorsitzende des Gremiums, Martin Kulldorf, hatte seinen Job an der Universität Harvard während der Corona-Pandemie verloren, weil er sich geweigert hatte, sich gegen das Virus zu impfen.
- nps.gov: "Stay Dry Stay Safe" (Englisch)
- x.com: Beitrag von @RobertKennedyJr
- whitehouse.gov: "The MAHA Report Assessment" (Englisch)
- nytimes.com: "The MAHA Report Cited Flawed Research. Experts Are Alarmed." (Englisch, kostenpflichtig)
- spiegel.de: "Robert F. Kennedy Jr.: Report der Gesundheitsbehörde enthält fehlerhafte Quellen"
- spiegel.de: "US-Wahl: Robert F. Kennedy Jr. löst mit seinem Wechsel zu den Republikanern Kontroversen aus"
- spiegel.de: "USA: Wie Robert F. Kennedy Jr der Gesundheit in seinem Land schadet"
- yahoo.com: "Fact Check: Yes, RFK Jr. took grandkids swimming in sewage" (Englisch)
- apha.org: "Secretary Kennedy and his policies are a danger to the public’s health" (Englisch)
- wsj.com: "RFK Jr. HHS Moves to Restore Public Trust in Vaccines" (Englisch, kostenpflichtig)
- edition.cnn.com: "RFK Jr. Removes CDC Vaccine Advisers in Major Policy Shift" (Englisch)
- npr.org: "Robert Kennedy’s Health Policies Raise Concerns" (Englisch)
- nypost.com: "RFK Jr. says COVID was ethnically targeted to spare Jews" (Englisch)
- tagesschau.de: "Werbung von Influencern: Sollte man wirklich Rohmilch trinken?"