Impfungen für Minderjährige So verspielt man das Vertrauen der Bürger
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Die Gesundheitsminister wollen allen Jugendlichen Impfungen empfehlen. Dadurch versuchen sie allerdings nur, von viel größeren Problemen und Versäumnissen abzulenken – mal wieder.
Zwischen unseren regierenden Politikern und der Ständigen Impfkommission (Stiko) ist es ein ständiges Auf und Ab. Noch Ende März fanden Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn viele lobende Worte für die Expertengruppe, die am Robert Koch-Institut angesiedelt ist. "Die Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen, dass in Deutschland zugelassene Impfstoffe akribisch überwacht werden", sagte etwa Spahn zur Arbeit des Gremiums.
Zuvor hatte die Stiko empfohlen, den Astrazeneca-Impfstoff von nun an vorwiegend über 60-Jährigen zu verabreichen. Denn bei jüngeren Personen seien als seltene Nebenwirkungen gefährliche Hirnvenenthrombosen aufgetreten. "Es sind Erkenntnisse, die die Ständige Impfkommission und damit schließlich auch wir nicht ignorieren können", stellte daraufhin die Kanzlerin fest.
Erneutes Hauruckverfahren
Jetzt zeigt sich allerdings, dass die Erkenntnisse der Stiko sehr wohl ignoriert werden können, sofern es opportun ist. Das Gremium empfiehlt Impfungen für 12- bis 17-Jährige lediglich für Vorerkrankte. Denn die Datenlage sei aktuell noch zu dünn, zudem seien die Krankheitsverläufe in der Regel mild. Trotzdem drängen zahlreiche Politiker auf eine generelle Impfempfehlung für diese Altersgruppe. "Es ist jetzt wichtig, dass wir auch keine Zeit versäumen", sagte etwa der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) der ARD.
Das Vorgehen der Entscheider im Hauruckverfahren sollte leider niemanden mehr überraschen. Gerade erst hatten sie mitten in der Feriensaison erkannt, dass Reisende wohl doch mehr getestet und schärfer kontrolliert werden sollten. Als habe es den vergangenen Corona-Sommer nie gegeben.
Andere Versäumnisse bleiben
Sich über die Empfehlung der eigenen Impfexperten für Jugendliche hinwegzusetzen, gerade an dem Tag, an dem in den ersten Bundesländern die Schule wieder beginnt – das passt ins Bild. Denn sonst könnten andere Fragen aufkommen. Etwa, warum nach eineinhalb Jahren Pandemie noch immer nicht jeder deutsche Klassenraum einen Luftfilter besitzt. Oder warum es keine flächendeckenden Programme gibt, um mit mehr Personal den Unterrichtsstoff aufzuholen, der im monatelangen Fernunterricht verloren gegangen ist.
Die Impfungen sind das beste Mittel, um die Pandemie zu bekämpfen. Allerdings können schon jetzt Minderjährige ab zwölf eine Spritze mit Einverständnis der Eltern erhalten. Dass in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern nun auch Impfaktionen in den Schulen beginnen, ist immerhin ein guter Anfang. Eine Ausweitung der Empfehlung hätte somit ohnehin eher Symbolcharakter zu einem hohen Preis.
Niemand sollte allerdings glauben, dass durch die Impfung der nur rund 4,5 Millionen betroffenen Minderjährigen das generell zu langsame Impftempo wieder an Fahrt aufnehmen wird. Es hindert auch keine Empfehlung der Stiko, niederschwellige Impfangebote zu machen, weder an Schulen noch sonst wo. Stattdessen wirkt der Alleingang der Entscheider wie eine Entmachtung des Expertengremiums.
