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Beziehung zu den USA: Macht Biden eine Kennedy zur Top-Diplomatin in Berlin?


Macht Biden eine Kennedy zur Top-Diplomatin in Berlin?

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns

Aktualisiert am 22.06.2021Lesedauer: 6 Min.
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Gute Bekannte: Joe Biden und Victoria Anne "Vicki" Kennedy im Jahr 2016Vergrößern des Bildes
Gute Bekannte: Joe Biden und Victoria Anne "Vicki" Kennedy im Jahr 2016 (Quelle: Reuters-bilder)

Seit einem Jahr gibt es in Deutschland keinen offiziellen US-Botschafter mehr. Doch nun kommt Bewegung in die wichtigste diplomatische Personalie. Es zeichnet sich eine Überraschung ab.

Über eine Frage wird in Berlin seit Monaten gerätselt: Wen betraut US-Präsident Joe Biden mit dem begehrten und einflussreichen Botschafterposten in Berlin?

Denn schon seit mehr als einem Jahr muss die US-Vertretung am Pariser Platz, gleich neben dem Brandenburger Tor, ohne Botschafter auskommen. Angesichts der Bedeutung des Postens ist das kein guter Zustand. Der vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump eingesetzte Richard Grenell trat im Juni 2020 nach gerade einmal zwei Jahren im Amt als ranghöchster Diplomat in Berlin zurück. Trump hatte zwar noch vor, Douglas Macgregor als Nachfolger zu nominieren, doch zur Abstimmung über den umstrittenen Kandidaten ist es im US-Senat nie gekommen.

Seither leitete die Nummer zwei die US-Botschaft: Robin Quinville ist als Gesandte schon seit 2018 als ranghöchste diplomatische Beamtin am Berliner Standort tätig. Seit 2020 ist Quinville die sogenannte "Geschäftsträgerin" und wird in Berliner Diplomatenkreisen hochgeschätzt. Wer sich nach ihr erkundigt, hört, egal ob von Briten, Deutschen oder Franzosen meistens den Satz: "Robin macht einen exzellenten Job". Könnte Joe Biden sie dann nicht einfach zur offiziellen Botschafterin ernennen?

Theoretisch schon. Praktisch aber wird der Job in Berlin traditionell meist politisch besetzt und eben nicht mit Berufsdiplomaten. Quinville wird die Hauptstadt deshalb im Juli turnusgemäß verlassen und eine andere Aufgabe wahrnehmen.

Nach Informationen von t-online wird ihr im Amt als Gesandter Woodward Clark Price nachfolgen. Er war schon 2016 an der US-Botschaft in Berlin tätig und arbeitete bis jetzt als Direktor für europäische und eurasische Angelegenheiten im US-Außenministerium. Früher arbeitete er in der Russland-Abteilung des Nationalen Sicherheitsrates. Price soll im Juli die Geschäfte in der US-Botschaft übernehmen, ist aber als Berufsdiplomat ebenfalls die Nummer zwei.

Die Suche nach Mr oder Mrs X

Wer aber wird die vom US-Präsidenten vorgeschlagene und schließlich vom US-Senat zu bestätigende Nummer eins? In Berliner Regierungskreisen war man bislang weitgehend ratlos bis ahnungslos. Aus US-Diplomatenkreisen erfuhr t-online nun jedoch, dass zwei vielversprechende Kandidatinnen auf der Liste stehen sollen.

Über die ehemalige Demokratische US-Senatorin von Missouri Claire McCaskill heißt es: "She's on the list for Berlin". Dass mit ihr eine Frau im Gespräch ist, dürfte kein Zufall sein. "Es kann sehr gut möglich sein, dass es erstmals eine Frau wird. Diversität ist dem jetzigen Präsidenten sehr wichtig", sagt James Bindenagel, der unter Kanzler Helmut Kohl als geschäftsführender US-Botschafter in Bonn arbeitete. Schon bei der Aufstellung seines Kabinetts hatte Biden nicht nur auf Expertise, sondern auch auf Geschlecht und Herkunft geachtet. Und mit Diversität sieht es bei den US-Diplomaten eher dürftig aus. So gibt es gerade mal eine Handvoll afroamerikanischer Botschafter.

Über Claire McCaskill hatte schon Ende Mai die US-Nachrichtenwebseite "Axios" berichtet, dass sie von Joe Biden für einen der begehrten Botschafterposten in Westeuropa vorgesehen sein soll. Auch in der Schweiz gilt sie als mögliche neue Botschafterin. Weil sie aber als scharfe Kritikerin der Geschäftspraktiken von Schweizer Banken im Zusammenhang mit Offshore-Steuerparadiesen gilt, wäre ihre Anwesenheit in Bern zumindest brisant. Über Berlin äußerte sich McCaskill im vergangenen Sommer sehr positiv. Als nach dem gewaltsamen Tod George Floyds durch US-Polizisten Proteste am Berliner Alexanderplatz stattfanden, schrieb sie: "Wow. Unsere Verbündeten. In so vielen Belangen."

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Die andere Kandidatin, über die in Berlin mit gewissem Promi-Eifer gesprochen wird, ist Victoria Anne "Vicki" Kennedy. Die Witwe von Ted Kennedy, dem Bruder des Ex-Präsidenten John F. Kennedy, soll ebenfalls "on the list" für eine westeuropäische Hauptstadt sein. Gut möglich, dass der US-Präsident sie auch für Deutschland vorsieht. Joe Biden kennt ihren verstorbenen Mann noch gut aus seiner Zeit als US-Senator und schätzt "Vicki". Auch Ex-Präsident Barack Obama ist ein Fan von ihr, bezeichnete sie als "großartige Frau". Sollte sie wirklich die neue US-Botschafterin werden, würde zum zweiten Mal in der Geschichte ein Mitglied des Kennedy-Clans sagen können: Ich bin ein(e) Berliner(in).

Doch es bleibt spannend. Ein Blick auf die Listen der größten Spender im Biden-Wahlkampf verrät, dass da noch einige, auch männliche Kandidaten, infrage kommen könnten. Dass aber jemand wie etwa der Gründer des Karrierenetzwerks Linkedin, Reid Hoffman, jetzt gerne nach Berlin wechseln würde, gilt als ausgeschlossen.

Zumal bereits recht viele Namen im Gespräch waren. Etwa Karen Donfried, die Präsidentin der US-Stiftung des "German Marshall Fund". Sie spricht fließend Deutsch, war unter anderem Sonderassistentin von US-Präsident Barack Obama im Nationalen Sicherheitsrat und Seniorchefin für Europäische Angelegenheiten. Mitte April aber hatte sich die mögliche Personalie für Berlin erledigt. Joe Biden bedachte Donfried mit dem Posten einer stellvertretenden Staatsministerin im US-Außenministerium. "Sie wäre von allen mit Kusshand begrüßt worden", sagt einer in Berlin, der die US-Diplomatie seit Jahren gut kennt.

Warum dauert es so lange?

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Als eine andere mögliche Kandidatin galt lange Zeit auch Julianne "Julie" Smith. Auch sie arbeitete schon viel zu Europa und den transatlantischen Beziehungen. Von 2012 bis 2013 war sie die stellvertretende nationale Sicherheitsberaterin des damaligen Vizepräsidenten Joe Biden. Smith gilt als sehr gut vernetzt in Deutschland und Europa. Im Juni aber nominierte Biden sie als künftige US-Botschafterin bei der Nato. James Bindenagel sagte t-online: "Julie ist auf dem Nato-Posten genau richtig."

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Die einen Personalien haben sich also inzwischen erledigt, nun gibt es eben neue Spekulationen. Aber wann wird der Berliner Botschaftsposten endlich vergeben, und warum dauert das so lange? Will Joe Biden warten, bis er weiß, welche Partei die Bundestagswahl gewonnen hat und zu wem die Person am besten passt? "Die Bundestagswahl spielt wahrscheinlich keine so große Rolle", sagt James Bindenagel. Die Amerikaner sähen keine so entscheidenden Unterschiede zwischen den Parteien, was die Beziehungen zu Amerika angeht. "Die letzten Koalitionsverhandlungen dauerten außerdem viele Monate. So lange wartet man ganz sicherlich nicht“, so Bindenagel.

Im Grunde sei das derzeitige Warten ein ganz normaler Vorgang, sagt der ehemalige Botschafter. "Erst besetzt der Präsident sein Kabinett, dann die Staatssekretäre, dann die stellvertretenden Staatssekretäre. Erst dann kommen die Botschafter und Diplomaten." Dennoch: Das von Joe Biden gepflegte Mantra "America is back" gilt offensichtlich noch nicht für die nach wie vor Hunderten vakanten Stellen rund um die Welt. Die US-Diplomatie jedenfalls ist längst noch nicht in voller Stärke zurück.

In den kommenden Wochen, vielleicht sogar Tagen, dürfte es aber so weit sein. Inzwischen gibt das Weiße Haus wöchentlich immer mehr Nominierungen von Diplomatenjobs bekannt, bislang vor allem für Staaten außerhalb Europas. Mehr als 250 Auslandsvertretungen müssen von der Biden-Regierung neu besetzt werden.

Bald ist schon Herbst

Nach einem Regierungswechsel in den USA ist es üblich, dass 70 Prozent der Posten an Berufsdiplomaten gehen. 30 Prozent der Botschafterpositionen werden normalerweise mit Leuten besetzt, die mit dem US-Präsidenten verbunden sind, ob freundschaftlich oder als generöse Spender. Gerade für die begehrten Posten, zu denen auch Berlin zählt, müssten aber durchaus ein paar Millionen US-Dollar für den Wahlkampf gespendet worden sein, verrät ein US-Diplomatie-Insider t-online. "Das ist wie eine inoffizielle Börse, die natürlich nie veröffentlicht wird. Aber allen ist klar: Mit 500.000 Dollar bekommen Sie vielleicht Belgien, aber nicht Deutschland."

Es gehört zur internationalen Diplomatie-Gepflogenheit, dass der "Entsendestaat" dem "Empfangsstaat" seinen Vorschlag unterbreitet, um das "Agrément" einzuholen, also die völkerrechtliche Zustimmung, bevor eine Nominierung offiziell bekannt gegeben wird.

Seit klar ist, dass Joe Biden die Bundeskanzlerin am 15. Juli im Weißen Haus in Washington, D.C. empfangen wird, scheint zuletzt Bewegung in die wichtige Personalie für Berlin zu kommen. "Es ist gut möglich, dass der Präsident bei Angela Merkels Besuch in Washington Mitte Juli den Kandidaten vorschlägt", sagt James Bindenagel. Es könne aber auch sein, "dass die US-Regierung schon vorher an die Bundesregierung kommuniziert, damit die Person dann schon bei dem Treffen mit Angela Merkel dabei sein kann." Tatsächlich könnte auch Außenminister Antony Blinken, der in dieser Woche zur Libyen-Konferenz in Berlin erwartet wird, den Vorschlag überbringen.

Wann zieht der Botschafter oder die Botschafterin endgültig nach Berlin? Wird die US-Nominierung für Berlin nicht vor dem 4. Juli offiziell bekannt gegeben, muss Berlin noch bis in den Herbst auf den neuen Botschafter oder die neue Botschafterin warten. Denn bestätigt werden muss die Personalie vom US-Senat mit einfacher Mehrheit. Ab 4. Juli beginnt die bis September andauernde Sommerpause im politischen Washington. Es dürfte also knapp werden.

Wahrscheinlich heißt es deshalb für Berlin: "Wake me up when September ends".

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Hintergrundgespräche
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