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Peter Taubers Vorstoß zu Art. 18 GG: Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten


Verwirken von Grundrechten
Eine Ratlosigkeit, die gefährlich ist

MeinungEin Gastbeitrag von S. Leutheusser-Schnarrenberger

Aktualisiert am 19.06.2019Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Peter Tauber: Der ehemalige CDU-Generalsekretär wird nach seinem Vorschlag, Demokratiefeinden die Grundrechte zu entziehen, stark kritisiert.Vergrößern des Bildes
Peter Tauber: Der ehemalige CDU-Generalsekretär wird nach seinem Vorschlag, Demokratiefeinden die Grundrechte zu entziehen, stark kritisiert. (Quelle: t-online.de/imago-images-bilder)

Der CDU-Politiker Peter Tauber will Rechtsextremen Grundrechte entziehen. Das ist eine gefährliche Idee. Sie zeigt, wie ratlos die Regierung ist – die echte Reformen verschleppt.

Die Tatsache, dass die ermittelnde Bundesanwaltschaft zurzeit von einem rechtsextremistischen Hintergrund ausgeht, erschreckt die Republik. Schlagartig sind die Terroranschläge des NSU wieder präsent: Wurden tatsächlich die Lehren und Konsequenzen aus der NSU gezogen? Sind rechtsterroristische Netzwerke weiterhin aktiv und bereit, politische Amtsträger zu ermorden?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, 67 Jahre alt, ist seit 1978 Mitglied der FDP. Sie war von 1992 bis 1996 sowie von 2009 bis 2013 Bundesministerin der Justiz. Derzeit ist sie unter anderem Antisemitismus-Beauftragte in Nordrhein-Westfalen und stellvertretende Vorsitzende der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Die ersten politischen Reaktionen auf den Mord an Walter Lübcke zeugen von einer Ratlosigkeit, die gefährlich ist. Peter Tauber, der frühere CDU-Generalsekretär, fordert, dass Verfassungsfeinden das Recht auf Meinungsäußerung entzogen wird.

Immerhin ist Peter Tauber heute Parlamentarischer Staatssekretär, also Teil der Bundesregierung. Ist das also das richtige Signal, wenn ein Regierungsvertreter von der Verwirkung der Grundrechte spricht?

Eine repräsentative Umfrage des Allensbach-Instituts hat gerade erst ergeben, dass 63 Prozent der Meinung sind, es gebe ungeschriebene Gesetze, die die Meinungsfreiheit einschränken und vorgeben, welche Meinungen akzeptiert würden und welche nicht.

Demnach seien 88 Prozent davon überzeugt, dass man seine Meinung in der Öffentlichkeit nicht frei äußern könne, ohne gegebenenfalls mit negativen Folgen rechnen zu müssen.

Reform der Sicherheitsarchitektur steht noch immer aus

Selbstverständlich müssen gewalttätige Rechtsextremisten die volle Härte des Gesetzes erfahren. Daneben muss aber die Regierung liefern – Beispiel NSU. Trotz der Pannenserie ist es nicht gelungen, den Verfassungsschutz in Bund und Ländern umzubauen. Immer noch gibt es ein unendliches Kompetenz-Wirrwarr zwischen Bund und Ländern, Polizeien und Verfassungsschutzämtern und eingerichteten zahlreichen Zentren. Eine Reform der Sicherheitsarchitektur hat nicht einmal im Ansatz angefangen, trotz Vorschlägen, die Regale füllen.

Deswegen warne ich vor einer schlichten Rhetorik. Die Botschaft, dass die Grundrechte nach Art. 18 entzogen werden können – wozu ausschließlich das Bundesverfassungsgericht zuständig ist – gießt Wasser auf die Mühlen von Rechtspopulisten. Sie sind es gerade, die von Systemmedien, Lügenpresse reden und unterstellen, überall lauere die Zensur.

"Das wird man ja wohl noch sagen dürfen" ist zu einem Schlachtruf der Rechtspopulisten geworden, der die verzerrte Wahrnehmung auf den Punkt bringt.

Wachsende Radikalisierung gefährdet unsere Demokratie

Völlig kontraproduktiv wird der Vorschlag von Peter Tauber dann, wenn Rechtspopulisten sich weiter radikalisieren. Schließlich lauert hier die größte Gefahr für unsere Demokratie.

Noch ist unklar, ob der Tatverdächtige Stefan E. Mittäter hatte oder die regelrechte Hinrichtung Walter Lübckes gar als Teil einer rechtsextremistischen Vereinigung ausführte. Bekannt ist jedoch, dass er bereits seit den Achtziger Jahren der rechtsextremen Szene zugeordnet wird, Kontakte zu militanten Neonazi-Gruppierungen hielt und bereits mehrfach auf- und straffällig geworden ist.

Zudem war der NSU auch in Kassel aktiv und ermordete dort den Internetcafé-Inhaber Halit Yozgat im April 2006. Besonders dubios war damals auch die Anwesenheit eines Mitarbeiters des Hessischen Verfassungsschutzes, die später Untersuchungsausschüsse und Gerichte beschäftigte.

Erika Steinbachs Rolle ist ein Skandal

Viel kann nun zu den Hintergründen der Tat spekuliert werden. Viel wichtiger ist ein klarer Blick und eine ehrliche Bestandsaufnahme des rechtsextremistischen Problems. Seit Jahren warnen Experten und weisen auf Missstände in Erkennung und Prävention entsprechender Entwicklungen hin. Die Kriminalitätsstatistiken weisen höhere Fallzahlen auf, der Dunkelbereich dürfte noch deutlich größer sein.

Rechtspopulisten hetzen und haben es ganz offenbar geschafft, ein gesellschaftliches Klima zu erzeugen, das Täter dazu ermutigt, loszuschlagen. Die Rolle von Erika Steinbach, die die in rechtsextremen Kreisen umstrittenen Äußerungen Lübckes aus dem Jahr 2015 zur Flüchtlingskrise im Februar 2019 wieder hervorholte und über die sozialen Medien spielte, ist ein Skandal. Attentäter wie Frank S., der 2015 dem Anschlag auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker verübte, entstehen in einem Klima der Hetze und des Hasses.


An uns Demokraten liegt es, gemeinsam, Hetze und Hass zu bekämpfen. Und für unsere Werte jeden Tag zu werben.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten spiegeln die Meinung der Autorin wider und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online.de-Redaktion.

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