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Asylrecht im Grundgesetz: CDU-Politiker will Verfassungsänderung


"Europa kann diesen Teufelskreis beenden"
CDU-Politiker will Grundrecht auf Asyl abschaffen – deutliche Kritik

Von dpa, te

Aktualisiert am 19.07.2023Lesedauer: 4 Min.
Thorsten Frei (CDU)Vergrößern des BildesCDU-Politiker Thorsten Frei (Archivbild): Der konservative Politiker fordert die Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl. (Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa/Archivbild/dpa-bilder)
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Das individuelle Recht auf Asyl ist gesetzlich verankert. CDU-Politiker Thorsten Frei will dieses Grundrecht abschaffen. Kritik folgt prompt – und ebenso seine Reaktion darauf.

Nachdem der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, für einen Systemwechsel in der Asylpolitik plädiert hat, wird nun Kritik laut. Der Politiker hatte in einem Gastbeitrag geschrieben, dass das Recht des einzelnen Menschen, auf europäischem Boden Asyl zu beantragen, abgeschafft und durch Kontingente für die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa ersetzt werden sollte. In dem Text in der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schlug er vor, jährlich ein Kontingent von 300.000 oder 400.000 Schutzbedürftigen direkt aus dem Ausland aufzunehmen und dann innerhalb Europas zu verteilen.

Bei SPD, der Linkspartei, der FDP und den Grünen stößt das auf massive Kritik." Der Vorschlag von Thorsten Frei ist realitätsfremd und geht ins Leere, da er illegale Migration nicht stoppen wird", sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese. Besser sei eine nachhaltige Bekämpfung von Fluchtursachen. Er fügte hinzu: "Außerdem schleift der Vorstoß das individuelle Recht auf Asyl – eine wichtige humanitäre Errungenschaft, die die Mütter und Väter des Grundgesetzes aus gutem Grund nach dem Zweiten Weltkrieg dort installiert haben." Positiv äußerten sich dagegen der CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU).

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"Wer zu schwach ist, hat keine Chance, nach Europa zu kommen"

Theoretisch hätten derzeit 35 Millionen Afghanen das Recht, in Deutschland aufgenommen zu werden, argumentierte Frei zuvor, und ergänzte, "damit möglichst wenig Menschen ihr Recht in Anspruch nehmen, knüpfen wir es an die Voraussetzung eines Antrages auf europäischem Boden." Diese Auswahl sei aber "zutiefst inhuman". Denn wer alt, zu schwach, zu arm oder zu krank sei, habe keine Chance, nach Europa zu gelangen.

In der Praxis laufe das auf eine Benachteiligung von Frauen und Kindern hinaus. Wenn aus dem Individualrecht auf Asyl eine sogenannte Institutsgarantie gemacht werde, würden zudem Sicherheitsrisiken minimiert und Chancen auf Integration maximiert. Der Bezug von Sozialleistungen wäre dann "umfassend ausgeschlossen".

"Warum es unmenschlich sein soll, dass jemand erst mal vorträgt, warum er Schutz braucht, das geht mir nicht in den Kopf", sagte der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour in der Sendung "Frühstart" von RTL und ntv. Man müsse sich auf die Unterstützung der Kommunen bei der dauerhaften Versorgung und Integrationsarbeit konzentrieren. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, der Vorschlag von Frei sei "unseriös".

CDU-Politiker argumentiert für Vorschlag

Der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Alexander Throm (CDU), unterstützt Freis Vorschlag. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur, Frei habe zu Recht darauf hingewiesen, "dass unser Migrationssystem derzeit völlig falsche Zustände verursacht". Menschen lieferten sich Schleppern aus und wagten eine gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer. Sie durchquerten manchmal die halbe Welt "und dabei viele sichere Länder", um sich Europa als "Wunschort" auszusuchen.

Dabei gelte leider das Prinzip: "Die Starken kommen an, die Schwachen bleiben auf der Strecke." Throm sagte, dieser Effekt sei nie beabsichtigt gewesen, weder von den Vereinten Nationen noch vom deutschen Grundgesetz. Besser wäre nach seinen Worten eine Auswahl allein nach humanitären Kriterien in den Herkunftsländern.

Institut für Menschenrecht verweist auf bestehende Möglichkeiten

Der Migrationsexperte Daniel Thym sagte der "Welt", Freis Vorstoß hätte bei einer Umsetzung schwerwiegende Folgen. Es kämen dann weiter Menschen nach Deutschland, die kein Asyl beantragen und nicht arbeiten könnten und bestimmte Leistungen nicht erhielten. "Droht ihnen Gefahr in den Herkunftsländern, dürfen wir sie nicht abschieben. Im Ergebnis würde Herr Freis Vorschlag also bedeuten, eine große Schicht prekär lebender Personen in Deutschland zu schaffen", sagte der Konstanzer Ausländerrechtsexperte.

Zudem würden laut Thym Pull-Faktoren bei Freis Vorschlag "nur gering" geschmälert, da "die Menschenwürde nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts verlangt, jedenfalls eine rudimentäre Versorgung bereitzustellen". Thym kritisierte: "Was ist mit denen, denen Verfolgung oder Menschenrechtsverletzungen drohen, die aber trotzdem hier ankommen und nicht in den "Kontingenten" sind? Werden auch die abgeschoben?" Wenn Frei das meine, dann wäre das nicht mit den Menschenrechten machbar, sagte Thym.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte merkte an, dass der individuelle Zugang zu einem fairen Asylverfahren in Deutschland und der EU nicht dadurch ersetzt werden könne, dass Schutzbedürftige direkt aus dem Ausland aufgenommen werden. Es verwies darauf, dass diese Möglichkeit ohnehin bereits bestehe, "im Rahmen humanitärer Aufnahmeprogramme und von Resettlement".

EU plant weitreichende Asylreform

Die EU plant eine weitreichende Asylreform, um die allerdings noch gerungen wird. Vorgesehen sind zahlreiche Verschärfungen, um die irreguläre Migration zu begrenzen – insbesondere aus Ländern, die als relativ sicher gelten. Beispielsweise soll bereits an den EU-Außengrenzen geschaut werden, wer wenig Aussicht auf Asyl hat. Diese Menschen sollen gegebenenfalls direkt zurückgeschickt werden. In Deutschland haben im ersten Halbjahr dieses Jahres rund 150.000 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt – deutlich mehr als im Vorjahreszeitraum.

Die Genfer Flüchtlingskonvention und das individuelle Recht auf Asyl "waren die Antwort auf Nazideutschland", betonte die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Clara Bünger. Dass der CDU-Politiker Frei nun fordere, diese zivilisatorische Errungenschaft über Bord zu werfen, sei "geschichtsvergessen und offenbart, wie weit seine Partei sich nach rechts bewegt hat".

Frei räumte in seinem Gastbeitrag ein, dass für die von ihm vorgeschlagene Reform "enorme politische Hürden" zu überwinden wären. Er schrieb: "Aber wenn wir sie nicht überwinden, führt die Überforderung unserer Gesellschaften zur Zerstörung dessen, was das Asylrecht gewähren will: ein Europa als Zufluchtsort für schutzbedürftige Menschen."

Am Mittwoch legte Frei noch einmal nach und verteidigte seine Ausführungen. Zu Äußerungen von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) von Anfang Juni, wer das Grundrecht auf individuelles Asyl antaste, spiele das dreckige Spiel der rechten AfD mit, sagte er: "Ich finde das weder sachgerecht noch angemessen, noch fair." Er habe einen Debattenbeitrag geliefert, betonte Frei am Mittwoch im RTL/ntv-"Frühstart". "Und wenn die Frau ehrlich wäre, dann müsste sie erkennen, dass so wie es ist, nicht gut ist – und meines Erachtens auch nicht bleiben kann."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • faz.net: "Das individuelle Recht auf Asyl muss ersetzt werden"
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