"Ich sehe nicht, was wir anders machen sollten"
Am Tag nach der Bundestagswahl herrscht in der CDU
Von der CDU-Pressekonferenz nach der Bundestagswahl 2017 berichtet Patrick Diekmann.
Angespannte Stimmung in der CDU-Parteizentrale: Viele Journalisten sind gekommen, um Bundeskanzlerin Angela Merkel nach personellen Konsequenzen und nach Schwierigkeiten bei den SondierungsgesprΓ€chen zu fragen. Dass die Union der Wahlsieger der Bundestagswahl 2017 ist, spΓΌrt man nicht. Zu groΓ waren die Verluste der Union und zu viele WΓ€hler hat man an FDP und AfD verloren.
GroΓe Verluste der Union
Als Angela Merkel die BΓΌhne betritt, sind ihr der anstregende Wahlkampf und das schwierige Ergebnis im Gesicht abzulesen. Sie spricht zunΓ€chst nicht von einem Wahlsieg, sondern stellt nΓΌchtern die Analyse des CDU-PrΓ€sidiums und des Bundesvorstands vor. "Es war eine sehr nΓΌchterne Analyse. Wir haben etliche Kolleginnen und Kollegen, die nicht mehr Bundestag vertreten sind, was schade und traurig ist", sagt Merkel. "Das ist das Ergebnis dieses Wahlabends und wir hatten uns natΓΌrlich ein besseres Ergebnis erhofft."
Am Tag nach der Wahl fΓ€llt die Analyse der CDU noch spΓ€rlich aus. Viel kann man laut Merkel einen Tag nach der Wahl noch nicht sagen. So blieb die Kanzlerin bei vielen Punkten unkonkret. Die CDU habe festgestellt, dass ΓΌber eine Millionen WΓ€hler zur FDP und eine Millionen WΓ€hler zur AfD abgewandert. "Wir wollen die WΓ€hler der AfD mit guter Politik zurΓΌckholen." Wie diese "gute Politik" aussehen soll, gibt es bei der CDU bislang noch keine Antworten. Lediglich wolle man die Probleme der Menschen lΓΆsen. Das seien zum Beispiel Fragen der Integration, der illegalen Migration, aber genauso Fragen der Γ€rztlichen Versorgung auf dem Land oder des ΓΆffentlichen Nahverkehrs, sagt Merkel.
Trotz Verlusten und schwierigen SondierungsgesprΓ€chen will sich die Kanzlerin den Wahlsieg aber nicht schlecht reden lassen: "Wir sind mit Abstand stΓ€rkste Kraft geworden, bei all der EnttΓ€uschung." ErklΓ€rungen fΓΌr das Ergebnis hatte aber auch sie noch nicht. "Wir haben jetzt zwΓΆlf Jahre Regierungsverantwortung als Union. Das ist ein gewaltiger Zeitabschnitt. Deshalb empfehle ich, dass man auch ein StΓΌck Demut vor den WΓ€hlerinnen und WΓ€hlern haben muss, zumal eine schwierige Legislatur hinter uns liegt", so Merkel. "Ich habe mir keine Illusionen gemacht, dass es einfach wird." Denn der Wahlkampf wΓ€re voller Anfechtungen von links und rechts gewesen und eigene Fehler sieht die Kanzlerin nicht. "Ich sehe nicht, was wir anders machen sollten."
"Wir haben das umzusetzen"
Einfach wird es fΓΌr die Union in den bevorstehenden KoalitionsgesprΓ€chen nicht. Zu mΓΆglichen Problemen will Merkel heute noch keine Stellung nehmen. Man mΓΌsse zunΓ€chst mit allen Parteien reden. Auch zu den Probleme, die noch am Morgen zur Schwesterpartei CSU bestanden, Γ€uΓert sich Merkel nicht. CSU-Chef Horst Seehofer wollte ΓΌber die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU intern abstimmen lassen. Doch die CSU und Seehofer ruderten schnell zurΓΌck. "NatΓΌrlich bleibt die Fraktionsgemeinschaft der CDU/CSU bestehen", sagte die Kanzlerin.
Jetzt stΓΌnden erst einmal die Landtagswahlen in Niedersachsen. Zuvor werde es laut Merkel aber schon GesprΓ€chen mit FDP und GrΓΌnen geben. Einfach werden die GesprΓ€che nicht, das weiΓ auch die CDU. Eine Jamaika-Koalition ist aufgrund der Absage der SPD die einzige verbliebene Option. Die Kanzlerin hofft aber trotzdem noch auf ein Einlenken der Sozialdemokraten und gibt sich gesprΓ€chsbereit. "Ich habe die Worte der SPD vernommen. Aber trotzdem sollte man im GesprΓ€ch bleiben", so Merkel.
Die EnttΓ€uschung ΓΌber den SPD-Konfrontationskurs der SPD kann die Kanzlerin aber nicht ganz verbergen. "Jedes Spekulieren auf eine Neuwahl ist die Missachtung des WΓ€hlervotums", kritisierte Merkel, ohne die SPD zu nennen. "Wenn der WΓ€hler uns einen Auftrag gibt, haben wir den umzusetzen." Die Angst vor Neuwahlen und einer noch stΓ€rkeren AfD scheinen in der Union zu groΓ, um das Risiko eingehen zu wollen.
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Als ErklΓ€rung fΓΌr den Absturz der Union im Vergleich zu den Umfragen sieht die Kanzlerin das TV-Duell als Wendepunkt. "Nach dem Duell war es eine andere Situation.Es wurde weniger darΓΌber gesprochen wer Bundeskanzler wird, als darΓΌber, wer drittstΓ€rkste Partei wird", so Merkel. Das sie sich der Auseinandersetzung entzogen hΓ€tte, sieht die Kanzlerin nicht. "Nach dem Wahlergebnis bin ich der Meinung, dass fΓΌr das deutsche Wahlsystem Runden mit allen Spitzenkandidaten treffender sind, als Duelle mit den zwei grΓΆΓten Parteien." Vielleicht ist das also das Format fΓΌr kΓΌnftige Bundestagswahlen.