Affäre um Schrottmasken Spahn schwer unter Beschuss – Ministerium wehrt sich
In der neuen Maskenaffäre gerät Gesundheitsminister Jens Spahn immer stärker unter Druck. Der Koalitionspartner fordert Konsequenzen, sein Ministerium geht hingegen in die Offensive.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) steht nach einem Medienbericht über fragwürdige Vorgänge rund um die massenhafte Beschaffung von minderwertigen Corona-Schutzmasken im vergangenen Jahr massiv in der Kritik. Sowohl der Koalitionspartner SPD als auch die Opposition werfen dem Minister schweres Fehlverhalten vor. Der SPD-Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans forderte in der "Bild am Sonntag" CDU-Chef Armin Laschet auf, Spahn von seinem Posten zu entbinden. Grüne und FDP forderten sofortige Aufklärung. Das Gesundheitsministerium verteidigte Spahns Vorgehen am Samstag.
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Hintergrund ist ein "Spiegel"-Bericht vom Freitag. Demnach hatte das Bundesgesundheitsministerium im Frühjahr 2020 für schätzungsweise eine Milliarde Euro unbrauchbare Masken gekauft. Diese seien – auch nach den damals geltenden Sonderregeln der EU – nicht frei verkehrsfähig gewesen und hätten daher vor ihrem Einsatz im Labor überprüft werden müssen. Das Gesundheitsministerium habe zwischenzeitlich vorgehabt, solche Masken an Obdachlose, Behinderte oder Hartz-IV-Empfänger zu verteilen, berichtete das Magazin weiter. Das für die Maskensicherheit zuständige Arbeitsministerium unter SPD-Führung habe dem seine Zustimmung verweigert.
"Unwürdig und menschenverachtend"
Nunmehr sollten die Masken in der Nationalen Reserve Gesundheitsschutz eingelagert und nur in einem Katastrophenfall ausgegeben werden. Mit Eintritt des Verfallsdatums sollten die Masken vernichtet werden.
"Es ist unwürdig und menschenverachtend, wenn ein Gesundheitsminister Menschen in zwei Klassen einteilt, nämlich die mit Anspruch auf qualitätsgeprüfte Masken und die, für die absolut untaugliche Masken gut genug sind, um ihr Leben eben nicht zu schützen", sagte Walter-Borjans der "BamS". "Wenn das einem Minister der SPD einfiele, wüssten wir, was zu tun ist." Er forderte Laschet auf, zu überdenken, ob dieses "skandalöse Vorgehen von Jens Spahn für eine Partei mit einem christlichen Etikett noch tragbar ist".
SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken warf Spahn im "Tagesspiegel" (Sonntagsausgabe) eine "beispiellose Verachtung" für Teile der Gesellschaft vor und forderte indirekt den Rücktritt des Ministers: "Mit dieser menschenunwürdigen Haltung hat man in der Politik nichts verloren."
Die Linken-Vorsitzende Janine Wissler nannte das Verhalten des Gesundheitsministeriums im "Spiegel" "menschenverachtend und abgründig". Ein Minister, der bereit sei, diese vulnerablen Gruppen bewusst zu gefährden, "ist nicht tragbar".
"Inakzeptables Menschenbild"
Auch FDP-Fraktionsvize Michael Theurer äußerte scharfe Kritik. "Spätestens jetzt muss ein Sonderermittler vom Bundesrechnungshof ran und für lückenlose und schonungslose Aufklärung sorgen", sagte er dem "Handelsblatt". "Das ist zutiefst unanständig, und eine Entschuldigung des Bundesgesundheitsministers ist das allermindeste, sollte sich dieser ungeheuerliche Fehltritt von Herrn Spahn tatsächlich bewahrheiten."
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele sagte dem "Spiegel", der Vorgang zeuge "von einem inakzeptablen Menschenbild". Dass die Masken in der nationalen Notreserve jetzt "auf das Überschreiten ihres Ablaufdatums warten sollen, um still und heimlich entsorgt zu werden, macht die Sache nicht besser".
Gesundheitsministerium: Vorwürfe sind falsch
Das Ministerium bemühte sich am Samstag, die Vorwürfe zu zerstreuen und warf der SPD ein "abgekartetes Spiel" vor. Aus Wahlkampfgründen greife die SPD erneut Minister Spahn mit aufgebauschten Geschichten an. Bei der kostenlosen Verteilung von Masken an Einrichtungen der Obdachlosen- und Eingliederungshilfe "stand jederzeit der bestmögliche Schutz der dort lebenden Bürgerinnen und Bürger und der Beschäftigten im Vordergrund", betonte das Ministerium.
Bei der Beschaffung von medizinischem Material "in der damaligen Notlage" sei "strikt auf Qualität geachtet" worden. Soweit bei Testverfahren die "Mangelhaftigkeit" festgestellt worden sei, habe das Ministerium die Ware nicht abgenommen und nicht bezahlt.
Für Hartz-IV-Bezieher seien Masken über die Apotheken verteilt worden. "Diese wurden von den Apotheken beschafft, Bestände des Bundes wurden hierzu nicht genutzt und dies war auch nicht geplant."
Zur angeblich geplanten Vernichtung der Masken erklärte das Ressort, Entscheidungen über die Vernichtung von Warenbeständen habe die Bundesregierung nicht getroffen. "Insofern trifft die entsprechende Berichterstattung nicht zu, uns ist auch die Grundlage dieser Berichterstattung nicht bekannt."
- Nachrichtenagentur AFP