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Abtreibungsverbot-Talk bei "Markus Lanz": Gäste streiten um heikles Thema


Grünen-Ministerin weist Moderator zurecht
Ende des Abtreibungsverbots? Streit bei "Markus Lanz"


Aktualisiert am 21.01.2022Lesedauer: 4 Min.
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Familienministerin Anne Spiegel (Archivbild): In der jüngsten Lanz-Sendung wurde es zum Thema Abtreibungsverbot laut.Vergrößern des Bildes
Familienministerin Anne Spiegel (Archivbild): In der jüngsten Lanz-Sendung wurde es beim Thema Abtreibungsverbot laut. (Quelle: Florian Gaertner/photothek.de/imago images)

Die Bundesregierung will das Werbeverbot für Abtreibungen kippen. Bei "Markus Lanz" wird darüber erbittert gestritten. Der Moderator vermutet: Geht es in Wahrheit schon um ein Ende des Abtreibungsverbots?

Bei "Markus Lanz" wurde es am Donnerstagabend laut und es ging zur Abwechslung mal nicht um Corona. Die Bundesregierung nimmt sich zu Beginn ihrer Amtszeit mit dem Paragrafen 219a des Strafgesetzbuches ein Thema vor, das viele grundsätzliche, schmerzhafte Fragen aufwirft. Das sogenannte Werbeverbot für Abtreibungen soll nach dem Willen der Ampelkoalition fallen.

Die CDU-Politikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker warnte in der ZDF-Talkshow davor, Schwangerschaftsabbrüche zu "banalisieren", wenn für sie wie für andere medizinische Eingriffe – beispielsweise Schönheitsoperationen – geworben werden könnte. Bei Bundesfamilienministerin Anne Spiegel stieg da der Blutdruck. Lanz argwöhnte: Ist 219a bloß ein Nebenkriegsschauplatz, geht es in Wahrheit um ein Ende des Abtreibungsverbots? "Ich glaube schon, dass das der nächste Schritt ist", mutmaßte Journalistin Kristina Dunz.

Die Gäste

  • Anne Spiegel (Die Grünen), Bundesfamilienministerin
  • Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), Bundestagsabgeordnete, Ex-Richterin
  • Kristina Dunz, Journalistin "Redaktionsnetzwerk Deutschland"
  • Kai Kupferschmidt, Wissenschaftsjournalist und Molekularbiologe

Ob die allgemeine Impfpflicht kommen wird, ist immer noch ungewiss. Bei dieser Frage aber zeigt sich Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sicher: "Der Paragraf 219a wird fallen." Er sprach bei einer Pressekonferenz am 17. Januar 2022 von einem "unhaltbaren Rechtszustand". Ärzte, die beispielsweise auf ihrer Internetseite sachlich über ihre Arbeit informierten, mussten bislang eine Verurteilung fürchten.

Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte 2019, damals noch als einfacher Abgeordneter, in der Bundestagsdebatte um eine Neufassung des Paragrafen dafür plädiert, das Informationsrecht von Frauen zu stärken und Ärzte, die legale Schwangerschaftsabbrüche anbieten, zu entkriminalisieren.

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Abtreibungsdebatte bei Lanz

Lanz stellte die Frage in den Raum: Haben wir aktuell nicht andere Probleme? "Wir sehen nicht die Erforderlichkeit dafür", meinte auch Richterin a. D. Winkelmeier-Becker. Denn: "Es gibt kein Informationsdefizit." Im Internet ließen sich genügend verlässliche Quellen finden, mit deren Hilfe Frauen sich ein Bild verschaffen könnten. Sie entwarf ein Schreckensszenario, in dem Praxen, die Abtreibungen durchführen, durch Werbung in sozialen Netzwerken oder auf Google hohe Aufmerksamkeit bekommen. Das Gefühl dafür, dass hier das Leben eines Kindes auf dem Spiel stehe, gehe "ein Stück weit verloren, wenn für einen Abbruch geworben werden kann wie für andere Eingriffe".

"Keine Frau macht sich so eine Entscheidung leicht", verwahrte sich hingegen Spiegel gegen einen Vergleich von Abtreibungen mit Schönheitsoperationen. Es sei zudem unredlich, Gynäkologen eine kommerzielle Absicht zu unterstellen. Wenn Mediziner auf der Internetseite ihrer Praxis erklären, welche Eingriffe sie anbieten, ist dies nach Ansicht der Ministerin keine Werbung, sondern eine Information für Patientinnen.

Journalistin Dunz fragte: Wenn es im Internet doch schon so viel Aufklärung über Abtreibungen gebe, was spreche dann dagegen, dass sich Frauen direkt bei ihrer Ärztin informieren können? Bislang müssten sich Betroffene zur Klärung dieser Frage von der Bundesärztekammer eine Liste besorgen, welcher Mediziner welche Methode zum Schwangerschaftsabbruch anbietet.

Dunz wehrte sich gegen die Warnung, Abtreibungen könnten durch Schritte wie die Abschaffung des Paragrafen 219a zunehmend als "normal" empfunden werden – quasi wie eine andere Form der Verhütung: "Das stimmt einfach nicht." "Es sollte nicht stimmen", konterte Christdemokratin Winkelmeier-Becker. Sie attestierte den neuen Regierungspartnern bei dem Thema allerdings "eine Koordinatenverschiebung". Das Lebensrecht des Kindes sei in den Debattenbeiträgen der Ampel mit keinem Wort erwähnt worden.

Ministerin weist Lanz zurecht

SPD, Grüne und FDP haben im Koalitionsvertrag bereits vereinbart, dass sich eine Kommission tiefgehend mit dem Abtreibungsverbot im Paragrafen 218 auseinandersetzen soll. Dies sei der richtige Weg, um dem komplexen Thema gerecht zu werden, meinte Spiegel. "Wir haben das Jahr 2022: Wir brauchen eine Debatte um das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von Frauen."

Sie selbst wollte aber auch auf mehrmalige Nachfrage von Lanz nicht kundtun, ob sie persönlich eine Abschaffung befürworten würde. Als der Moderator ihr daraufhin vorwarf, sich hinter der Kommission wegzuducken, um einem Konflikt aus dem Weg zu gehen, wurde die Grünen-Politikerin deutlich. "Ich verstecke mich dahinter gar nicht", wies sie Lanz zurecht. Sie habe knapp vier Jahre unter Personenschutz gestanden, weil sie sich für Geflüchtete eingesetzt habe, sagte die ehemalige Ministerin für Familie und Integration in Rheinland-Pfalz. "Von Angst als Motiv lasse ich mich überhaupt nicht treiben."

Doch auch mit Blick auf die Pandemie und insbesondere eine Impfpflicht vermisst Lanz bei der Bundesregierung eine klare Ansage zu konkreten Plänen. Spiegel beschwor hier derart oft die Bedeutung der Orientierungsdebatte im Bundestag, dass es der Moderator irgendwann erkennbar nicht mehr hören konnte. "Brauchen wir dann noch eine Regierung?", provozierte er. "Der Bundeskanzler müsste vorangehen", kritisierte Dunz die Zurückhaltung von Olaf Scholz (SPD), aber auch von Gesundheitsminister Lauterbach. Die Bundesregierung könne bei dieser wichtigen Frage nicht "neutral" bleiben, sondern müsse einen verfassungsrechtlich stabilen Vorschlag unterbreiten, wie die allgemeine Impfpflicht um- und durchgesetzt werden kann.

"Ich würde mich nicht wundern, wenn die Stimmung noch kippt gegen die Impfpflicht", warnte der Wissenschaftsjournalist Kai Kupferschmidt hinsichtlich der Omikron-Variante. Er nahm dabei auch die Vorgängerregierung in die Verantwortung: "Wir haben nicht genug getan, um die Menschen zu überzeugen von einer Impfung."

Gerade wegen der niedrigen Immunisierungsrate könne es sich Deutschland im Gegensatz zu Ländern wie dem Vereinigten Königreich oder Dänemark nicht erlauben, dem Virus Tür und Tor zu öffnen. Omikron markiere zwar wahrscheinlich einen Übergang. Leicht werde der Umgang mit dem Virus dadurch noch lange nicht. "Wir müssen erkennen, dass der Weg raus aus der Pandemie in gewisser Weise schwieriger wird als der Weg rein in die Pandemie."

Verwendete Quellen
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