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Union und FDP fordern Flexibilität: 60-Stunden-Woche bald in Deutschland?


"Im Bett noch ein paar E-Mails"
60-Stunden-Woche findet in Deutschland Anhänger

Von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 26.04.2018Lesedauer: 3 Min.
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Eine Frau sitzt auf der Couch ihrer Wohnung und arbeitet am Laptop: FDP und Union wollen mit der Flexibilisierung der Arbeitszeit die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie verbessern.Vergrößern des Bildes
Eine Frau sitzt auf der Couch ihrer Wohnung und arbeitet am Laptop: FDP und Union wollen mit der Flexibilisierung der Arbeitszeit die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie verbessern. (Quelle: dpa-bilder)

Österreich will die 60-Stunden-Woche einführen und auch Deutschland diskutiert über flexiblere Arbeitszeiten. Gibt es bald eine 60-Stunden-Woche? Union und FDP fordern vor allem mehr Flexibilität.

Österreich macht es vor: Die Regierung aus ÖVP und FPÖ möchte ein Gesetz zur Arbeitszeitflexibilisierung auf den Weg bringen, um den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche zu ermöglichen. Die grundsätzliche Wochenarbeitszeit soll bei 40 Stunden bleiben – die Arbeitszeit aber flexibler aufgeteilt werden. Österreichische Gewerkschaften sehen in dem Vorhaben trotzdem den Einstieg in die 60-Stunden-Woche. Darüber berichtete t-online.de am Mittwoch.

Nun reagieren auch deutsche Parteien im Bundestag und Gewerkschaften auf die Reformpläne im Nachbarland. Es mehren sich die Stimmen, die eine Veränderung auch im deutschen Arbeitsrecht fordern.

"Notwendige Flexibilisierung"

"Heutzutage gibt es die Möglichkeit, sich ab 15 Uhr um die Kinder zu kümmern und wenn diese im Bett sind, noch kurz ein paar E-Mails zu bearbeiten", sagt Michael Theurer, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Bundestag, t-online.de. "Notwendig ist also zweifelsohne die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes, damit die Menschen selbst entscheiden können, wann sie wie und von wo arbeiten."

Die werktägliche Arbeitszeit in Deutschland darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

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Die FDP fordert mehr Flexibilität und bereits im März brachte man den Gesetzesentwurf zu einer 48-Stunden-Woche im Bundestag ein. Dies würde laut den liberalen auch den Arbeitnehmern zu Gute kommen. "Am Gesetzgeber sollte die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht scheitern", meint Theurer. Mehr Zeit für die Familie dank flexibler Arbeitszeiten? An diesen Effekt glaubt auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz: "Der Staat darf den Unternehmen nicht im Weg stehen", sagte Kurz bereits bei den Koalitionsverhandlungen im Dezember. "Es soll gearbeitet werden, wenn Arbeit anfällt und gleichzeitig mehr Zeit für die Familie geben."

In Händen der Tarifpartner

Genau wie die österreichische Regierung bekräftigt auch die FDP, dass sich die Arbeitstage durch die Reform im Durchschnitt nicht verlängern sollen. "Dabei soll niemand mehr arbeiten müssen, aber alle flexibler arbeiten dürfen", meint Theurer. "Das bedeutet, dass Betriebsrat oder die Arbeitnehmer selbst natürlich ihr Veto einlegen dürfen."

Die Bundesregierung möchte den Arbeitsmarkt im engen Dialog mit den Tarifpartnern reformieren. So ist es im Koalitionsvertrag vereinbart. Eine größere Flexibilität fordert auch die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag: "Wir werden in Deutschland den Tarifpartnern die Möglichkeit geben, durch Tarifverträge mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit einzuräumen", meint Peter Weiß, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, gegenüber t-online.de. "Der Wunsch nach Flexibilität und der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer müssen gegeneinander abgewogen werden. Das geht nur, wenn auf gleicher Augenhöhe verhandelt wird."

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Die Union konnte sich auch schon während der Jamaika-Sondierungen im November eine Lockerung der Arbeitszeitgesetze vorstellen. Die Grünen waren dagegen.

Noch deutlicher werden die deutschen Arbeitgeber. "Die deutsche Wirtschaft fordert mit Nachdruck ein grundlegendes Update des Arbeitszeitgesetzes", schreibt die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in einem Statement, das t-online.de vorliegt. "Arbeitgeber und Beschäftigte müssen die Möglichkeit haben, die vereinbarte Arbeitszeit flexibel über die Woche zu verteilen. Mehr Beweglichkeit in der Arbeitszeit unterstützt die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und erleichtert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf."

Ähnlich wie die österreichische Bundesregierung und die FDP denken auch die deutschen Arbeitgeber, dass durch eine größere Flexibilisierung dem Arbeitnehmer mehr Zeit für Familie und Freizeit bleibt.

Die Vorstöße bei dem Arbeitszeitgesetz sehen insbesondere Gewerkschaften kritisch. "Mit dem 12-Stunden-Tag ist die Koalition in Österreich komplett auf dem Holzweg, auch wenn sie Freiwilligkeit proklamiert. Wie frei ist ein Arbeitnehmer, wenn Mobbing oder Kündigung die Alternative zu Mehrarbeit sind?", sagt Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes, t-online.de. "Arbeitszeit muss eine Grenze haben und zwar verbindlich per Gesetz, damit die Gesundheit der Beschäftigten geschützt wird."

"Offensichtlicher Unsinn"

Sollte die große Koalition das Arbeitszeitgesetz nach österreichischem Vorbild öffnen, würde es "entschiedenen Widerstand der Gewerkschaften" geben. "Flexiblere Arbeitszeiten führen keineswegs, wie Arbeitgeberverbände behaupten, dazu, dass alle von neun bis fünf arbeiten und danach überall das Licht ausgeht – offensichtlicher Unsinn", kritisiert Buntenbach. "In Deutschland werden jährlich 1,9 Milliarden Überstunden geschoben, etwa die Hälfte davon unbezahlt. Die Arbeitnehmer sind also sehr flexibel und schenken den Arbeitgebern viele Stunden ihrer wertvollen Zeit."

Auch in Österreich haben die Gewerkschaften Widerstand angekündigt. Das neue Arbeitszeitgesetz wollen ÖVP und FPÖ bis zum Sommer auf den Weg bringen. Einen genauen Gesetzestext gibt es aber noch nicht.

Die Angst ist auch im Ausland groß. Eine größere Arbeitsmarktflexibilität in Österreich könnte andere europäische Partner dazu zwingen, nachzuziehen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Ein Flächenbrand mit möglichen Arbeitskämpfen droht. In Österreich und Deutschland warten Arbeitnehmer und Gewerkschaften auf ein Zeichen aus der Politik.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Koalitionsvertrag von SPD und CDU
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