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Merkel, Nahles und Seehofer in der Koalitionskrise: Seid ihr verrückt geworden?


Seid ihr verrückt geworden?

  • Gerhad Spörl
Eine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 24.09.2018Lesedauer: 5 Min.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer auf einer Pressekonferenz: Seehofer brachte mit Vorstößen im Maaßen-Streit und in der Flüchtlingspolitik mehrfach das Fortbestehen der Großen Koalition in Gefahr.Vergrößern des Bildes
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer auf einer Pressekonferenz: Seehofer brachte mit Vorstößen im Maaßen-Streit und in der Flüchtlingspolitik mehrfach das Fortbestehen der Großen Koalition in Gefahr. (Quelle: Archivbild/Michael Kappeler/dpa-bilder)

In Berlin haben sich Merkel, Nahles und Seehofer zu einem Kompromiss durchgequält. Nun warten sie ab, was am 14. Oktober bei der Bayernwahl passiert. Und dann?

Wir haben eine Regierung, die nicht regiert. Eine Kanzlerin, die erschöpft ist. Eine SPD-Vorsitzende, die stark tut und schwach ist. Einen Innenminister, der vieles ist, nur kein Innenminister: ein Querulant, ein Brandstifter, der große Wurschtige, der aber all dies sein darf, weil ihn niemand daran hindert.

Es mag ja so sein, dass für Horst Seehofer, der ja auch noch CSU-Vorsitzender ist, die Bayern-Wahl wichtiger ist als die Koalition in Berlin. Aber wer bringt ihn auf den nahe liegenden Gedanken, dass erstens die absolute Mehrheit in München ohnehin nur eine Chimäre ist und zweitens die Chancen noch weiter sinken, wenn er in Berlin Amok läuft?

Sie wissen nicht, was sie tun

Es mag ja sogar so sein, dass er absichtlich vieles dafür tut, dass ihn die Kanzlerin rausschmeißt, doch das macht sie nicht, denn sonst hätte sie es längst getan. Sie will es vielleicht, alles andere würde mich wundern, aber sie traut sich nicht. Ansonsten hofft sie darauf, dass Seehofer sich mit der verlorenen Wahl in Bayern auch in Berlin erledigt.

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Was uns geboten wird, ist eine Tragödie, und trotzdem bleibt der merkwürdige Eindruck, dass sie nicht wissen, was sie tun. Sie zerlegen sich wegen des Chefs einer nachgeordneten Behörde. Sie einigen sich darauf, ihn abzulösen, und stimmen zuerst zu, aus ihm einen Staatssekretär zu machen, und dann, dass aus ihm nur ein Abteilungsleiter mit Sonderauftrag wird.

Und dieser fabelhafte Herr Maaßen lässt mit sich machen, was sie mit ihm machen. Er hat nicht genug Stolz, um sich gegen seine Instrumentalisierung zu wehren. Vielleicht labt er sich sogar daran, dass er dabei helfen darf, die Regierung noch mehr zu schwächen, weil er die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin für eine Katastrophe hält, wie er offenbar jedem gesagt hat, der es nicht hören wollte.

Groko-Schwäche stärkt die AfD

Die Kanzlerin ist so gut wie am Ende. Die Regierung ist so gut wie am Ende. Die SPD trudelt in die Bedeutungsosigkeit. Die Schwäche von CDU/CSU/SPD ist die Stärke der AfD. Horst Seehofer ist der beste Wahlkämpfer, den Alexander Gauland sich wünschen kann. Und vermutlich verharrt der CSU-Vorsitzende im Glauben, dass allein er weiß, was gut für das Land ist.

Oh heilige Einfalt. Sind sie in Berlin verrückt geworden? Was denken sie, was sie da machen, die Kanzlerin, die SPD-Vorsitzende und der CSU-Vorsitzende? Wie Lemminge laufen sie auf den Abgrund zu.

Sie sind am Ende, doch ein Ende will inszeniert sein. Eine Personalie mit einem Menschen, dessen Namen bis vor kurzem nur Eingeweihte kannten, scheidet als alleiniger Grund aus, die Koalition platzen zu lassen. Der Serientäter Horst Seehofer hat jedoch nur einen Grund mehr geliefert, dass es mit ihm nicht weitergeht. Dazu braucht es einfach diesen Satz: Genug ist genug und meine Geduld ist erschöpft. Warum sich Angela Merkel nicht dazu aufrafft, wird sie uns in ihren Memoiren mitteilen.

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Zwei Frauen gegen einen Mann. Zwei moderate Gemüter gegen ein brodelndes Gemüt. Das ist die Grundkonstellation. Zwei, die sich nicht trauen, gegen einen, der destruktive Energie aus dem Konflikt mit den beiden schöpft. Zwei, die nicht wissen, was sie wollen, gegen einen, der weiß, was er nicht will, nämlich ihnen nachgeben. Zwei Gretchen gegen einen Mephisto.

Wie lange das so weitergehen wird? Olaf Scholz hat gestern ein Interview gegeben, in dem er sagt, dass die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode zusammen bleiben wird. Stolze Prognose. Woher nimmt er seine stoische Zuversicht?

Andrea Nahles hat auch ein Interview gegeben, in dem sie erneut gesagt hat, dass an Maaßen die Regierung nicht auseinander brechen wird und dass es um Vertrauen gehe, Vertrauen in die Regierung, in das politische System, in die liberale Demokratie. Ja, darum geht es, das stimmt, aber Vertrauen gewinnt man nicht, indem man brav davon redet. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Merkels letzte Jahre als Kanzlerin

Auch Horst Seehofer hat ein Interview gegeben, in dem er uns wissen lässt, er habe nie mit dem Ende der Koalition gedroht. Ein tückischer Satz, ein typischer Seehofer-Satz. Soll heißen: Weder er noch irgendjemand sonst hat damit gedroht. Auch wenn es anders gewesen sein sollte, ein Dementi wird es nicht geben. Denn selbst wenn Andrea Nahles oder Angela Merkel damit gedroht haben sollten, könnten sie nicht damit renommieren, weil sich sofort die Frage stellen würde: Und warum hast du nicht die Konsequenzen gezogen?


Es sind Angela Merkels letzte Jahre als Kanzlerin und wie immer, wenn jemand so lange das ist, was er ist, sind es quälende Jahre. Nicht anders erging es Helmut Schmidt oder Helmut Kohl und sogar Gerhard Schröder. Keiner war am Ende Herr über sein Geschick. Sie waren nicht mehr das Subjekt, sondern das Objekt von Entscheidungen, die andere trafen. Kein schöner Zustand, aber so ist es nun einmal. Jeder, der es wissen will, kann es wissen. Also auch Angela Merkel.

Offensichtlich hat sie sich dazu entschlossen, die Wahl in Bayern am 14. Oktober abzuwarten. Die CSU wird die absolute Mehrheit verlieren. Wen wird sie zum Schuldigen erklären? Die Kanzlerin, wen sonst. Der Seehofer Horst wird für seine Verdienste im einsamen Kampf um das Wahre/Schöne/Gute gelobt werden und danach freiwillig wegen seines fortgeschrittenen Alters als Vorsitzender zurücktreten. Beifall. Warum sollte er aber nicht Innenminister bleiben?

Schneller oder langsamer Ausstieg?

Nichts dürfte sich ändern. Nur eines wird sich ändern: In Berlin werden nach dem 14. Oktober die Kanzlerin, ihre Partei und der Koalitionspartner SPD erwägen, was für sie am besten ist, der schnelle Ausstieg aus der Regierung oder der langsame. Vier Möglichkeiten sehe ich:

  1. Die Kanzlerin schmeißt Seehofer bei der nächsten Gelegenheit, die so sicher kommen wird wie das Amen in der Kirche, endgültig raus. Die CSU wird zetern, natürlich, aber ihre Minister aus der Koalition abziehen? Was hätte sie davon? Es sei denn, sie folgt dem sinistren Ehrgeiz von Alexander Gauland, der die Kanzlerin jagen möchte und davon träumt, die CDU aus der Regierung zu schießen.
  2. Die Kanzlerin tritt zurück und Ursula von der Leyen übernimmt. Seit Helmut Schmidt war kein Kanzler besser auf das Amt vorbereitet als sie: Gesundheits-, Arbeits- und Verteidigungsministerin. Ja, ich kenne das Gegenargument: keine Hausmacht in der Partei. Hatte Angela Merkel anfangs auch nicht. Die CDU folgt der Logik der Macht, das ist das stärkere Argument.
  3. Die SPD tritt aus der Koalition aus. Ohne die Autorität einer starken Vorsitzenden werden sich diejenigen in der Partei, die von Anfang gegen einen Wiedereintritt gewesen sind, mit denjenigen verbünden, die von einer Regeneration in der Opposition träumen. Andrea Nahles müsste dann zurücktreten und Kevin Kühnert käme als Nachfolger in Frage. Ein Juso-Vorsitzender als starke Figur in der ältesten Partei Deutschlands: So weit ist es mit dir gekommen, du stolze SPD.
  4. Olaf Scholz behält Recht und die Koalition hält bis zur nächsten Bundestagswahl durch. Und was hat die SPD davon? Unbeliebt, geschwächt, hofft sie darauf, dass sie aus ihrem tiefen Tief herauskommt, irgendwie, durch Gottes Hilfe.

Ich habe in meinem Leben vier Regierungswechsel mitgemacht: 1969/1982/1998/2005. Immer stand jemand als Kanzler bereit, der eine Mehrheitsregierung bilden konnte. Manchmal habe ich mich gefreut, manchmal war ich traurig.

Diesmal ist es noch komplizierter. Was geht, weiß ich. Was kommt, weiß ich nicht. Bedrückendes Gefühl.

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