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Nordkorea-Experten im Interview: Kim Jong Un kann noch "35 bis 40 Jahre"


Experten-Interview zu Nordkorea
Kim Jong Un kann noch "35 bis 40 Jahre" im Amt sein

t-online, Daniel C. Schmidt

Aktualisiert am 16.09.2017Lesedauer: 6 Min.
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un applaudiert nach dem jüngsten Raketentest seiner Streitkräfte.Vergrößern des BildesNordkoreas Machthaber Kim Jong Un applaudiert nach dem jüngsten Raketentest seiner Streitkräfte. (Quelle: KCNA/Reuters-bilder)
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Nach dem jüngsten Raketentest stellt sich die Frage: Was nützen die verschärften Sanktionen des UN-Sicherheitsrats gegen das Regime in Pjöngjang überhaupt? Drei Nordkorea-Experten erklären im Interview, wie man Kim Jong Un doch noch stoppen könnte.

Aus Washington berichtet Daniel C. Schmidt

Nikki Haley machte einen Schritt zur Seite, um H.R. McMaster ans Podium zu lassen: "Für die, die meinen, es gäbe keine militärische Option: Es gibt eine militärische Option", sagte Donald Trumps immer etwas bullig wirkender Nationaler Sicherheitsberater vor versammelter Presse im Weißen Haus am Freitagnachmittag. "Aber das ist sicher nicht, was uns vor Augen schwebt."

Der gemeinsame Auftritt von McMaster und Nikki Haley, der US-Botschafterin bei der UN, am Tag nach dem erneuten Raketentest Nordkoreas sollte noch einmal verdeutlichen: Die USA halten an den erst am Montag im UN-Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen gegen Pjöngjang fest. Das nordkoreanische Regime zeigt sich davon weiter unbeeindruckt: Machthaber Kim Jong Un kündigte am Samstag weitere Raketentest an. Ziel sei es, ein "Machtgleichgewicht" mit den USA herzustellen.

Welche Optionen bleiben den USA und Präsident Donald Trump also noch, um Kim davon abzuhalten, sein Nuklearprogramm weiter auszubauen? Drei amerikanische Außenpolitik-Experten schätzen die Lage für t-online.de ein.

Bislang scheint Nordkorea unbeeindruckt: Sind Sanktionen wirklich die Lösung des Problems?

Thomas Wright (The Brookings Institution, Washington): Sanktionen an sich werden nicht genügen, um Nordkorea von seinen Plänen für ein Nuklearprogramm abzubringen. Dazu muss man bedenken, dass die Machthaber das Programm selbst in Zeiten akuter Hungersnot nicht aufgegeben haben.

Ich fürchte, dass der sprichwörtliche Geist aus der Flasche ist. Über kurz oder lang müssen die USA eine Möglichkeit finden, Nordkoreas Bestreben einzudämmen. Sanktionen könnten ein Teil dieser Strategie sein. Werden sie aber die innere Struktur des Regimes verändern und Nordkorea dazu bringen, klein beizugeben? Ich bezweifle das stark.

T.J. Pempel (Politikprofessor, University of California, Berkeley): Mit der Androhung von Sanktionen holt man Pjöngjang nicht an den Verhandlungstisch. Sie können Nordkorea zwar das Leben schwerer machen. Grundsätzlich ändern sie aber nichts an der strategischen Ausgangslage. Niemand der Machthaber wird plötzlich sagen: Hoppla, haben wir uns hier verrannt. Lasst uns das Programm mal besser einstellen und schauen, wie wir von Gesprächen mit den USA profitieren.

Charles K. Armstrong (Geschichtsprofessor, Columbia University, New York City): In der Vergangenheit haben Sanktionen nicht funktioniert und ich bezweifle, dass sie dieses Mal den erwünschten Effekt erzielen. China ist nicht willens, das Regime in Nordkorea mit wirtschaftlichem Druck an den Rande eines Kollapses zu bringen. Die nächstbeste Option? Die USA haben die Tür für diplomatische Gespräche nicht gerade weit aufgerissen. Alle Seiten sollten sich darum bemühen, diesen Schritt zu forcieren.

Donald Trump hat Südkorea und China in dem Konflikt mehrfach kritisiert. Welches Signal sendet die Rhetorik des Präsidenten?

Wright: Amerikas Verbündete sind besorgt. Niemand wird aber voreilig das Verhältnis für beendet erklären. Die Ereignisse haben selbstverständlich Auswirkungen auf die gesamte Region. Nordkorea könnte mit seinen Raketen jetzt amerikanisches Festland erreichen. Sie spekulieren darauf, dass die USA sich deshalb aus einem regionalen Konflikt heraushalten könnten. Für Japan und Südkorea ist die Allianz mit den Amerikanern allerdings ein bedeutender Pfeiler ihrer nationalen Sicherheitsstrategie.

Pempel: Unter ihren Verbündeten müssen die USA klarstellen, dass Washington mit einer Stimme spricht und beim Wort genommen wird. Der Verteidigungsminister darf dem Präsidenten nicht widersprechen. So oder so sollten die USA vielmehr die Interessen der verschiedenen Staaten in der Region in ihre strategische Überlegungen einbeziehen. Würde das Regime in Pjöngjang, aus welchem Grund auch immer, morgen zusammenbrechen, wer kontrolliert dann die Atomwaffen? China? Südkorea? Oder die USA?

Armstrong: Kim Jong Un versucht mit seinen Provokationen, die Allianz aus den USA, Japan und Südkorea zu schwächen. Was ihm auch ein Stück weit gelungen ist. So werden in Südkorea langsam Stimmen lauter, die sich für eine Aufrüstung der eigenen Streitkräfte aussprechen. Diese Idee war in Seoul lange verpönt, jetzt freundet man sich allmählich mit dem Gedanken an, mehr für die eigene Sicherheit tun zu müssen, um nicht schutzlos zwischen den Konfliktparteien dazustehen.

Gibt es unter Umständen einen guten Grund für eine militärische Option?

Wright: Ob es einen guten Grund für einen Erstschlag der Amerikaner gibt? Man muss dabei genau unterscheiden: Bei einem Präventivschlag ("preventive strike") geht es darum, jetzt zu handeln, um einen Bedrohung in der Zukunft auszuschließen. Ich glaube nicht an diesen Schritt. Dafür wären die Kosten auf beiden Seiten zu hoch. Ein Krieg würde Millionen von Menschenleben in Mitleidenschaft ziehen. Ein Präventivschlag ist außerdem schwierig, weil das nordkoreanische Arsenal über das Land verteilt stationiert ist.

Bei einem vorbeugenden Angriff ("preemptive strike") müsste es genügend Beweise geben, dass Nordkorea unmittelbar vor einem Raketenabschuss steht. Dann würden die USA alles tun, um die Pläne von Pjöngjang zu durchkreuzen.

Pempel: Es gibt für den Konflikt keine einfache militärische Lösung. Das dürfte klar sein. In Verhandlungen jeglicher Form zwischen den beiden Staaten wird es darauf ankommen, dass man einen Weg findet, Nordkorea zumindest dazu zu bringen, sein Nuklearprogramm einzufrieren.

Vor zwei Jahren konnte Nordkorea Orten wie Guam oder San Francisco nicht gefährlich werden. Wenn man sie noch ein Jahr gewähren lässt wie bisher, wird die Bedrohung nur noch größer.

Auf der anderen Seite gibt es tatsächlich quasi-militärische Optionen, die nicht in einem Kriegsszenario enden würden. Die USA haben immer noch Mittel und Wege, einen sogenannten Cyberkrieg zu führen: es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, sich in die Abschuss-Codes der Nordkoreaner zu hacken und somit Raketen vom Kurs abzubringen.

Wie könnte eine diplomatische Lösung zwischen den USA und Nordkorea aussehen?

Armstrong: Falls es tatsächlich zu Verhandlungen kommen sollte, werden wir keine Einzelgespräche zwischen Donald Trump und Kim Jong Un sehen, auch wenn letzterer das vielleicht gerne hätte. Jetzt müssen die beiden Staaten diplomatischen Kanäle aufbauen, über die erste Gespräche eingefädelt werden könnten.

Das Problem ist, dass die USA vor Ort in der Region kaum Personal hat, um diese Kanäle zu bedienen. So ist formal noch kein neuer US-Botschafter für Südkorea im Amt bestätigt worden seit Trumps Vereidigung im Januar. Wahrscheinlicher ist da schon, dass aus den hinteren diplomatischen Reihen über die UNO in New York versucht wird, mit den Kollegen aus Nordkorea vorsichtig ins Gespräch zu kommen. Beide Seiten müssen vorweisen können, dass sie bei den Unterhandlungen etwas herausgeschlagen haben.

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Pempel: Nordkorea braucht ein schnelles Signal, das vermittelt, dass sie so nicht weitermachen können. Die USA werden ein paar sehr starke Anreize für Nordkorea bereithalten müssen, um sie überhaupt an den Verhandlungstisch zu holen. Kim Jong Un wird auf eine Garantie bestehen, dass Washington sich nicht für einen Regime-Wechsel stark macht.

Falls die Regierungen der beiden Länder zusammenkommen sollten, um einen Deal zu unterzeichnen, kann ich nur hoffen, dass die eigentlichen Verhandlungen auf Diplomatie-Ebene bereits stattgefunden haben und nicht von Kim und Trump geführt werden.

Wright: Die Idee dieser Verhandlungen ist klar: Nordkorea soll sein Nuklearprogramm aufgeben, wozu sie offenbar nicht bereit sind. Was nützen diese Gespräche also? Ich glaube, dass weder die militärische noch die diplomatische Option greift. Wir müssen uns mit der Eindämmungsstrategie anfreunden: die regionale Allianz stärken, ein Raketenschild aufbauen, mehr Truppen für die Region, und Sanktionen.

Klingt alles sehr kompliziert. Ist der Konflikt jemals zu lösen?

Pempel: Wenn andere Länder sehen, dass Nordkorea als Nuklearmacht anerkannt wird, gerät die Idee weltweiter nuklearer Abrüstung ins Wanken. Was Iran und sein Atomprogramm angeht, sollte dieser Deal eigentlich Signal für Pjöngjang sein, wie man sich durch gute Beziehungen mit den USA wirtschaftliche Vorteile sichern kann.

Wright: Die USA müssen klar machen, dass jede Form von nordkoreanischer Aggression rigoros geächtet wird. Diese Nuklearwaffen dürfen Nordkorea maximal als Abschreckung dienen, niemals als militärische Option gegenüber den USA. Der Status quo hat sich verändert, strategisch steht Nordkorea nicht schlecht da.

Armstrong: Die Frage, wie lange wir uns noch mit dem Thema Nordkorea beschäftigen müssen, ist nicht einfach zu beantworten. Kim Jong Un ist Anfang 30. Bleibt er gesund, kann er sein Amt noch 35 bis 40 Jahre lang ausüben.

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