Mehr als eine Million Senioren sollen Grundrente bekommen

Berlin (dpa) - Die Renten von rund 1,3 Millionen Menschen mit kleinen BezΓΌgen sollen ab kommendem Jahr aufgebessert werden. Nach monatelangem Streit beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch dafΓΌr den Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Grundrente.
Wer mindestens 33 Jahren BeitrΓ€ge fΓΌr BeschΓ€ftigung, Erziehung oder Pflege geleistet hat, soll davon profitieren kΓΆnnen. Im Startjahr 2021 soll die Grundrente die Steuerzahler 1,3 Milliarden Euro kosten.
Die maximale HΓΆhe des Aufschlags soll laut Arbeitsministerium bei mehr als 400 Euro liegen. Im Schnitt betrΓ€gt sie 83 Euro. Damit die PlΓ€ne Gesetz werden, mΓΌssen Bundestag und Bundesrat noch zustimmen.
Heil sprach von der wohl grΓΆΓten sozialpolitischen Reform dieser Legislaturperiode. LeistungstrΓ€ger verdienten nach Jahren harter Arbeit zu geringem Lohn "mehr als warme Worte". Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) machten bei einem gemeinsamen Auftritt mit Heil den "breiten Konsens in der CDU" zum dem Kompromiss deutlich, wie Spahn sagte. "Es ist ein Baustein, der in unserem Sozialstaat noch gefehlt hat", betonte Seehofer.
Bereits im vergangenen FrΓΌhjahr hatte Heil PlΓ€ne fΓΌr die Grundrente vorgelegt. Der Union gingen diese zu weit. Γber Monate stritten und verhandelten die Koalitionspartner. Dabei ging es vor allem darum, ob es eine BedΓΌrftigkeitsprΓΌfung geben soll. Nicht geprΓΌft werden soll nun das VermΓΆgen mΓΆglicher Grundrentenbezieher - aber ihr Einkommen.
Den vollen Aufschlag erhΓ€lt nur, wer als Rentner maximal 1250 Euro pro Monat verdient. Bei Ehepaaren und Lebenspartnern liegt die Grenze bei 1950 Euro. Bei Einkommen ΓΌber dieser Grenze sinkt die Grundrente.
"Uns war es wichtig, dass die Grundrente mΓΆglichst zielorientiert genau diejenigen erreicht, die lang und viel in ihrem Leben gearbeitet haben und trotzdem zu oft nicht ΓΌber die Runden kommen", sagte Spahn. Er rΓ€umte ein, mit den PrΓΌfungen sei auch Aufwand verbunden. Heil betonte, die geplante automatische Γbermittlung von Daten der FinanzΓ€mter an die Rentenversicherung solle schnell aufgebaut werden. Die Grundrente solle am 1. Januar starten kΓΆnnen. Die Deutsche Rentenversicherung meldete Zweifel an dem Zeitplan an: Der Aufwand fΓΌr PrΓΌfungen und Ermittlungen sei erheblich.
Den Gewerkschaften und SozialverbΓ€nden gehen die PlΓ€ne nicht weit genug, die Arbeitgeber lehnten sie ab. Der IG-Metall-Chef JΓΆrg Hofmann sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Grundrente schiebe der "himmelschreienden Ungerechtigkeit" kleiner Renten nach langer Arbeit einen Riegel vor. "Die Ursache fΓΌr Altersarmut wird damit aber nicht beseitigt, nΓ€mlich niedrige LΓΆhne." DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sprach von einem "akzeptablen Kompromiss".
ArbeitgeberprΓ€sident Ingo Kramer kritisierte, der Beschluss helfe nicht gezielt gegen Altersarmut. Die Chefin des Verbands Die Jungen Unternehmer, Sarna RΓΆser, sagte der dpa: "Es ist unverantwortlich, dass immer mehr Lasten auf die Schultern der Beitrags- und Steuerzahler und der jungen Generation abgeladen werden."
Die Diakonie lobte hingegen: "Vielen Rentnerinnen und Rentnern bleibt zukΓΌnftig der Gang zum Sozialamt erspart." Die PrΓ€sidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, forderte aber, dass schon nach 30 Jahren mit BeitrΓ€gen Grundrente flieΓt. Der Sozialverband Deutschland verlangte zudem, Zeiten der Arbeitslosigkeit zu berΓΌcksichtigen.
Kritik kam auch aus der Opposition. Von einem "bΓΌrokratischen und stumpfen Schwert im Kampf gegen Armutsrenten" sprach der Linken-Rentenexperte Matthias W. Birkwald. Der FDP-Politiker Johannes Vogel kritisierte zudem Ungerechtigkeiten: Bei der EinkommensprΓΌfung werde zwischen verheirateten und unverheirateten Paaren unterschieden.
Spahn und andere Unionspolitiker pochten darauf, nun mΓΌsse die zur Finanzierung geplante Finanztransaktionssteuer realisiert werden. Ein Sprecher von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) betonte, "dass wir sehr zuversichtlich sind, dass sie kommt".
Im Gesetzespaket zur Grundrente sind auch Regeln enthalten, die Menschen mit besonders geringem Lohn AltersbezΓΌge ΓΌber der Grundsicherung bringen sollen. So soll es einen Freibetrag in der Grundsicherung von maximal 216 Euro fΓΌr jene geben, die 33 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt, aber besonders wenig verdient haben.