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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Wo wir sind, ist Russland" Die Nachtwölfe: Putins persönlicher Rockerklub

Sie wollen die "Seele des russischen Volkes" retten und stehen fest hinter Putin. Der russische Motorradclub "Nachtwölfe" macht sich auf den Weg nach Berlin.
"Wo wir sind, ist Russland": Dieser Slogan prangt auf der Kutte von Alexander "Chirurg" Saldostanow. Er ist der Präsident des russischen Motorradklubs "Nochnye Volki" (auf Deutsch: Nachtwölfe) mit weltweit rund 5.000 Mitgliedern. Ginge es nach ihm, würde der Klub an diesem Freitag anlässlich des in Russland gefeierten "Tags des Sieges" über Nazideutschland seine Kutten stolz in Berlin präsentieren. Zu diesem Zweck sind die Mitglieder schon Ende April Richtung Deutschland aufgebrochen.
Doch daraus wird aller Voraussicht nichts, denn der gesamte Motorradklub steht samt seiner russischen Mitglieder auf der Sanktionsliste der Europäischen Union. Grund dafür sind die Verflechtungen der Nachtwölfe mit dem Kreml.
- Berüchtigte Rocker: Putins "Nachtwölfe" tricksen deutsche Behörden aus
Wo andere Rockerklubs wie die Hells Angels oder die Bandidos traditionell die Politik meiden und sich als außerhalb der Gesellschaft stehende Außenseiter inszenieren, suchen die Nachtwölfe die Nähe zur Macht und besonders zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Das war nicht immer so. Der 1989 als erster seiner Art in Russland gegründete Rockerklub verstand sich zunächst als russischer Ableger der klassischen Motorradklubs. Er unterhielt gute Kontakte zu Hells-Angels-Gruppen in Westeuropa, mit besonders engen Verbindungen zu den dänischen Gruppen.
Saldostanow war Türsteher in Berlin-Schöneberg
Clubgründer Saldostanow wurde auf der Krim geboren und im Westen teilsozialisiert: In den 80er-Jahren lebte er in West-Berlin. Dort arbeitete der studierte Mediziner als Türsteher im legendären Punk-Club "Sexton" in Berlin-Schöneberg und heiratete eine Deutsche. In dieser Zeit knüpfte er auch erste Kontakte zu Mitgliedern der Hells Angels.
Zurück in Moskau arbeitete er laut eigenen Angaben als Gesichtschirurg. Der Sowjetunion stand Saldostanow zu dieser Zeit kritisch gegenüber und unterstützte nach deren Zusammenbruch den pro-westlichen Kurs von Boris Jelzin. Das änderte sich Anfang der 2000er-Jahre. Mit der Wahl Putins änderte sich das gesellschaftliche Klima in Russland und mit ihm Saldostanows Einstellungen.
Ein Priester bekehrte ihn
Sein "Damaskuserlebnis" war seiner Darstellung nach ein Gespräch mit einem orthodoxen Priester. Dieser habe ihm eröffnet, dass es an ihm sei, Russland zu retten. Saldostanow wandte sich dem orthodoxen Glauben zu und verwandelte sich zu einem glühenden Patrioten. Sein Motorradklub, den er als Alleinherrscher führt, folgte ihm.
Die Mission erklärte ein Mitglied des Führungscorps der Nachtwölfe im Gespräch mit einem Reporter der "London Review of Books" so: "Es geht uns darum, die Seele des russischen Volks zu retten." Und um dieses Ziel zu erreichen, arbeiten sie eng mit Putin zusammen, organisieren nationalistische Kundgebungen und fahren mit orthodoxen Ikonen durch Moskau und Sankt Petersburg.
Rocker beteiligten sich an der Annexion der Krim
Seit 2009 unterhält der russische Präsident freundschaftliche Verbindungen zu den Rockern. 2013 verlieh er Saldostanow einen Orden für seine patriotischen Verdienste. 2014 war er einer der Fackelträger bei den Olympischen Spielen in Sotschi.
Im selben Jahr überfiel Russland die Krim – mit dabei: eine Abteilung der Nachtwölfe. Für Saldostanow ein erhabener Moment, denn sein Geburtsort stand wieder unter russischer Kontrolle. Bereits vor der Annexion der Krim waren die Nachtwölfe in der Ukraine aktiv. Seite an Seite mit den Sicherheitskräften bekämpften sie die pro-westlichen Euromaidan-Proteste.
Diese Loyalität zu Putin und seinem Regime scheint sich für die Nachtwölfe auch finanziell zu lohnen. Laut dem verstorbenen Kremlkritiker Alexej Nawalny soll die russische Regierung die Rocker mit mindestens zwölf Millionen Rubel (knapp 122.000 Euro) unterstützt haben.
Siegeszug nach Deutschland
Anfang 2015 wurden die Rocker auch in Deutschland bekannt. Anlässlich des 70. Jahrestages der Kapitulation Nazideutschlands fuhren 20 bis 30 Nachtwölfe, angeführt von Saldostanow, von Russland bis nach Berlin, um am sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park Blumen abzulegen. Seitdem findet jedes Jahr eine solche "Siegestour" statt. Aufgrund der Sanktionen seit 2022 allerdings ohne die Mitglieder aus Russland.
Vertreten werden sie von Mitgliedern des vorwiegend aus Deutschrussen bestehenden Deutschland-Ablegers "Night Wolves MC Germania". Auch in diesem Jahr erwartet die Polizei wieder eine Zusammenkunft der putintreuen Rocker an den sowjetischen Ehrenmalen in Treptow und Tiergarten.
Sorge vor Propaganda und Zusammenstößen
Wie die "Bild" berichtet, befürchten die Behörden, dass pro-russische Propaganda, gepaart mit einer Verherrlichung des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs auf die Ukraine, durch die Rocker verbreitet wird.
Zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs hat die Polizei verfügt, dass am 8. und 9. Mai keinerlei russische Uniformen oder pro-russische Insignien zur Schau gestellt werden dürfen. Ausgenommen: Veteranen des Zweiten Weltkriegs, Diplomaten sowie Vertreter und Delegationen von Staaten, die stellvertretend für die an der Befreiung Deutschlands beteiligten Staaten an den Gedenkveranstaltungen teilnehmen.
Das Landeskriminalamt begründet das in einem Dokument, welches der "Bild" vorliegt, damit, dass ukrainische Kriegsflüchtlinge herabgewürdigt werden können und "nicht ausgeschlossen werden kann, dass dadurch auch andere Personen gegebenenfalls zu gewaltsamen Gegenaktionen motiviert werden, die zu schweren Auseinandersetzungen mit Gefahren für Leib und Leben eskalieren können."
- rp-online.de: "'Wir verteidigen uns gegen den Satan, den Westen'"
- nd-aktuell.de: "Der Rocker-Unternehmer"
- telegraph.co.uk: "Meet the Night Wolves – Putin's Hell's Angels" (englisch)
- taz.de: "'Wo wir sind, ist Russland'“
- lrb.co.uk: "Forms of Delirium" (englisch)
- rferl.org: "The Terrifying Kids Show Staged By Pro-Putin Bikers And Paid For By Taxpayers" (englisch)
- bild.de: "Russen-Rocker in Berlin – Polizei bereitet sich auf die 'Nachtwölfe' vor" (kostenpflichtig)