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Der Kandidaten-Check: Wähle deinen Erlöser, CDU!


Der Kandidaten-Check
Wähle Deinen Erlöser, CDU!

Von Sebastian Späth

22.11.2021Lesedauer: 8 Min.
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Neuer Parteivorsitzender: Der Job des neuen CDU-Chefs ist vermutlich der schwerste, den die Partei in ihrer Geschichte zu vergeben hatte.Vergrößern des Bildes
Neuer Parteivorsitzender: Der Job des neuen CDU-Chefs ist vermutlich der schwerste, den die Partei in ihrer Geschichte zu vergeben hatte. (Quelle: T-Online-bilder)

Das Rennen um den CDU-Vorsitz geht in die entscheidende Runde. Von heute an präsentieren sich die nominierten Kandidaten per Videokonferenz den Mitgliedern. Am 4. Dezember wird gewählt. Doch wer ist der Beste? Antworten liefert der große t-online-Kandidaten-Check.

Wenn die CDU eine Stellenanzeige geschaltet hätte, würde die Überschrift vermutlich lauten: "Sie suchen eine wirklich große Herausforderung? Dann sind Sie bei uns genau richtig!" Denn der Job des neuen CDU-Chefs ist vermutlich der schwerste, den die Partei in ihrer Geschichte zu vergeben hatte.

Schließlich muss der neue Vorsitzende so viele Dinge gleichzeitig können. Es geht ja jetzt erst einmal nicht ums Regieren, um die Macht, um die schiere Präsenz im Kanzleramt. Im Vordergrund steht vielmehr die Trümmerarbeit nach der schlimmsten Pleite seit der Gründung der Bundesrepublik. Und es geht darum, eine ungewohnte Rolle auszufüllen: die der Opposition. Von den vergangenen rund vier Jahrzehnten hat die Union 32 Jahre regiert.

Es gibt so viel für den neuen CDU-Chef zu tun, dass man fast nicht weiß, wo man anfangen soll. Aber vier Dinge sind dann doch besonders wichtig:

  • Er muss für einen Aufbruch sorgen, eine Art "Auferstanden aus Ruinen" des Jahres 2022.
  • Er wird zugleich nicht darum herumkommen zu klären, wohin dieser Aufbruch führen soll.
  • Aber er muss auch ein Teamplayer sein, die zerstrittene Partei einen, damit sie den Namen "Union" wieder verdient.
  • Und er muss nach dem verkorksten Wahlkampf auch beweisen, dass er die Partei wieder kampagnenfähig machen kann.

Es ist fast unmöglich, alles davon zu können – und dann auch noch gleich gut. Aber wer von den drei Kandidaten kann es am besten? Und wo liegen die jeweiligen Stärken von Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Helge Braun?

Antworten gibt der große t-online-Kandidaten-Check. Pro Kategorie gibt es maximal drei Punkte.

Wer sorgt am ehesten für Aufbruch?

Bei seinem Wiedereintritt in die aktive Politik vor drei Jahren wurde Friedrich Merz von Teilen der CDU noch wie ein Heilsbringer empfangen. Mit ihm verbanden Konservative und erbitterte Merkel-Gegner die von ihnen herbeigesehnte Zäsur, den Bruch mit der Ära der damals noch amtierenden Parteichefin. Nun, nach zwei gescheiterten Kandidaturen, ist die Merz-Euphorie nicht mehr ganz so groß. Auch, weil der Angreifer aus Brilon an Bedrohlichkeit verloren hat. Für die politischen Gegner, aber auch die in seiner Partei.

Auch dass Merz seit jeher als Held der Basis gilt, macht ihn nicht automatisch zum Kandidaten des Aufbruchs. Zwar ist die Union die größte Volkspartei, sie kämpft aber auch am meisten mit Überalterung: Der Großteil der Mitglieder ist wie Merz männlich, weiß und im Rentenalter. Es wundert also nicht, dass es dem inzwischen 66-Jährigen außerhalb seiner Anhängerschaft kaum gelingen dürfte, sich glaubhaft als Mann der Zukunft zu präsentieren.

Doch ganz so düster steht es dann doch nicht um Merz' aktuelle Chancen. Das hat auch mit ihm, aber vor allem der Lage der Union zu tun: Sie ist nun Oppositionspartei und muss sich in dieser Rolle erst zurechtfinden. Merz weiß zumindest, wie das geht. Nach der CDU-Spendenaffäre wurde er 2000 Fraktionschef der Union und damit Oppositionsführer.

Hinzu kommt: Es dürfte aktuell kaum einen Unionspolitiker geben, der mehr polarisiert als Merz. Das wiederum garantiert eine gewisse Aufmerksamkeit. Und da der schneidig auftretende Sauerländer von seinem ganzen Habitus her wie das Gegenteil des künftigen Kanzlers Olaf Scholz rüberkommt, ist auch für Unterscheidbarkeit gesorgt.

Friedrich Merz: 2 Punkte

Über mangelnde Aufmerksamkeit für seine Kandidatur kann Helge Braun nicht klagen. Das liegt vor allem daran, dass keiner mit ihr gerechnet hatte. Das Problem ist nur: Aufbruchstimmung geht von dem 47-Jährigen am wenigsten aus. Er ist der Kandidat der Kontinuität. Als Kanzleramtsminister gehörte er zum engsten Zirkel Angela Merkels und steht für die Fortsetzung ihrer Ära. Wenn man es nicht ganz so gut mit Braun meinen wollte, könnte man sagen, das sei seine größte Stärke.

Braun bemüht sich gar nicht erst, auf Distanz zu Merkel zu gehen, lobt, dass die Kanzlerin noch immer die beliebteste CDU-Politikerin sei. Nur: Ob das im CDU-internen Wahlkampf zieht? Fraglich. Zumal er bisweilen so rüberkommt, als habe er in seiner früheren Tätigkeit als Narkosearzt Patienten allein durch Reden einschläfern können. Das macht ihn zwar nicht grundsätzlich zu einem schlechten CDU-Chef, aber eben auch nicht zwangsläufig zu einem guten Parteivorsitzenden in Oppositionszeiten.

Helge Braun: 1 Punkt

Und dann ist da noch Norbert Röttgen. Früher parteiintern gern als "Muttis Klügster" belächelt und über die Union hinaus als möglicher Nachfolger der Kanzlerin gehandelt, ist der 56-jährige Rheinländer eben auch der einzige Minister, der von Angela Merkel geschasst wurde. Damit steht er gewissermaßen für einen Bruch mit ihr, auch wenn er inhaltlich in vielen Fragen nicht allzu weit von Merkel entfernt ist. Was Röttgen eine besondere Aufbruchsaura verleiht: Er hat das intellektuelle Format, die CDU tatsächlich inhaltlich zu erneuern.

Norbert Röttgen: 3 Punkte

Wer kann am besten das Profil schärfen?

Es geht bei der Union aber nicht nur um Aufbruch, sondern auch um die genauso wichtige Frage: Aufbruch wohin? Soll sie grundsätzlich konservativer werden oder eigentlich der Gemischtwarenladen Volkspartei bleiben, der sie ist: ein bisschen konservativ, etwas sozial und ein wenig liberal?

In der Wunschvorstellung von Norbert Röttgen wird die CDU zum politischen Thinktank, zu nicht weniger als zur "intellektuellen Führungspartei" will er sie machen, wie er kürzlich ankündigte. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Während der 16 Jahre, in denen Merkel regierte, lief es meistens so: Inhaltliche Entscheidungen wurden im Kanzleramt getroffen, die Partei trug sie dann mit. Das gilt für den Ausstieg aus der Atomkraft, das Ende der Wehrpflicht und natürlich die Flüchtlingspolitik der Jahre 2015/2016.

Zwar geschah dies häufig unter dem gewaltigen Druck irgendwelcher Krisen, bei der Parteibasis blieb trotzdem ein Gefühl der Ohnmacht zurück. Das will Röttgen ändern: Die CDU, die er sich erträumt, soll in parteiinternen Debatten Lösungen für die Fragen der Zeit erarbeiten und Probleme aufgreifen, bevor sie von jetzt auf gleich gelöst werden müssen.

Wie schon bei seiner ersten Kandidatur um den Parteivorsitz setzt Röttgen vor allem auf Klima und Umwelt. Das ist nicht unbedingt ein Anbiedern an junge Wählergruppen, es sind Themen, die Röttgen bereits in den Neunzigerjahren umtrieben. Zudem war er, wenn auch nicht allzu lang, Umweltminister und trieb bereits vor Fukushima gegen Widerstände in der schwarz-gelben Koalition den Atomausstieg voran. Sehr zum Missfallen hartgesottener Konservativer.

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Norbert Röttgen: 3 Punkte

Helge Braun ist nicht allein deshalb der Überraschungskandidat, weil seine Bewerbung unerwartet kam, sondern weil niemandem ganz klar ist, wofür er steht und wohin er die Partei steuern will.

Zwar hat er sich vorgenommen, das Profil zu schärfen. Aber wer hat diese vage Forderung nicht schon alles formuliert? Immerhin macht Braun deutlich: Die Schuld für den Profilverlust der Partei sieht er nicht bei Merkel. Er nimmt sie sogar explizit in Schutz: "Erfolgreiche Kompromisse in der Regierung waren gut fürs Land."

Helge Braun: 1 Punkt

Friedrich Merz kämpfte vor drei Jahren noch mit der Ankündigung um den CDU-Vorsitz, Wähler der AfD für die Union zurückzugewinnen. Das wurde damals nicht ganz grundlos übersetzt mit "Er will die CDU nach rechts verschieben".

Inzwischen kommt Merz allerdings deutlich weichgespülter rüber. Bei der Verkündung seiner dritten Kandidatur vor wenigen Tagen sagte er, unter seiner Führung werde es keinen Rechtsruck geben. Stattdessen sprach er – wohl auch zur Überraschung manch eigener Fans – ausführlich über Sozialpolitik. Um den Schwenk zu unterstreichen, präsentierte er mit dem ehemaligen Berliner Senator für Gesundheit und Soziales Mario Czaja sogar noch einen ausgewiesenen Sozialpolitiker als seinen Favoriten für den Job des Generalsekretärs.

Der Mitgliederentscheid wird nun also auch eine Antwort auf die Frage geben: Geben sich die CDUler auch mit Merz light zufrieden?

Friedrich Merz: 2 Punkte

Wer ist am ehesten ein Teamplayer?

Im Zuge seiner ersten Kandidatur für den Parteivorsitz preschte Norbert Röttgen mit der Ankündigung vor: "Die zweite Person in meinem Team wird eine Frau sein." Es war als Abgrenzung gemeint zu seinen damaligen Kontrahenten Armin Laschet und Friedrich Merz, kam aber gönnerhafter rüber, als es gemeint war. Entsprechend wurde es nicht von allen Mitgliedern positiv aufgenommen.

Auch dieses Mal hat Röttgen eine Teampartnerin: die Hamburger Abgeordnete Franziska Hoppermann. Selbst Berlin-Insider mussten den Namen erst einmal googeln. Was aber nicht gegen die Personalie spricht. Trotzdem: Röttgen gilt in der Partei nicht unbedingt als ausgewiesener Teamplayer.

Norbert Röttgen: 2 Punkte

Auch bei Friedrich Merz ist das mit der Teamfähigkeit so eine Sache. In den Tagen, bevor er seine Kandidatur offiziell erklärte, hieß es immer, der Ego-Shooter Merz habe Schwierigkeiten bei der Bildung einer Mannschaft. Dafür spricht, dass sein Team am Ende nicht so groß war wie von vielen zu dem Zeitpunkt erwartet, als angekündigt wurde, dass Merz mit einem ganzen "TeamCDU" antreten wolle.

Aber immerhin, ihm gelang ein politischer Coup: Er gewann Mario Czaja als möglichen Generalsekretär. Czaja ist Mitglied des Arbeitnehmerflügels CDA. Zudem hat er seinen Ost-Berliner Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf in diesem Jahr für die CDU gewonnen, nachdem dort 30 Jahre die Linke siegte.

Die unterschiedlichen Strömungen der CDU sind damit zumindest berücksichtigt. Und auch geografisch setzt Merz auf Breite: Für die von ihm erdachte Rolle einer stellvertretenden Generalsekretärin nominierte er Christina Stumpp aus Baden-Württemberg.

Dass er extra einen neuen Job schaffen will, um auch Frauen unterzubringen, rief dann doch wieder Kritiker auf den Plan. Aber Merz und die Frauen, das ist sowieso so eine Sache.

Friedrich Merz: 2 Punkte

Helge Braun gilt als Kandidat mit den größten integrativen Kräften. Vor allem, weil ihm im Gegensatz zu Merz und Röttgen sein Ego nicht so sehr im Weg steht. In einem Interview erklärte Braun, er stehe für "das Angebot eines kooperativen Führungsstils, verbunden mit dem Wunsch, dass sich möglichst alle Teile der Partei aktiv beteiligen". Der Haken daran wiederum ist, dass der Kandidat, der am meisten teamfähig erscheint, bisher kein eigenes Team hat, mit dem er antritt. Geschweige denn prominente Unterstützer.

Helge Braun: 2 Punkte

Wer kann wirklich Kampagne?

2020 startete Norbert Röttgen als Außenseiter weit abgeschlagen von seinen beiden Mitbewerbern, holte dann aber ordentlich auf. Das hing auch mit seiner starken Digitalkampagne zusammen, denn der parteiinterne Wahlkampf fand damals coronabedingt weitestgehend online statt. Damals schien es, als dominierten Röttgen und seine Anhänger das Netz, auch heute sind die Social-Media-Kanäle wieder voller Menschen, die ihre Unterstützung für Röttgen kundtun.

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Mit Blick darauf, wie man junge Leute adressiert, kann die Partei wirklich etwas von Röttgen lernen. Das Problem ist allerdings, dass Twitter-Nutzer nur einen Bruchteil der Wahlberechtigten in Deutschland ausmachen. Und für die CDU stehen im nächsten Jahr wichtige Landtagswahlen an, unter anderem in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.

Es braucht also nicht nur in den einzelnen Bundesländern, sondern auch an der Spitze der Partei einen geübten Wahlkämpfer, der die Kampagnen gemeinsam mit den CDU-Ministerpräsidenten, die ihr Amt zu verteidigen haben, orchestriert.

Und da muss Norbert Röttgen zumindest beweisen, dass er dazugelernt hat. 2012 holte er als Spitzenkandidat der NRW-CDU das bislang schlechteste Ergebnis für die Landespartei. Manchmal stand dem smarten Röttgen dabei auch im Weg, dass er abgehoben wirkte. Die große Außenpolitik liegt ihm dann doch näher als die kleine Landespolitik.

Norbert Röttgen: 2 Punkte

Bei Helge Braun fehlt bisher so etwas wie eine Kampagne. Nach der Nominierung durch seinen Heimatverband Gießen schrieb er lediglich einen Brief an alle CDU-Mitglieder, in denen er seine Bewerbung begründete.

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Was ebenfalls nicht unbedingt für Braun spricht: Bei der Bundestagswahl verlor er seinen Heimatwahlkreis nach 18 Jahren gegen den SPD-Herausforderer, konnte sich damit dem Abwärtstrend der Union nicht entgegenstellen.

Helge Braun: 1 Punkt

Zwar hat Friedrich Merz sein Direktmandat im Hochsauerlandkreis bei dieser Bundestagswahl gewonnen, über interne Wahlen und die Verteidigung seines Wahlkreises hinaus hat er aber noch keine Kampagne verantwortet.

Friedrich Merz: 2 Punkte

And the Winner is?

Natürlich ist alles im Leben Ansichtssache. Aber es spricht dann doch einiges dafür, dass Helge Braun im Rennen um den Parteivorsitz abgeschlagen ist und die Frage am Ende lautet: Merz oder Röttgen? Ließe man die Präferenz der CDU-Mitglieder außen vor, müsste es dabei leichte Vorteile für den Rhein- gegenüber dem Sauerländer geben:

Norbert Röttgen: 10 Punkte

Friedrich Merz: 8 Punkte

Helge Braun: 5 Punkte

Verwendete Quellen
  • Welt am Sonntag: "Ärgere mich wahnsinnig über die Verzögerungstaktik von Scholz"
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