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100 Tage Ukraine-Krieg: Auf diese Fragen schuldet uns Olaf Scholz Antworten


Deutschland im Ukraine-Krieg
Gelähmt vor Angst

MeinungEin Kommentar von Fabian Reinbold

Aktualisiert am 03.06.2022Lesedauer: 3 Min.
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Olaf Scholz: Seine Ukraine-Politik bietet Anlass zur Kritik.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz: Seine Ukraine-Politik bietet Anlass zur Kritik. (Quelle: imago-images-bilder)

In 100 Tagen des Ukraine-Kriegs hat sich Deutschlands Politik radikal gewandelt. Doch in einem entscheidenden Punkt macht es Bundeskanzler Scholz Putin noch immer zu einfach.

Was Olaf Scholz davon hält, wenn man seinen Kurs im Ukraine-Krieg kritisiert, die deutsche Hilfe zögerlich und die Bundesregierung unentschlossen nennt? Nicht besonders viel.

Das hat er in den 100 Tagen seit dem Überfall Russlands immer mal wieder klargemacht. So etwas sei nur "dahergeredet", sei eine Übung in der "Lust am Untergang", komme von irgendwelchen "Jungs und Mädels".

Auch wenn in dieser nervenaufreibenden Zeit manche Vorwürfe an den Kanzler gewiss übers Ziel hinausgeschossen sind, gibt der Rückblick auf die vergangenen gut drei Monate doch viel Anlass zu der von Scholz weggewischten Kritik. Seine Kriegspolitik ist tatsächlich von Zaudern, Bremsen und Rhetorik des Ungefähren geprägt.

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Wo stecken immer wieder die Waffen fest?

Internationale Verbündete irritiert die entschlossene Unentschlossenheit ebenso wie viele wohlmeinende Bürger. Und der Ukraine bleibt oft nichts anderes übrig als zu rätseln.

  • Will Olaf Scholz wirklich, dass die Ukraine den Krieg gewinnt?
  • Ist sein Ziel, dass Wladimir Putin nicht nur wirtschaftlich für seinen Angriff büßt, sondern auch militärisch verliert?
  • Und wenn ja, was alles ist die Bundesregierung, ist Deutschland bereit, dafür zu tun? Was nicht?
  • Wo und warum stecken so viele der verkündeten deutschen Waffenlieferungen so lange fest?
  • Und wenn der Bundeskanzler einmal klare Ansagen und Versprechungen macht – was durchaus in den vergangenen 100 Tagen wiederholt vorgekommen ist: Wieso geschieht das häufig erst dann, wenn der öffentliche und internationale Druck schlicht zu groß geworden ist?

Die meisten dieser Fragen begleiten Scholz seit dem 24. Februar. Doch er selbst liefert darauf noch immer keine klaren Antworten. Dass es auch anders geht, zeigt übrigens US-Präsident Joe Biden, der immer wieder ausbuchstabiert, was die Amerikaner bereit sind zu tun – und was nicht.

Scholz befeuerte eine Urangst

Scholz, so viel kann man immerhin sagen, lässt sich offenkundig von Sorgen bremsen, insbesondere der Angst davor, dass Putin seinen Krieg ausweiten könnte, auch gegen Deutschland und Europa, der Kontinent also eine Art Dritten Weltkrieg erlebt.

Diese Angst ist real und in der deutschen Gesellschaft weit verbreitet. Allerdings hat Scholz die Angst vor einem Dritten Weltkrieg, den Deutschland auslösen könnte, in mehreren Äußerungen sogar noch befeuert – anstatt ihr entgegenzuwirken.

So brüten Teile von Regierung, Politik und Öffentlichkeit besorgt über jeder Tranche von Luftabwehrraketen und jeder Panzerhaubitze, die man an die Ukraine schicken könnte – stets mit der Frage im Nacken, ob diese Lieferung Putin womöglich derart provoziert, dass er einen globalen Konflikt vom Zaun brechen könnte.

Als ob das Schicksal der Welt an einer Beschlussvorlage in Berlin oder einer klaren Äußerung des Bundeskanzlers hinge. Und als ob wir uns nicht ohnehin längst in einem Wirtschaftskrieg mit Moskau befänden.

So machen wir es Putin zu leicht

Putin übrigens kennt die Dynamik ganz genau: Seine rituellen Drohungen mit nuklearer Eskalation richten sich seit Langem speziell ans empfängliche Publikum in Deutschland. In dieser Hinsicht hat es ihm ein Bundeskanzler, der die weltberühmte German Angst noch befeuert, zu leicht gemacht.

Eine andere Seite der deutschen Debatte wiederum widmet sich mit bemerkenswerter Ausdauer der Frage, wann Scholz denn endlich nach Kiew reise. Weitaus wichtiger als der Zeitpunkt ist allerdings die Frage, was der Bundeskanzler dabei der Ukraine mitbringen kann, damit ein solcher Besuch auch Sinn ergibt und Kiew tatsächlich hilft.

Führungsmacht Deutschland? Nicht zu sehen

Und so eiert die deutsche Ukraine-Debatte viel zu sehr um deutsche Befindlichkeiten, anstatt sich auf das Überleben der Ukraine und auf die Gefahr zu konzentrieren, die Putins Russland nicht nur für Kiew, sondern für ganz Europa darstellt. Mit anderen Worten: Nabelschau statt Geopolitik.

Bei den Verhandlungen in Europa hat die Bundesregierung so viel politisches Kapital bei den Osteuropäern verspielt. "Zeitenwende"-Rede hin oder her – von einer Führungsmacht Deutschland ist nach 100 Tagen Krieg jedenfalls wenig zu sehen.

Jetzt ist ein kritischer Wegpunkt erreicht. Die Aufmerksamkeit für den Krieg in der deutschen Öffentlichkeit sinkt, während Russlands Truppen im Osten des Landes vorrücken, wichtige Städte einnehmen und dabei dem Erdboden gleichmachen.

Auf Panzer aus Deutschland kann die Ukraine zur Abwehr dieser Offensive auch 100 Tage nach Kriegsbeginn immer noch nicht zurückgreifen. Ist das nicht eine traurige Bilanz?

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