Laschet mit "Überraschungs-Coup" oder doch "überfordert"?
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Die heiße Phase des Wahlkampfs ist nach der ersten TV-Debatte der Kanzlerkandidaten eingeläutet. Doch wer hat dabei gewonnen? Die deutsche Presse ist sich uneinig. Ein Überblick.
Konnte der Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet den Negativtrend umkehren? Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, aufholen? Oder Olaf Scholz den Vorsprung seiner SPD weiter ausbauen? Vier Wochen vor der Bundestagswahl am 26. September haben die drei Bewerber ums Kanzleramt das erste Mal gemeinsam einen großen Fernsehauftritt zur besten Sendezeit absolviert. Wer konnte im Triell von RTL und ntv punkten? Die deutschsprachigen Medien haben unterschiedliche Auffassungen.
►Laut dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" sei Olaf Scholz zurückhaltend aufgetreten, "als ob er glaubte, sich auf seinem Vorsprung ausruhen zu können." Die persönlichen Werte des SPD-Kandidaten liegen weit vor denen der Mitbewerber, auch seine Partei hat in manchen Umfragen die Union hinter sich gelassen. Da Baerbock und Laschet Boden hätten gut machen müssen, seien sie entsprechend angriffslustiger gewesen. "Abgehängt hat sie Scholz, so viel kann man wohl sagen, an diesem Abend jedenfalls nicht."
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►Die konservative Tageszeitung "Die Welt" attestierte Laschet auch in der gestrigen Debatte eine unglückliche Figur: "Armin Laschet findet kein Thema, das er besetzen, keine Rolle, die er in diesen Wahlkampf spielen kann." Generell hätten die Zuschauer in der Debatte erlebt, was seit Wochen zu sehen sei: "einen überforderten Armin Laschet, eine übermotivierte Annalena Baerbock und einen überdisziplinierten Olaf Scholz. Und es war am Ende der SPD-Kandidat, den viele schon abgeschrieben hatten, der – wenn man so rechnen will – die meisten Punkte in diesem Triell gemacht hat. Nach der einfachen Formel: Wenn Zwei sich streiten, freut sich der Scholz."
►Für die linksliberale "Süddeutsche Zeitung" hingegen war der Unions-Kanzlerkandidat die positive Überraschung: "Armin Laschet ist offenkundig in den ersten Minuten auf Krawall gebürstet. Dem angeschlagenen Unions-Kandidaten gelingt mit seinem forschen Auftakt zumindest ein kleiner Überraschungs-Coup." Anschließend jedoch hätten Baerbock und Scholz Treffer gelandet – und in der Blitzumfrage überzeugt.
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►Auch die Schweizer Tageszeitung "NZZ" sah bei Laschet einen "Überraschungssieg". Eine Vorentscheidung der Bundestagswahl sei mit dem Triell noch nicht gefallen, und ob es zur Trendumkehr für die Bedrängten reiche, bleibe abzuwarten. "Aber im direkten Aufeinandertreffen wurde deutlich: Während Armin Laschet und Annalena Baerbock kämpfen, angreifen und kontern, hat es sich Olaf Scholz im Schlafwagen gemütlich gemacht."
►t-online Chefredakteur Florian Harms sieht im "Tagesanbruch" vor allem eine Siegerin: "Gewonnen hat die demokratische Kultur. Wer sich anschaut, wie vergiftet, polemisch und verletzend politische Debatten in vielen anderen Demokratien geführt werden – seien es die USA, Großbritannien, Ungarn, Polen oder Italien – konnte sich im ersten TV-Triell der Bundestagswahl 2021 über einen fairen Schlagabtausch freuen. So gesehen war dieses Wochenende ein gelungener Auftakt zur heißen Phase des Wahlkampfs."
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat nach dem TV-Triell rund 2.500 Personen befragt: Hier bescheinigten 36 Prozent dem SPD-Kanzlerkandidaten den Debatten-Sieg. 30 Prozent der Befragten sahen Annalena Baerbock von den Grünen vorne, 25 Prozent Armin Laschet von der Union.
- NZZ: "Neuer Mut für die Union: Armin Laschet landet einen Überraschungssieg"
- Süddeutsche Zeitung: "Wie Laschets Angriff verpufft"