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Deutsche Bahn | Nach der Sabotage: Was kommt als nächstes?


Sabotage bei der Bahn
Am seidenen Faden


Aktualisiert am 09.10.2022Lesedauer: 4 Min.
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ICE in Baden-Württemberg (Symbolbild): Und was kommt als nächstes?Vergrößern des Bildes
ICE in Baden-Württemberg (Symbolbild): Und was kommt als Nächstes? (Quelle: IMAGO/Arnulf Hettrich)

Die Sabotage bei der Bahn versetzt die Politik in Aufruhr: Wenn schon der Zugverkehr dermaßen fragil ist – was kann dann noch alles passieren?

Der Stillstand ist bereits einen Tag her, doch Detlef Müller klingt am Telefon noch immer entgeistert. Müller, 58 Jahre alt, war bis 2014 selbst Lokführer, heute sitzt er für die SPD im Bundestag. Er war am Samstagmorgen gerade einkaufen, als die Nachrichten der Zugausfälle in Norddeutschland auf seinem Handy einprasselten: "Ich war geschockt, als klar wurde, dass es Sabotage ist." Das Szenario beschreibt Müller so: "Man kann dann nicht mehr kommunizieren, als Lokführer ist man von den Bahnsystemen abgeschnitten. Es bleibt nur der Griff zum privaten Telefon, mit dem man mal in der Leitstelle nachfragt: 'Was ist denn los?'"

Was los war: Zwei Lichtwellenleiter-Kabel der Bahn wurden am Samstagmorgen durchgeschnitten. Eines bei Herne in Nordrhein-Westfalen, eines bei Berlin. Die Kommunikation zwischen den Lokführern und den Leitstellen kam damit zum Erliegen. Viele Züge konnten zwar noch in den nächsten Bahnhof rollen, sich anschließend aber nicht mehr bewegen. Es wäre für sie sonst eine Fahrt auf blinder Strecke gewesen, also lebensgefährlich. Ab etwa acht Uhr stand deshalb der gesamte Fernverkehr im nördlichen Teil der Bundesrepublik still. Chaos an den Bahnhöfen, außerplanmäßige Sitzungen zum Krisenmanagement bei der Bahn.

Dann die beruhigende Botschaft: Nach gut zwei Stunden waren die Verbindungen wieder funktionsfähig, gegen elf Uhr rollte der Betrieb der ICE am Samstag wieder an. Doch der Schock sitzt tief. Verkehrsminister Wissing spricht von einer "vorsätzlichen Tat", dieselbe Formulierung verwendete Innenministerin Nancy Faeser. Mittlerweile hat der Staatsschutz beim Landeskriminalamt Berlin die Ermittlungen aufgenommen.

An diesem Wochenende beschäftigt nun eine Frage das politische Berlin. Sie lautet: Wenn nach zwei gezielten Schnitten an Leitungen die Züge im halben Land stillstehen, was kann da noch kommen? Mit welchen überschaubaren Mitteln kann auch anderweitig das alltägliche Leben lahmgelegt werden? Der Bahnausfall folgt ausgerechnet auf die Sabotage an den Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2.

Nun steht Deutschland eine Grundsatzdiskussion über die Sicherheit der Infrastruktur bevor. Da ist zunächst allerdings erst einmal die Frage, wie groß die Gefahr wirklich ist. Michael Theurer, FDP-Staatssekretär im Verkehrsministerium, sagt t-online: "Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass wir jederzeit Ziel von Angriffen sein können. Unsere Infrastruktur ist da offensichtlich verwundbar. Natürlich gibt es nie einen absoluten Schutz, aber wir müssen jetzt erneut prüfen, wie wir die kritische Infrastruktur Schiene noch besser schützen können."

Andere klingen alarmistischer. Der Bundeswehrgeneral Carsten Breuer, Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, sagte der "Bild am Sonntag" über die generelle Sicherheitslage: "Jede Umspannstation, jedes Kraftwerk, jede Pipeline kann attackiert werden, kann ein mögliches Ziel sein". Und: "Wir stellen uns hier im Kommando vor allem auf hybride Bedrohungen ein. Das ist der Zustand zwischen nicht mehr ganz Frieden, aber auch noch nicht richtig Krieg."

"Selbstverständlich sind wir im Friedenszustand"

Nicht mehr ganz Frieden, aber noch nicht richtig Krieg? Sozialdemokraten widersprechen. Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Dorothee Martin, sagt t-online: "Die Analyse von Carsten Breuer teile ich nicht. Natürlich ist die Lage ernst, wir analysieren genau, wie es zu der Sabotage bei der Bahn kommen konnte. Das ist aber kein Grund zur Panikmache, denn selbstverständlich sind wir im Friedenszustand in Deutschland."

Die Haltung der Ampelkoalition lässt sich wohl am ehesten so zusammenfassen: Einerseits soll sichergestellt werden, dass die Infrastruktur funktioniert und die Bevölkerung insbesondere mit Energie versorgt werden kann. Da will die Regierung lieber auf Nummer sicher gehen. Andererseits will sie unbedingt jede Form von Unruhe vermeiden. "Wenn wir jetzt nur die Alarmglocken schrillen lassen, spaltet das im Zweifel die Bevölkerung", sagt jemand aus einer Regierungsfraktion.

Besonders die Frage, ob möglicherweise Russland für die Anschläge in Deutschland verantwortlich ist, beschäftigt die Ampelkoalition. Bislang will niemand öffentlich spekulieren. Aber nach der vorherigen Manipulation an den Pipelines von Nord Stream, bei denen diverse Experten davon ausgehen, dass Russland dafür selbst verantwortlich ist, kann sich manch einer eine russische Beteiligung zumindest vorstellen. Seit Sonntagmittag geistert auch eine Meldung der "Bild"-Zeitung durch die Hauptstadt, wonach es intern beim Bundeskriminalamt heiße, dass bei der Tat eine staatlich gesteuerte Sabotage denkbar sei.

"Man hätte mehr auf Warnungen hören sollen"

Die Innenpolitiker der Ampelkoalition sollen sich bereits gestern Abend digital zusammengeschaltet haben, wie t-online erfuhr. Gemeinsam will man den richtigen Tonfall finden und jetzt die entsprechenden Maßnahmen einleiten, wie es weitergehen soll. Intern ist man sich einig: Die Sabotage auf die Bahn hat gezeigt, dass die Lage gefährlich werden könnte.

Die Opposition mahnt bereits zu mehr Tempo. Thomas Bareiß, verkehrspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sagt t-online: "Die jüngsten Ereignisse machen deutlich, man hätte mehr auf Warnungen hören und Prioritäten anders setzen sollen. Die Bundesregierung muss mehr in den Schutz und die Sicherheit unserer Infrastruktur investieren. Egal ob Schiene, Stromnetze oder Breitband und Mobilfunk."

Ein umfassender Schutz ist allerdings nahezu unmöglich, dafür ist die Infrastruktur zu umfassend. In der Regierung ist aber bereits die Rede von mehr Wachpersonal bei Umspannwerken oder bei den zentralen Knotenpunkten der Energieversorgung.

Bei der Bahn könnte die Lösung noch vergleichsweise einfach sein: Bislang verlaufen viele der Kabel, über die jetzt noch die Kommunikation abgewickelt wird, direkt in der Nähe der Schienen. Künftig könnten diese deutlich tiefer verlegt werden und noch schwerer zugänglich gemacht werden. Auch eine zusätzliche Ummantelung sei denkbar.

Ob Kraftwerke oder fragile Leitungen: Es gehe um ein Abkapseln, heißt es bei der Ampelkoalition intern. Dass Fremde gezielt Anschläge verübten, sei eine "neue Stufe der Eskalation". Damit müsse man erst mal leben, und sich nun eben schützen.

Morgen beginnt eine neue Sitzungswoche des Bundestags in Berlin. Der ehemalige Lokführer Müller sagt dazu: "Wir werden sicher im Verkehrsausschuss am Mittwoch darüber reden." Man müsse, glaubt der SPD-Politiker, sich jetzt mal "grundlegend" anschauen, was man künftig anders machen könne.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräche mit Michael Theurer und Dorothee Martin
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