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Corona-Infektionen in Deutschland: Ist die Lage jetzt schlimmer als im März?


Rekord bei Neuinfektionen
Ist die Corona-Lage jetzt schlimmer als im März?


Aktualisiert am 15.10.2020Lesedauer: 8 Min.
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Ein Corona-Testzentrum in Deutschland: Sollte die Corona-Lage im Winter weiter eskalieren, werden weitere Krisentreffen nötig sein.Vergrößern des Bildes
Ein Corona-Testzentrum in Deutschland: Sollte die Corona-Lage im Winter weiter eskalieren, werden weitere Krisentreffen nötig sein. (Quelle: Fabrizio Bensch/reuters)

Mehr Corona-Infizierte als im Frühjahr – doch was bedeutet das für uns? Wie sieht die Situation in den Kliniken aus? Was ist mit der Wirtschaft? Und haben wir aus unseren Fehlern gelernt? Ein Überblick.

Sechstausendsechshundertachtunddreißig. So viele Corona-Neuinfektionen wurden am Donnerstag in Deutschland gemeldet – es waren mehr als jemals zuvor. Und damit auch mehr als am 28. März, als 6.294 Neuinfizierte gemeldet wurden, nur wenige Tage nach einer Fernsehansprache von Angela Merkel, in der die Kanzlerin einen teilweisen Lockdown des Landes verkündet hatte. Und auch mehr als am 2. April, als es den letzten Rekordwert mit 6.554 Fällen gab und sich das Land bereits in einem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Dornröschenschlaf befand.

6.638 neue Falle – der Rekordwert kommt als Eilmeldungsgewitter in den Nachrichten daher, nur einen Tag, nachdem Merkel und die Ministerpräsidenten der Bundesländer in einer Marathonsitzung neue Maßnahmen für die Bevölkerung verabschiedet haben. Anders als im März soll ein Lockdown der Gesellschaft und der Wirtschaft mit allen Mitteln verhindert werden. Bund und Länder einigten sich auf konkrete Maßnahmen für Corona-Hotspots.

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Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) bezeichnete die Vereinbarungen als wichtigen Schritt. "Aber sie werden nicht ausreichen", unterstrich er. Braun sprach von einer "enormen Infektionsdynamik". Deutschland stehe am Beginn einer "sehr großen zweiten Welle", sagte er in der ARD.

Doch wie schlimm ist diese zweite Welle wirklich? Was hat Deutschland aus der ersten Hochphase der Pandemie gelernt? Was hat sich seitdem geändert – in Politik und Gesellschaft?

Die Politik: Von Hauruck-Maßnahmen zum Flickenteppich und zurück?

Irgendwann in der achtstündigen Verhandlung mit den Länderchefs hat die Kanzlerin genug: "Das reicht nicht", soll sie dem Vernehmen nach gesagt haben – und meinte damit die bis dato gefundenen Lösungen zur Bekämpfung der Pandemie. Es war ein zähes Ringen um Kompromisse mit den Länderchefs.

Im Frühjahr sah das noch anders aus: Da war es Merkel, die trotz Föderalismus die Marschroute in der Corona-Krise vorgegeben hatte. Meist im Wochentakt gab es neue Beschränkungen – am Ende stand der teilweise Lockdown Ende März. Diese Art der Politik ändert sich erst, als mit dem Sommer die Fallzahlen sanken und die Länderchefs selbst bestimmen wollten, was künftig zu tun oder zu unterlassen sei. In Deutschland entstand ein Flickenteppich an Maßnahmen – und mit jedem lokalen Ausbruch wie etwa in Fleischfabriken in Gütersloh oder in Hochhäusern in Berlin-Neukölln wurde die Lage im Land unübersichtlicher.

Mit den jetzt verabschiedeten Maßnahmen ändert sich das wieder. Die Kanzlerin gibt den Kurs vor, die Länder folgen fast ohne Ausnahme. (Warum das Bund-Länder-Treffen am Mittwoch daher auch als geheimer Sieg von Merkel angesehen werden kann, lesen Sie hier.)

Doch ein Vergleich zu den Maßnahmen im Frühjahr sind die aktuellen Beschlüsse nicht. In Hotspots gilt jetzt:

"Im Grundsatz ist eigentlich, was wir sagen müssten: Bleiben Sie zu Hause – so wie wir es im März/April hatten. Jetzt ist nicht die Zeit für Reisen", konstatierte auch Kanzleramtschef Braun nach den Gesprächen. Nun komme es auf die Bevölkerung an, hob er hervor. Die Deutschen müssten "sehr viel vorsichtiger" werden. Im Grunde müssten nun alle Kontakte halbiert werden, um die Pandemie einzudämmen. Ähnlich äußerte sich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Er forderte zugleich mehr Achtsamkeit bei privaten Feiern, bei denen es zuletzt verstärkt Ansteckungen gegeben habe. "Wenn wir gemeinsam aufeinander acht geben", dann seien auch keine weiteren Maßnahmen nötig.

Fazit: Die Politik hat verstanden, dass ein Flickenteppich an Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg bringt. Doch Kompromisse finden Bund und Länder weiterhin nur in Extremsituationen. Sollte die Corona-Lage im Winter weiter eskalieren, werden weitere Krisentreffen und eine noch klarere Führung der Bundesregierung nötig sein.

Die Akzeptanz in der Bevölkerung: Viel Zustimmung trotz Maskenmuffeln

Reise- und Beherbergungsverbote, Quarantäne- und Maskenpflicht, Zuschauerlimit bei Veranstaltungen: Egal, welche Corona-Maßnahme in diesem Jahr von der Politik getroffen wurde, der größte Teil der Bevölkerung trug sie mit. Das war im Frühjahr so und hat sich auch in aktuellen Umfragen nicht geändert: So waren laut ARD-"Deutschlandtrend" von Anfang Oktober 63 Prozent der Befragten für eine Ausweitung der Maskenpflicht, 85 Prozent für Beschränkungen bei Feiern und Partys.

Auch die Zufriedenheit mit der Politik ist laut einer Langzeiterhebung des Meinungsforschungsinstituts Civey für t-online nach wie vor hoch – auch wenn bereits ein leichter Umkehrtrend zu erkennen ist (Mehr dazu lesen Sie hier). Rekord-Zustimmungswerte wie im April hat die Union nicht mehr, doch immer noch würden laut aktueller Insa-Umfrage für "Bild" 35 Prozent der Wähler ihr Kreuz für die CDU oder die CSU machen. Auch das lässt sich als grundlegende Akzeptanz der Bevölkerung mit der Corona-Politik interpretieren.

Doch es gibt auch eine andere Seite: Mehrere Zehntausend Menschen kamen in den Sommermonaten zu Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen zusammen. Es handelte sich dabei um ein Sammelbecken aus Corona-Leugnern, generellen Regierungskritikern, aber auch um Menschen, deren Lebensgrundlage durch die politischen Maßnahmen gefährdet wurden. Und auch wenn viele Menschen den Kurs der Politik befürworten, gibt es nicht wenige, die wichtige Maßnahmen ignorieren: Das zeigen illegale Partys in Berlin und München oder Fantasienamen auf Kontaktverfolgungsunterlagen in Hamburg.

Damit wird auch klar: Die Stimmung aus dem Frühjahr, als fast jeder Bürger auf unnötige Kontakte verzichtete und die Mobilität im Land praktisch zum Erliegen kam, ist vorbei. Dazu passt eine aktuelle Erhebung zu Maskenmuffeln von der Bundespolizei: Die hat binnen eines Monats mehr als 71.000 Mal Reisende wegen Verstoßes gegen die Maskenpflicht ermahnt.

Von Mitte September bis Mitte Oktober seien 71.233 derartige Fälle an Bahnhöfen und in Zügen registriert worden, berichtet die Funke Mediengruppe unter Berufung auf Zahlen der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Der stellvertretende GdP-Chef Jörg Radek sagte den Zeitungen, bisher herrsche "bei einem Großteil der Bürger viel Einsicht und Akzeptanz für die Corona-Maßnahmen". Es sei aber zu erwarten, "dass gerade bei einer Verschärfung von Sperrstunden und Maskenpflicht die Uneinsichtigkeit zunimmt".

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Fazit: Die Bevölkerung steht weiterhin hinter den Corona-Maßnahmen. Doch anders als im Frühjahr gibt es nicht mehr die unangefochtene Unterstützung für die Politik. Zum Teil lässt sich das mit der ruhigen Corona-Lage im Sommer begründen, in der es lange Zeit so aussah, als würde das Virus aus Deutschland verschwinden. Die Politik muss ihre Maßnahmen nun noch besser begründen. Sonst könnte die Stimmung weiter kippen.

Wirtschaft: Die Angst vor dem Total-Kollaps

Die deutschen Ökonomen waren sich eigentlich sicher: Mit der Wirtschaft geht es wieder aufwärts – langsam, aber es wird. Doch ob die Erholung so fortgesetzt werden kann, steht inzwischen wieder in den Sternen. Denn eine mögliche zweite Welle ist in den Wirtschaftsprognosen nur ansatzweise eingerechnet.

Klar ist: Die Wirtschaft hat sich ebenso wie die Menschen auf das Virus eingestellt. Maskenpflicht im Büro oder im Werk, Abstandsregeln, Homeoffice. Viele Firmen nutzen Kurzarbeit, weshalb sie keine oder wenige Arbeitsplätze abbauen mussten. Das Instrument wurde bis Ende 2021 verlängert. Zudem hat der Bund mit seinem 130-Milliarden-Konjunkturpaket wirtschaftliche Anreize gesetzt. Die Mehrwertsteuersenkung etwa gilt bis Jahresende.

Momentan schwelt jedoch die Angst vor einem zweiten Corona-Lockdown. Die Sorge ist allerdings recht unbegründet. Dass etwa Friseure oder Geschäfte schließen müssen, hält auch Gesundheitsminister Spahn (CDU) für unwahrscheinlich. Man wisse mittlerweile, "wie wir gut etwa im Einzelhandel im Regelbetrieb damit umgehen können, vor allem wenn wir Masken tragen und Abstand halten, ohne dass es zu Einschränkungen kommt", sagte er Anfang September.

Auch wenn es keinen zweiten Lockdown gibt: Bestimmte Branchen werden trotzdem stark leiden – etwa Kneipen, Eventveranstalter, Hotels oder Reiseanbieter. Mit der Absage von Festen wie dem Kölner Karneval oder dem Münchner Oktoberfest fällt ihnen viel Umsatz weg – angesichts steigender Zahlen und Einschränkungen für Feiern sind die Aussichten hier äußerst trüb.

Gerade die Luftfahrt- und Tourismusbranche wird aber darunter leiden, wenn die Corona-Zahlen im (europäischen) Ausland weiter steigen. Schon jetzt kürzen die Airlines ihre Winterflugpläne wieder zusammen. Und steigende Infektionszahlen im Ausland könnten auch die deutsche Exportwirtschaft empfindlich treffen, weil Lieferketten wieder unterbrochen werden könnten – mit schweren Folgen für die heimische Industrie.

Fazit: Wirtschaftlicher Aufschwung klappt nur, wenn die Infektionen in Deutschland und mindestens in den europäischen Nachbarstaaten zurückgehen. Ansonsten könnte es passieren, dass die Milliarden einfach verpuffen, die der Bund mit seinem Konjunkturpaket und den Hilfsprogrammen in die Wirtschaft pumpt. In diesem Fall würde sich die Rezession in Deutschland verfestigen.

Wie ist die Lage auf den Intensivstationen?

Infektionszahlen, Ansteckungsraten und Reproduktionszahlen bestimmen, wie es um die Corona-Lage in Deutschland steht. Eine weitere wichtige Komponente ist die Frage, wie viele Covid-Patienten so schwer erkranken, dass sie in eine Klinik oder sogar auf die Intensivstation müssen und wie viele Betten derzeit zur Verfügung stehen. Deshalb gibt es das sogenannte DIVI-Intensivregister, in dem die Kapazitäten der Intensivstationen in Deutschland registriert werden. Das Register wird von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sowie dem Robert Koch-Institut aktuell gehalten. Wie ist die Lage momentan im Vergleich zum Frühjahr?

Aktuell (Stand: 14. Oktober 2020) sind 602 Menschen wegen einer Covid-19-Erkrankung in intensivmedizinischer Behandlung, mehr als die Hälfte von ihnen muss invasiv beatmet werden. Insgesamt wurden seit dem Frühjahr rund 18.400 Menschen mit Covid-19 auf Intensivstationen behandelt, 23 Prozent der Patienten sind jedoch verstorben. Insgesamt sind momentan fast 21.500 Intensivbetten in Deutschland belegt, rund 8.700 sind noch frei. Hinzu kommt eine sogenannte "Notfallreserve" von mehr als 12.000 Betten.

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Im Vergleich: Am 18. April gab es mit 2.922 Fällen die bisher höchste Zahl an Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen. 75 Prozent von ihnen mussten beatmet werden und 30 Prozent der Intensivpatienten sind an Covid-19 gestorben. Im April waren insgesamt nur rund 17.700 Intensivbetten in Deutschland belegt und noch 12.300 frei.

Allerdings muss beim Vergleich der Zahlen auch bedacht werden, dass im Frühjahr vor allem ältere Menschen an Covid-19 erkrankt sind, während momentan immer noch vor allem Jüngere betroffen sind, die meist leichtere Verläufe haben. Doch das Robert Koch-Institut warnt: Seit Anfang September steigt der Anteil der älteren Altersgruppen wieder an. Damit ist auch wieder mit mehr Intensivpatienten und mehr Todesfällen zu rechnen.

Fazit: Momentan ist die Zahl der Intensivbetten vor allem durch geschaffene Notfallkapazitäten ausreichend. Steigen die Zahlen der Corona-Patienten – vor allem unter den Älteren – weiter stark an, ist jedoch auch mit deutlich mehr Intensivpatienten zu rechnen, sodass das System überlastet werden könnte.

Gibt es jetzt wirklich mehr Infizierte als im Frühjahr? So ist die Corona-Testsituation

Angesichts der derzeit wieder rasant nach oben schnellenden Neuninfektionen stellt sich die Frage: Infizieren sich seit dem Spätsommer wirklich wieder deutlich mehr Menschen? Oder sind die steigenden Infektionszahlen schlicht ein Ergebnis der stark ausgeweiteten Corona-Tests? Mit hundertprozentiger Sicherheit lässt sich diese Frage zwar nicht beantworten. Es deuten aber einige Fakten darauf hin, dass die ausgedehnte Teststrategie nicht die alleinige Erklärung ist.

Klar ist, dass seit Beginn der Pandemie in Deutschland die Zahl der Tests stark gestiegen ist: Laut Robert Koch-Institut gab es Anfang April gut 408.000 Testungen. Die Quote der Positiven Tests lag bei 9,03. Zum Vergleich: Mitte Oktober gab es gut 1.167.000 Testungen, von denen 2,48 Prozent positiv ausfielen.

Trotz der breiteren Testungen bleibt jedoch auffällig, dass die 7-Tage-Inzidenz, also die Neuinfektionen der letzten sieben Tage pro 100.000 Einwohner, derzeit schnell steigt: Sie liegt dem RKI zufolge aktuell deutschlandweit bei knapp 30 Fällen pro 100.000 Einwohnern. Nachdem sich die Fallzahlen Ende August und Anfang September zeitweise kaum änderten, sei aktuell in mehreren Bundesländern ein weiterer Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung zu beobachten. Auch bei der Reproduktionszahl R – also der Anzahl der Personen, die im Durchschnitt von einer infizierten Person angesteckt werden – ist seit Ende September ein steigender Trend zu beobachten: Mitte Oktober lag dieser R-Wert bei knapp 1,2 – im April, als bundesweit die bisher höchste Zahl an Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen behandelt wurde, hingegen bei durchschnittlich etwa 0,9.

Fazit: Dass die Zahl der Übertragungen zurzeit wieder stark ansteigt, zeigt, dass Vorsicht und Hygienemaßnahmen weiter sehr wichtig bleiben.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material von dpa, Reuters
  • ZDF: Politik-Barometer
  • Robert Koch-Institut: Situationsbericht, 14.10.2020
  • DIVI-Zentralregister: Tagesbericht, 14.10.2020/Tagesbericht 18.04.2020
  • Robert Koch-Institut: Tabellen zu Testzahlen, Testkapazitäten und Probenrückstau pro Woche
  • Robert Koch-Institut: Erfassung der SARS-CoV-2-Testzahlen in Deutschland
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