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Dauerkandidatin "Fridi" Miller soll bei Wahlen nicht mehr antreten dürfen


Gesetz zum Wahlrecht
"Fridi" darf nach 112 Wahlen nicht mehr kandidieren


Aktualisiert am 26.01.2021Lesedauer: 4 Min.
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Friedhild "Fridi" Miller: Nach 112 Wahlen soll sie sich nicht für Wahlen in Rathäusern antreten können, weil sie nicht geschäftsfähig ist und damit nach einer Gesetzesänderung nicht mehr wählbar ist.Vergrößern des Bildes
Friedhild "Fridi" Miller: Nach 112 Wahlen soll sie sich nicht für Wahlen in Rathäusern antreten können, weil sie nicht geschäftsfähig ist und damit nach einer Gesetzesänderung nicht mehr wählbar ist. (Quelle: Imago/privat, Montage: t-online)

Deutschlands rastloseste Bürgermeisterbewerberin darf nicht mehr antreten. Nach 112 aussichtslosen Kandidaturen und oft Streit im Anschluss soll Friedhild "Fridi" Miller für das Amt unwählbar sein. Eine Gesetzesänderung wegen ihr?

Sie plaudert in ihren jüngsten Videos munter-fröhlich wie so oft, dabei lief es in den vergangenen Tagen nicht gut für Friedhild "Fridi" Miller: Für 24 Stunden musste die 51-Jährige in eine psychiatrische Klinik, weil ihr Betreuer von einem Wut-Video alarmiert war. Der VfB Stuttgart hat sie nicht als Bewerberin fürs Amt des Vereinspräsidenten akzeptiert. Die Rechtschutzversicherung hat ihr gekündigt. Und dann ist da die Sache mit der Wahl in Kolbingen. Diese Erfahrung könnte ihr Leben fast so verändern wie der Sorgerechtsentzug für ihre Tochter im Jahr 2014.

Kolbingen ist ein 1.250-Einwohner-Ort, "Fridi" Miller war noch nie in der Gemeinde im Landkreis Tuttlingen. Aber sie will dort im März wieder kandidieren zur Bürgermeisterwahl. Dort hat sie 2018 mit 118 Stimmen 20 Prozent geholt, ihr bestes Ergebnis jemals. In Kolbingen wäre mehr drin als bei der OB-Wahl in Stuttgart im November.

0,3 Prozent in Stuttgart

Es sieht aber danach aus, dass die Stuttgarter Rathauswahl die vorerst letzte war für die "Aufdeckungspolitikerin", wie sie sich nennt. Stuttgart war ihre 112. Kandidatur, und sie hat darüber gewitzelt: "Notruf Eins-Eins-Zwei – Fridi, ich komme". Die Not in Stuttgart war offenbar nicht so groß, 0,3 Prozent wählten die 51-Jährige.

Aber "Fridi" Miller hatte wieder Aufmerksamkeit, Beachtung für ihren Kampf, den sie seit der "rechtswidrigen Inobhutnahme meiner Tochter" führt. Als ihr 2014 das Kind weggenommen wurde, habe das eine wahnhafte Psychose ausgelöst, heißt es in mehreren Gutachten. Sie sieht oft "Kinderraub", "Psychoterror" und "Stasi-Methoden", ausgeführt von Scientology, Freimaurern und Lions Club. Sie wurde politisch.

"Merkel muss weg" auf Po und Porsche

"Merkel muss weg", klebte dutzendfach auf ihrem Porsche Boxter aus finanziell besseren Tagen, es klebte auch mal auf ihren Pobacken, die sie in die Kamera hielt. Inzwischen ist auf dem Porsche "Fridi for President" zu lesen, aber Merkel ablösen will sie weiterhin. "Weil ich die menschlichere und auch schönere Bundeskanzlerin wäre."

Das Kanzleramt ist ihr Ziel, weil man nur mit Macht etwas ändern könne. Ihre lange Zeit fast pausenloser Kandidaturen in Groß- und Kleinstädten versteht sie als Etappen im Kampf gegen "kriminelle Netzwerke" – und für Menschenrechte, Familie, Frieden und Liebe. Mit den Begriffen wirft auch "Querdenken" um sich und Miller war unter den 50 Demonstranten bei der ersten Demo von Michael Ballweg in Stuttgart im April 2020.

Keine Wählbarkeitsbescheinigung

Mit dem Motto würde sie auch wieder in Kolbingen ins Rennen gehen, wenn sie dürfte. Das Rathaus hat den Eingang ihrer Bewerbung bestätigt, aber das Fehlen der notwendigen Wählbarkeitsbescheinigung moniert.

Und diese Bescheinigung bekommt Friedhild Miller offenbar nicht. Sie ist geschäftsunfähig, "unter vollumfänglicher Betreuung wegen Falschgutachten", wie sie in ihrem LinkdIn-Profil schreibt. Ein vom Stuttgarter Landgericht bestelltes Gutachten stuft sie als dauerhaft geschäftsunfähig und prozessunfähig ein. Sie darf nicht, wie sie will.

Für sie ist das "der größte Skandal seit Gustl Mollath". Sie hat auch schon Gutachter gefunden, die den Sachverständigen des Gerichts widersprechen, sie schickt nach der Anfrage von t-online sofort mehrere Mails mit diversen Anhängen zu.

Führerschein wieder erstritten

Sie hat auch schon Verfahren gewonnen: Der Führerschein etwa wurde ihr zu Unrecht weggenommen, sie bekam ihn zurück. Auch Kritiker sprechen ihr neben großer Energie beachtliche juristische Kenntnisse zu. Sie hat auch erreicht, wieder für ihre Tochter für erziehungsfähig erklärt zu werden.

Aber eben nicht für geschäftsfähig. Seit dem 1. Januar hat sie deshalb für Bürgermeisterwahlen das Recht verloren, gewählt zu werden. Da ist eine Gesetzesänderung in Kraft getreten, mit der auch die baden-württembergische Gemeindeordnung geändert wurde. Dort heißt es jetzt: "Nicht wählbar ist, wer (...) nach § 104 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geschäftsunfähig ist", wer sich also "in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet". Vorher gab es eine solch eindeutige Regelung nicht.

Verein Mehr Demokratie kritisierte Regelung

"Für eine solche Regelung besteht kein Bedarf", fand vorher im Anhörungsverfahren der Verein Mehr Demokratie e.V. Das Land könne weiter darauf vertrauen, "dass entsprechend der bisherigen Erfahrungen die Wählerinnen und Wähler zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage sind und betreffende Personen nicht zum Bürgermeister wählen".

Für Landtag, Bundestag, Gemeinderat und Kreistag könnte Miller immer noch kandidieren. Da gelten Regelungen entsprechend dem Bundeswahlrecht, das den Ausschluss von geschäftsunfähigen Personen nicht vorsieht. Die Einschränkung wurde ausschließlich für die Wahl von Bürgermeistern und Oberbürgermeistern in Baden-Württemberg beschlossen. Eine "Lex Fridi"?

Beim Verband baden-württembergischer Bürgermeister e.V. kennt man neben Friedhild Miller keinen weiteren vergleichbaren Fall. Es komme gar nicht auf die Frage an, "ob derartige Bewerbungen bei einer Volkswahl überhaupt erfolgreich sein können", sagt Michael Makurath, OB von Ditzingen und Präsident des Verbands zu t-online.

Durch Einsprüche Arbeit behindert

Das Problem sei ein anderes: "Bereits die Zulassung zur Wahl eröffnet dem Bewerber die Möglichkeit, deren Ergebnis später rechtlich anzufechten." "Fridi" Miller hat das vielfach getan.

Rekord hält Boris Palmers Vater
112 Wahlteilnahmen konnte der 2004 verstorbene Helmut Palmer locker überbieten: Der Vater von Tübingens OB Boris Palmer wurde als "Remstal-Rebell" und Beamtenschreck bekannt und trat zwischen 1957 und 2001 bei 289 Bürgermeisterwahlen und 13 Bundes- und Landtagswahlen an. In Schwäbisch Hall holte er über 41 Prozent. Manche sahen in ihm einen unbeugsamen Bürgerrechtler, der kompromisslos seine Meinung vertrat und für Beleidigungen ins Gefängnis ging, andere einen Berufsquerulanten.

In Stuttgart hat ihr Betreuer ihre Einsprüche zur OB-Wahl nicht genehmigt, sie hat trotzdem Klage angekündigt. Und dreht die Argumentation jetzt um: "Ich war geschäftsunfähig und hätte nicht antreten dürfen. Die Wahl ist nichtig."

Die Dauerkandidatin ist auch Dauerklägerin. Makurath sagt dazu: "In der Praxis hatte das in einer Vielzahl von Fällen die Folge, dass die meist mit sehr deutlicher Mehrheit gewählten Bürgermeister/-innen das Amt bis zur Klärung nicht antreten oder nicht vollständig ausfüllen konnten."

Solche Verzögerungen und Reibungen schadeten den Kommunen und die Aussicht darauf könne sogar andere Bewerber von einer Kandidatur abschrecken, so der Präsident der baden-württembergischen Rathauschefs.

Böblingen verweist auf laufendes Verfahren

Wenn Böblingen, wo Miller ihren Wohnsitz hat, keine Wählbarkeitsbescheinigung mehr ausstellt, müssen die Bürgermeister diese Furcht nicht mehr haben. Böblingens Stadtverwaltung tut sich schwer mit Angaben: Ja, ein Verfahren sei aktuell in der Prüfung, das mit der Änderung von § 46 Gemeindeordnung zusammenhänge. Wegen datenschutzrechtlichen Erwägungen könne die Stadt keine inhaltlichen Aussagen abgeben.

Und "Fridi" Millers endloser Wahlkampf wäre doch vorbei. Nicht mal für die Bundestagswahl habe sie die Wählbarkeitsbescheinigung bekommen. Klagen will sie natürlich. Und aufgeben natürlich nicht: "Ich werde weiterhin Öffentlichkeit schaffen für meine Themen. Dann eben über meine YouTube-Videos und über Facebook."

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