Drei Agenten in Frankfurt verhaftet Steckt Russland dahinter? Mögliches Attentat vereitelt
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Erst vor Kurzem hat Deutschland einen russischen Attentäter an den Kreml überstellt. Nun steht ein schwerer Verdacht im Raum: Agenten sollen in Frankfurt erneut ein Verbrechen vorbereitet haben.
Als K. am 16. April eine Nachricht auf seinem Handy erhält, schöpft er Verdacht. Ein Mann namens "J." will ihn sprechen und erklärt im anschließenden Telefonat auch warum: "J." will K. angeblich für den ukrainischen Geheimdienst SBU anwerben. Er solle gegen Bezahlung Informationen über Russen in Deutschland sammeln. Er wolle ihn treffen.
K. sind solche konspirativen Anbahnungsversuche nicht unbekannt. Der Ukrainer lebt erst seit Sommer 2023 in Deutschland, nachdem er im Kampf gegen die russischen Invasoren verwundet wurde. Er war Offizier der ukrainischen Streitkräfte – und dabei für deren Militärgeheimdienst GUR tätig. Er war im Krieg mit militärischer Aufklärung befasst. Schnell kontaktiert er nach dem Telefonat einen Bekannten beim ukrainischen Inlandsgeheimdienst.
Plant Russland seine Rache?
Ob es sich tatsächlich um eine geheime ukrainische Operation in Deutschland handle? Sein Bekannter verneint. Der Anwerbeversuch gehe nicht von ihnen aus. Die Vermutung liegt nahe: Es sind russische Dienste, die K. nahekommen wollen. Sie werfen ihm vor, Ende März 2022 an der angeblichen Ermordung russischer Kriegsgefangener beteiligt gewesen zu sein. Nun wollen sie sich offenbar rächen. Als Nächstes kontaktiert K. die deutsche Polizei. Sie wird drei Monate später drei mutmaßlich russische Agenten nach einer Observation in Frankfurt am Main festnehmen.
All das steht in einem Beschluss des Bundesgerichtshofs, der t-online vorliegt. Die Erkenntnisse der Ermittler erinnern an den sogenannten Tiergarten-Mord in Berlin: Vadim Krasikov hatte dort im August 2023 für den russischen FSB einen tschetschenischen Regimegegner erschossen. Erst kürzlich ließ Deutschland Krasikov laufen und tauschte ihn gegen russische und deutsche Gefangene des Kremls aus.
Möglicherweise hatten sie zu diesem Zeitpunkt mit den drei in Frankfurt Festgenommenen bereits die nächsten mutmaßlichen Attentäter in Haft.
Zwar konnten sie den Drahtzieher "J." offenbar nicht festnehmen. Zumindest sind sich die Ermittler aber sicher, es bei den drei Verhafteten Robert A. (Ukrainer), Vardges I. (Armenier) und Arman S. (Russe) mit Agenten zu tun zu haben. Bislang scheinen sie wenig über ihre Auftraggeber preisgegeben zu haben. Russische Dienste hinter der Operation gelten aber als naheliegend. Höchstwahrscheinlich hätten damit weitere Maßnahmen gegen K. vorbereitet werden sollen. Nicht auszuschließen sei: ein Mord oder eine Entführung in staatlichem Auftrag.
Die Falle in Frankfurt
19. Juni 2024, um die Mittagszeit: Monatelang hat K. mit seinem vermeintlichen Auftraggeber "J." Nachrichten ausgetauscht, monatelang hat die deutsche Polizei mitgelesen. Sie hat zudem Mitschnitte von Telefonaten. "J." hat versucht, den ehemaligen ukrainischen Geheimdienstler zu Ausforschungen zu überreden. K. hat ihn vertröstet – bis "J." schließlich ein Treffen vorschlägt. Um 14 Uhr in einem Café in Frankfurt am Main.
Was K. zu diesem Zeitpunkt nicht weiß: Der mutmaßlich russische Agent hat offenbar Komplizen, die das Treffen absichern sollen. Einer von ihnen lebt erwerbslos mit Frau und Kindern in Deutschland, reist aber regelmäßig nach Russland. Was "J." nicht weiß: Das Landeskriminalamt Hessen observiert das Café ebenfalls – und die drei mutmaßlichen Agenten, die sich bereits 45 Minuten vor der Verabredung in und um das Lokal positionieren.
Peilsender, Pässe, Bargeld
K. kommt nicht, er hatte das nie vor. Er schreibt "J." mehrmals, dass er sich verspäten wird. Kurz vor 15 Uhr wird es den mutmaßlichen Agenten vielleicht zu riskant – oder ihnen reißt der Geduldsfaden. Einer bezahlt seine Getränke und geht. Nicht ohne die Gäste im Außenbereich noch zu fotografieren. Möglicherweise, so vermuten die Ermittler, will er mit den Aufnahmen später aufklären, ob auch K. das Treffen beschatten ließ. Kurze Zeit später werden I., S. und A. festgenommen.
Die Polizei findet in ihrem Auto einen GPS-Peilsender – vermutlich sollte er K. untergeschoben werden. Auch weitere Umstände lassen auf eine Geheimdienstoperation schließen: A. hat bei seiner Festnahme mehrere Kreditkarten bei sich, die auf unterschiedliche Namen ausgestellt sind. Bei S. werden mehrere Pässe gefunden, alle mit unterschiedlichen Namen, aber ohne Geburtsort. Bei I. werden größere Mengen Bargeld sichergestellt. Zum GPS-Sender verstrickt sich einer der Beschuldigten in Widersprüche.
Inzwischen wurden Haftbefehle erlassen. Den Männern wird geheimdienstliche Agententätigkeit vorgeworfen. Die Untersuchungshaft dauert an.
- Eigene Recherchen