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Nach Thüringen-Wahl: Kemmerich ernennt vorerst keine Minister – FDP und CDU unter Druck


Wahl-Eklat in Thüringen
Kemmerich ernennt vorerst keine Minister – FDP und CDU unter Druck

Von dpa, aj, nhr

Aktualisiert am 06.02.2020Lesedauer: 4 Min.
Thomas Kemmerich (FDP): Überraschender Sieg für Thüringens neuen Ministerpräsidenten.Vergrößern des BildesThomas Kemmerich (FDP): Überraschender Sieg für Thüringens neuen Ministerpräsidenten. (Quelle: Martin Schutt/dpa)
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Thomas Kemmerich ist überraschend zum Ministerpräsidenten in Thüringen gewählt worden. Nun will er CDU, SPD und Grüne zu Gesprächen einladen. Minister will der FDP-Mann allerdings zunächst nicht ernennen.

Nach der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten hat Thüringen zunächst keine Minister mehr. Die eigentlich geplante Ernennung und Vereidigung von Ministern wurde am Mittwoch abgesagt, neue Amtsträger wurden noch nicht ernannt. "Es gab ein Schreiben von Herrn Kemmerich an die Staatssekretäre, die Geschäfte bis auf Weiteres weiterzuführen", sagte ein Sprecher der FDP-Fraktion am Mittwoch. Die Minister aber bleiben nicht geschäftsführend im Amt, sie sind mit der Wahl des neuen Ministerpräsidenten ihre Posten los.

Nach Angaben einer bisherigen Sprecherin der Staatskanzlei seien auch Mitarbeiter, die zuvor noch unter dem bisherigen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) gearbeitet hätten, noch in der Regierungszentrale tätig. "Es wird einen geordneten Übergang geben", sagte die Regierungssprecherin.

Die Führung der einzelnen Ministerien der Landesregierung übernehmen nach Angaben der Regierungssprecherin unterdessen die Staatssekretäre der jeweiligen Häuser. Als politische Beamte seien sie nicht Teil der Landesregierung und damit mit der Neuwahl des Ministerpräsidenten – anders als die Minister – auch nicht von ihren Aufgaben entbunden worden.

Überraschender Wahlsieg – Thüringer CDU unter Druck

Die Thüringer CDU gerät nach der Wahl des Ministerpräsidenten mithilfe der AfD massiv unter Druck. Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer drohte den Parteifreunden in Erfurt mit Konsequenzen, falls sie mit dem neuen Regierungschef Thomas Kemmerich (FDP) zusammenarbeiten sollten. "Dieser Ministerpräsident hat keine parlamentarische Mehrheit, er muss sich immer auf der AfD abstützen", sagte sie im ZDF. Insofern wäre eine Zusammenarbeit mit Kemmerich ein Verstoß gegen die Parteilinie, die jede Kooperation mit der AfD ausschließe – "mit den entsprechenden Folgen".

Kemmerich war am Mittwoch im Thüringer Landtag überraschend mit den Stimmen von Liberalen, CDU und AfD zum Regierungschef gewählt worden. Der Kandidat der FDP, die im Herbst nur knapp den Sprung in den Landtag geschafft hatte, setzte sich gegen den bisherigen Regierungschef Bodo Ramelow von den Linken durch. Es war das erste Mal, dass die AfD einem Ministerpräsident ins Amt half. Das rief bei SPD, Grünen, Linken, aber auch bei CDU und CSU massive Empörung hervor. Kemmerich will nun eine Minderheitsregierung mit CDU, SPD und Grünen bilden. SPD und Grüne haben aber bereits abgesagt.

Die Thüringer CDU erklärte sich am Mittwochabend trotzdem zu Gesprächen mit Kemmerich bereit. "Voraussetzung dafür ist aber, dass jede Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen sein muss", betonte CDU-Generalsekretär Raymond Walk nach einer Sitzung des Landesvorstandes. Die CDU-Bundesspitze fordert dagegen eine Neuwahl in Thüringen. "Und ich finde, es wäre richtig, wenn dieser Ministerpräsident zurücktreten würde", sagte Kramp-Karrenbauer.

Merkel hält heute eine Pressekonferenz

Die Bundeskanzlerin wurde am Mittwoch von dem Wahl-Eklat in Thüringen auf einer Reise nach Südafrika überrascht. Angela Merkel wollte die Vorgänge während des Fluges zunächst nicht kommentieren. Sie äußerte sich dann während einer Pressekonferenz am Donnerstagvormittag in Pretoria zu den Vorgängen und nannte die Wahl Kemmerichs "unverzeihlich". Sie forderte, dass die Wahl rückgängig gemacht werde. Neuwahlen seien eine Option.

Die Entwicklung in Thüringen belastet auch die große Koalition in Berlin. Die SPD wertet die Wahl mit Stimmen der AfD als "Dammbruch" und verlangt ein Machtwort von Kramp-Karrenbauer. Für Samstag wurde kurzfristig ein Treffen des Koalitionsausschusses angesetzt. Die Thüringer SPD forderte die Parteispitze auf, die große Koalition in Berlin aufzukündigen, "wenn keine unmissverständliche Klärung des Verhältnisses der Bundes-CDU zur AfD erfolgt und daraus Konsequenzen bei der CDU Thüringen erfolgen".

Lindner erklärt: FDP verhandelt nicht mit AfD

In Bedrängnis gerät allerdings auch die FDP, der Kurs der Liberalen in Thüringen ist auch intern umstritten. Die Parteispitze in Schleswig-Holstein forderte den Rücktritt Kemmerichs und Neuwahlen. Ähnlich äußerte sich der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Alexander Graf Lambsdorff. Der rheinland-pfälzische FDP-Chef Volker Wissing twitterte: "Einen Ministerpräsidenten von Gnaden der AfD kann und darf es nicht geben. Wenn demokratische Kräfte die Zusammenarbeit ablehnen, braucht Thüringen Neuwahlen."

Parteichef Lindner erklärte: "Die FDP verhandelt und kooperiert nicht mit der AfD." An CDU, SPD und Grüne appellierte Lindner, das Gesprächsangebot Kemmerichs anzunehmen. Sollten sich diese "fundamental verweigern, dann wären baldige Neuwahlen zu erwarten und aus meiner Sicht auch nötig".

Bundesweite Proteste

Aus Protest gegen die Wahl gingen am Mittwochabend deutschlandweit mehrere Tausend Menschen auf die Straße. In Berlin bekundeten Hunderte Demonstranten vor den Parteizentralen von FDP und CDU ihren Unmut. Dazu aufgerufen hatten verschiedene linke Gruppen.

Vor der Thüringer Staatskanzlei versammelten sich etwa 1.000 Menschen und bildeten eine Menschenkette. Einige skandierten: "Wer hat uns verraten? Freie Demokraten!" und "Nicht mein Ministerpräsident!" Vor dem Eingang des Gebäudes brannten Kerzen, Demonstranten hielten ein Transparent "FDP und CDU: Steigbügelhalter des Faschismus".

Am frühen Donnerstagnachmittag gab Kemmerich bekannt, dass der Landtag aufgelöst werden soll. Löst das Parlament sich nicht auf, will er die Vertrauensfrage stellen. Die FDP-Fraktion will so Neuwahlen erwirken.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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