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Deutschland streckt USA die Hand aus – doch Trump setzt auf Putin


Ukraine, Naher Osten, Nato
Trump erschüttert Deutschland


23.05.2025 - 15:42 UhrLesedauer: 6 Min.
Donald Trump: Der US-Präsident blockiert aktuell US-Sanktionen gegen Russland.Vergrößern des Bildes
Donald Trump: Der US-Präsident blockiert aktuell US-Sanktionen gegen Russland. (Quelle: IMAGO/BONNIE CASH/imago-images-bilder)
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Deutschland streckt gegenüber Donald Trump mit Blick auf die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten die Hand aus. Doch der US-Präsident hakt sich aktuell lieber bei Kremlchef Wladimir Putin unter.

Die Hoffnungen waren groß, die Anzeichen vielversprechend. Die Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) war Anfang Mai mit einer gewichtigen Botschaft in ihre Regierungszeit gestartet: Deutschland möchte die Geschlossenheit in Europa stärken und die großen europäischen Mächte sollten in zentralen geopolitischen Fragen mit einer Stimme sprechen.

Diesen Schulterschluss vollzogen Merz und Außenminister Johann Wadephul (CDU) zunächst mit den sogenannten E4-Staaten, zu denen neben Frankreich, Großbritannien und Polen auch die Bundesrepublik gehört. Es gab Händedrücke, Umarmungen, warme Worte und symbolische Fotos der Staats- und -Regierungschefs aus dem Zug nach Kiew. Die Geschlossenheitsoffensive der Bundesregierung bewerteten Experten durchaus als Erfolg.

Doch dies war nur ein außenpolitisches Etappenziel, das die Bundesregierung in den ersten 100 Tagen erreichen wollte. Noch viel zentraler war die Ausgabe, die USA mit Blick auf die Nato, den Kriegen in der Ukraine und im Gazastreifen an Bord zu halten und deren Präsident Donald Trump von gemeinsamen Maßnahmen überzeugen zu können. Deswegen telefonierten die E4-Regierungschefs auch gemeinsam mit dem Republikaner. Viele Stimmen, eine gemeinsame Botschaft.

Beeindruckt hat diese europäische Geschlossenheit Trump allerdings wenig. Für Europa ist er ein politischer Chaosfaktor, treibt dann einen Keil ins transatlantische Bündnis, wenn er sich einen Vorteil davon verspricht. Die Bundesregierung hat gegenüber der Trump-Administration eine Charmeoffensive gestartet, hat Zugeständnisse in gewichtigen Fragen gemacht. Bisher ist dieser Ansatz gescheitert. Denn der US-Präsident scheint sich eher am russischen Amtskollegen Wladimir Putin zu orientieren.

Doch dabei blieb es nicht: Außenpolitisch musste die Bundesregierung in den ersten Wochen zwei Niederlagen hinnehmen, und bereits im Juni könnte die Lage noch deutlich schwieriger für Deutschland werden.

Hoffnung auf gemeinsame Sanktionsoffensive

Dabei sprachen deutsche Regierungsvertreter in den vergangenen Wochen immer wieder von positiven Signalen, die aus Washington kommen würden: Trump legte seine Zölle wieder auf Eis, drohte Putin mit Konsequenzen, sollte er sich weiterhin einer Waffenruhe im Ukraine-Krieg verweigern.

Gegenüber den Europäern stimmte die US-Regierung in den vergangenen Wochen vergleichsweise versöhnende Töne an, bei verschiedenen internationalen Treffen betonten etwa Außenminister Marco Rubio die Bedeutung der transatlantischen Beziehung und selbst US-Vizepräsident JD Vance gab sich zuletzt freundlich gegenüber den europäischen Partnern der USA.

Das alles weckte auch in Deutschland die Hoffnung, nach dem Knallstart der Trump-Regierung die transatlantischen Beziehungen zumindest teilweise wieder in gewohnte Bahnen lenken zu können. Merz und Wadephul hatten in den vergangenen Wochen wiederholt von einem neuen US-Sanktionspaket gegen Russland gesprochen, das vom republikanischen Senator Lindsey Graham initiiert wurde. Auch die Europäische Union wartete mit weiteren Strafmaßnahmen, bis die Gespräche zwischen der Ukraine und Russland vergangenen Woche in Istanbul zu Ende gingen.

Nachdem Putin dort erneut seinen Unwillen mit Blick auf eine Waffenruhe demonstriert hatte, sollten die EU und die USA gemeinsam mit Sanktionspaketen möglichst große Schlagkraft entwickeln, erklärten europäische Diplomaten t-online. Doch so kam es nicht, im Gegenteil.

Trump blockiert, Putin triumphiert

Aus der Perspektive der EU leitete das Telefonat zwischen Trump und Putin einen weiteren Tiefpunkt ein. Die US-Regierung bekam nichts von Russland, außer weiteren Gesprächen über eine Waffenruhe. Dadurch erhärtet sich der Verdacht, dass Putin auf Zeit spielt und seinen Krieg weiterführen möchte.

Trotz dieser Ergebnislosigkeit feierte Trump seinen Dialog mit dem Kreml-Herrscher. Diesmal haben beide Präsidenten nicht über Eishockeyspiele gesprochen, dafür habe er sich mit Putin über First Lady Melania unterhalten, erklärte der US-Präsident. Über Sanktionen dagegen soll es keinen Austausch gegeben haben.

Seit dem Telefonat blockiert Trump weitere US-Sanktionen, ignoriert damit auch das russische Zeitspiel, während die russische Armee die Ukraine weiter bombardiert. Außerdem spricht der US-Präsident weiterhin öffentlich darüber, dass Russland an einer Lösung interessiert sei. Denn Putin war gerade diplomatisch in der Defensive, weil er das direkte Gesprächsangebot vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und eine Waffenruhe ausschlug.

Am Ende führte Trumps Strategie dazu, dass die EU am Dienstag ihr Sanktionspaket alleine auf den Weg bringen musste. Auch Kanzler Merz sei "schockiert" und "überrascht" gewesen, berichtet das Portal Axios unter Berufung auf Insider. "Das, was wir gegenwärtig in der Ukraine erleben, mit Russland erleben, lässt mich einigermaßen besorgt sein über die nächsten Tage, Wochen und vielleicht Monate", sagte der CDU-Politiker am Mittwoch.

Die russische Führung scheint über die letzten Entwicklungen erfreut zu sein. Der russische Außenminister Sergej Lawrow etwa stellte noch einmal klar, dass Moskau einen "Waffenstillstand und Abwarten" ablehne. Lawrow wetterte: "Und die Macrons, Starmers, von der Leyens und andere europäische Persönlichkeiten, die jetzt hysterisch fordern, dass sich die Vereinigten Staaten den antirussischen Aktionen anschließen und die Zahl der Sanktionen verschärfen – das verrät sie einfach."

Putins Chefdiplomat ist seit 21 Jahren im Amt, er weiß genau, das Ergebnis dieses politischen Schlagtausches zwischen Russland und den Europäern zu deuten. Es lautet: Moskau hat das politische Tauziehen um Trump bislang gewonnen.

Netanjahu lässt Zivilisten verhungern

Die Merz'sche Außenpolitik fußt auf der Grundhaltung, dass einige geopolitische Ziele Europas nur mithilfe der Amerikaner erreichbar seien. Dort, wo es geht, sollen die Amerikaner eingebunden werden, sagte der Kanzler mehrfach. Das ist aus europäischer Perspektive insbesondere in den Regionen der Welt von besonderer Relevanz, wo die Europäer kein großer geopolitischer Faktor sind – zum Beispiel im Nahen Osten.

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Auch hier scheinen Europa und die USA keine einheitliche Linie zu verfolgen. Trump verzichtete auch im Nahostkonflikt bislang darauf, Druck auf den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu aufzubauen. Netanjahu nutzt diese Freiheiten, um die Zivilbevölkerung im Gazastreifen von Hilfslieferungen abzuschneiden und um Teile der Palästinenser gegen ihren Willen umzusiedeln. Dahinter soll die Hoffnung der israelischen Regierung stehen, dass sich die Zivilbevölkerung in Gaza gegen die Hamas auflehnt. Aber im Prinzip haben die hungernden Menschen teilweise lediglich die Wahl, von wem sie getötet werden – von den Terroristen oder von der israelischen Armee.

Auch hier streckte die Bundesregierung die Hand aus. Wadephul erklärte bei seinem Besuch in Israel, dass die israelische Regierung nicht gegen Völkerrecht verstoße und warb für mehr Waffendeals mit Israel. Der Außenminister sprach zwar die humanitäre Lage im Gazastreifen gegenüber Netanjahu an, aber Deutschland bleibt in der Frage zurückhaltend. Merz sprach sich auch für einen Deutschlandbesuch von Netanjahu aus, trotz des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag gegen den israelischen Premier.

Die Bundesregierung schloss sich damit größtenteils Trumps Israel-Kurs an. Deutschland gehörte zu den Ländern, die dagegen waren, dass die EU ihr Partnerschaftsabkommen mit Israel hinterfragt – wegen der wahrscheinlichen Völkerrechtsverstöße der israelischen Armee im Gazastreifen. Deutschland hat ohnehin keinen großen Einfluss auf Israel, aber auch hier zahlte sich die deutsche Charmeoffensive nicht aus, im Gegenteil: Netanjahu ordnete eine weitere Bodenoffensive an, durch die Hunderte Palästinenser starben. Und er plant eine "sterile Zone" Gazastreifen, die komplett von Zivilisten befreit werden soll.

Außenminister Wadephul erklärte daraufhin am Donnerstag: "Wir erwarten, dass durch militärische Aktionen gegen die Hamas, die ihre Berechtigung haben, die Situation der noch in Haft befindlichen Geiseln, darunter auch Deutsche, nicht weiter verschärft wird. Ich habe in Israel mit Geiselangehörigen gesprochen. Sie setzen auf uns, und sie können sich auf Deutschland verlassen." Können sie das?

Eskaliert die Lage beim Nato-Gipfel?

Außerdem haben die Europäer bereits den Nato-Gipfel vom 24. und 25. Juni in Den Haag im Fokus. Die Planung zielt darauf ab, eine Eskalation im westlichen Bündnis zu verhindern. Immer wieder hatte Trump mit dem US-Rückzug aus dem Verteidigungsbündnis gedroht, der harte Kern seiner Anhänger würde diesen Schritt aus ideologischen Gründen feiern. Die Europäer möchten diesen Knall allerdings um jeden Preis verhindern. Deswegen ist der zweitägige Gipfel in den Niederlanden möglichst schlank gehalten, und auch die Arbeitssitzungen werden vergleichsweise kurz sein, weil der US-Präsident längere Meetings ablehnt. Zudem soll auch die Abschlusserklärung möglichst kurz gehalten werden.

Aber Trump soll nicht gereizt und ihm soll so wenig Raum wie möglich für eine Eskalation gegeben werden – das zumindest sei die Idee, berichten europäische Diplomaten. Und genau das scheint aktuell oberste Priorität zu haben: nicht die Ukraine, nicht der Nahe Osten. Es geht darum, die amerikanischen Sicherheitsgarantien für die europäischen Nato-Mitglieder zu erhalten.

Deutschland versucht es auch in diesem Fall wieder mit Zugeständnissen. So ist es kein Zufall, dass sich Außenminister Wadephul hinter die Forderung der Amerikaner gestellt hat, dass Nato-Mitglieder insgesamt fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung und militärische Infrastruktur ausgeben. Das ist in erster Linie ein strategischer Schachzug, um den Amerikanern entgegenzukommen. Im Umgang mit Trump versucht es die Bundesregierung also mit Zuckerbrot und noch mehr Zuckerbrot. Doch ob dieser Plan aufgeht, das muss nach den vergangenen zwei Wochen zumindest angezweifelt werden.

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