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JU-Chef Kuban: "Wer die Not der Menschen ausnutzt, gehört nicht ins Parlament"


JU-Chef Kuban
"Wer die Not der Menschen ausnutzt, gehört nicht ins Parlament"

InterviewVon Tim Kummert

Aktualisiert am 21.10.2021Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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JU-Chef Kuban: "So richtig fertig ist man nie."Vergrößern des Bildes
JU-Chef Kuban: "So richtig fertig ist man nie." (Quelle: imago-images-bilder)

Bei jungen Wählern hat die Union mies abgeschnitten. Ist daran auch die "Junge Union" schuld? Und wie können Konservative eigentlich noch modern sein? Antworten von JU-Chef Tilman Kuban.

Tilman Kuban ist gestresst. Letztes Wochenende organisierte er den "Deutschlandtag" der Jungen Union, auf dem die Parteigranden um Armin Laschet, Jens Spahn und CSU-General Markus Blume auftraten. In diesen Tagen spult Kuban eine Parteiveranstaltung nach der anderen ab. Der 34-jährige Chef der Jugendorganisation von CDU und CSU, der über die Landesliste Niedersachsen in den Bundestag einzog, vernetzt sich so weiter in der Partei –auch für die anstehende Oppositionsarbeit.

Ein Gespräch über die Frage, wie der Parteinachwuchs sich die Neuausrichtung der CDU vorstellt.

t-online: Herr Kuban, Ihr Noch-Parteichef Armin Laschet hat vor 14 Tagen angekündigt, er wolle den Prozess zur Findung einer neuen Parteispitze "moderieren". Haben Sie davon schon etwas mitbekommen?

Tilman Kuban: Es gibt jetzt ein klares Verfahren, die Kreisvorsitzendenkonferenz wird darüber abstimmen, ob die Mitglieder zum nächsten Parteichef befragt werden oder nicht. Und dann wird Armin Laschet mit den potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern sprechen. Für viele ist das Verfahren entscheidend für eine Kandidatur.

Warum hat die Union die Wahl verloren?

Es war eine Mischung aus Kurs, Kampagne und Kanzlerkandidat. Der Umgang zwischen CDU und CSU, die fehlende Geschlossenheit, hat eine große Rolle gespielt. Aber auch, dass wir es nicht geschafft haben, eigene Themen zu setzen, und unsere schlechte Kampagne. Nur auf eine Anti-Rot-Rot-Grün-Stimmung zu setzen, ist zu wenig für eine Volkspartei.

Vielen scheint nicht mehr klar zu sein, wofür die Union steht. Was haben Sie im Wahlkampf versäumt?

Wir haben nicht klargemacht, wofür wir wirklich stehen und wohin wir Deutschland und Europa steuern wollen. Wer vom klimaneutralen Industrieland mit Innovationen statt Verboten spricht, muss im Wahlkampf auch konkrete Innovationen nennen können. Gleiches gilt für Bauen, Rente, Spritpreise. Da muss wieder "Butter bei die Fische", wie es bei uns im Norden heißt. Da müssen wir als Partei und Fraktion neue Konzepte erarbeiten und neue Kommunikationsstrukturen aufbauen, um unsere Inhalte an den Mann und die Frau zu bringen.

Haben Sie und Ihre Parteifreunde geglaubt, dass man es sich nach 16 Jahren an der Macht leisten kann, keine Inhalte mehr zu haben?

Friedrich Merz hat es als "denkfaul" bezeichnet und da ist was Wahres dran. Wenn man über Jahre als Fraktion und Partei viele Inhalte von den Ministerinnen und Ministern vorgelegt bekommt, dann verlernt man es auch ein Stück weit, innovative Ideen selbst zu erarbeiten. Und wir haben verlernt, Kontroversen auch mal wieder miteinander auszudiskutieren. Hart in der Sache, aber fair im Umgang. Ich will, dass wir wieder konstruktiv streiten, um die beste Lösung ringen und diese dann gemeinsam vertreten.

Und diese beste Lösung ist dann in der Regel konservative Politik?

Wir sollten für einen modernen Konservatismus stehen, der nicht auf ein "Entweder-Oder", sondern auf ein verbindendes "Und" setzt. Wir stehen für Eigenverantwortung und Solidarität. Wer sich nicht selbst helfen kann, dem hilft die Gemeinschaft. Aber erst einmal ist es Aufgabe eines jeden Einzelnen, für sich und seine Familie zu sorgen. Linke Parteien wollen immer mehr Umverteilung. Wir sind für Freiheit und Pluralismus. Damit grenzen wir uns klar von den Abschottungsfantasien der Rechten ab, weil wir eine offene und tolerante Gesellschaft wollen, aber genauso auch nach links, weil wir eben keine Cancel Culture wollen! Am Ende muss auch über Autofahren, Migration oder Gendersternchen offen diskutiert werden dürfen und am Ende sollen sich die besten Argumente durchsetzen.

Galt es in den letzten Jahren nicht auch als konservativ, einfach gut zu regieren – bis die Maskenaffäre der Union dieses Bild arg trübte?

Die Maskenaffäre hat uns immens geschadet. Wer die Not der Menschen ausnutzt und sich damit noch selbst die Taschen vollmacht, der gehört nicht in ein deutsches Parlament und schon gar nicht in die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Deshalb ist es gut, dass diejenigen sofort rausgeflogen sind.

Können Sie ein wenig Klarheit schaffen: Wann weiß die Union denn in etwa wieder, wofür sie steht?

Wir schieben jetzt den Prozess des Grundsatzprogramms neu an, danach werden wir anhand unserer Grundwerte neue Antworten auf die heutigen Fragen liefern. Ich habe gesagt, dass kein Stein mehr auf dem anderen bleiben darf und so ein Umbau des Hauses – um im Bild zu bleiben – braucht natürlich Zeit. Da werde ich jetzt nicht das Datum des Einzugs nennen. Und selbst danach weiß jeder Häuslebauer: So richtig fertig ist man nie.

Wie groß ist Ihr persönlicher Anteil am Versagen der Union bei der Bundestagswahl?

Wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen. Auch ich habe sicher Fehler gemacht.

Aber Sie sind der Chef der Jugendorganisation von CDU und CSU. Und bei der Wahl haben die über 70-Jährigen immerhin noch zu 38 Prozent Union gewählt, bei den 18 bis 24-Jährigen waren es 10 Prozent.

Das Ergebnis ist katastrophal. Es aber nur der Jugendorganisation in die Schuhe zu schieben, das läuft nicht. Auf die Frage, was für Jungwähler wahlentscheidend war, wurden zu 50 Prozent die Wahlprogramme der Parteien, zu 30 Prozent die Spitzenkandidaten benannt und nur bei etwa 20 Prozent liegt der Anteil der jeweiligen Jugendorganisationen. Daher müssen wir uns vor allem vorwerfen lassen, dass die CDU bei Uploadfilter, Klima und Corona nicht auf die Jugend gehört hat, obwohl wir als JU mehrfach darauf hingewiesen haben.

Beim Deutschlandtag haben Sie Friedrich Merz als "Berater" der Partei bezeichnet. Soll er also künftig nur noch vom Seitenrand das politische Geschehen kommentieren?

Für uns ist klar: Friedrich Merz ist einer der klügsten Köpfe der Partei. Er ist und war immer ein Berater und Unterstützer der jungen Generation. Mit seiner Erfahrung und seiner Begeisterungsfähigkeit an der Basis spielt er natürlich auch selbst eine wesentliche Rolle bei der Neuaufstellung der Partei. Gemeinsam mit einem Team von frischen Köpfen. Das würde ich mir sehr wünschen.

Sind Sie dafür, dass er Parteivorsitzender wird?

Erst einmal muss Friedrich Merz für sich selbst entscheiden, ob er antritt oder nicht.

Herr Kuban, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Interview mit Kuban am 20. Oktober 2021
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