Landtagswahl in Brandenburg Daten zeigen: Deswegen ist die AfD so stark
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Brandenburg wählt einen neuen Landtag: Die AfD schneidet dort in Umfragen deutlich besser ab als im Bundesschnitt. Wie ist das zu erklären?
Für die SPD steht an diesem Sonntag viel auf dem Spiel. Seit der Wiedervereinigung regiert sie durchgehend in Brandenburg, hat dort seitdem keine Wahl verloren. Nun könnte sie das erste Mal auf dem zweiten Platz landen. Stattdessen könnte sich die AfD durchsetzen. Und eine zweite Partei, die sich als Alternative zum etablierten Parteiensystem präsentiert, könnte aus dem Stand ein zweistelliges Ergebnis erzielen: das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
Die Umfragewerte zeigen auch, wie unterschiedlich Brandenburg im Vergleich zum restlichen Deutschland tickt. Denn bundesweit liegt die AfD deutlich unter dem Brandenburger Wert und auch das BSW ist hier stärker vertreten.
Wie ist das zu erklären? Einen tiefen Einblick liefern Daten, die das Sinus-Institut gemeinsam mit seinem Partner MB Micromarketing für die Bevölkerung in Brandenburg erhoben hat und die t-online vorliegen.
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Das Institut arbeitet mit zehn sogenannten Sinus-Milieus, die zu einer der bedeutendsten Methoden in der Zielgruppenforschung gehören. Ein Milieu umfasst neben der wirtschaftlichen Stellung einer Person auch die Weltanschauung: Ist die Person eher traditionell oder progressiv? Zwei Beispiele, die in Brandenburg eine wichtige Rolle spielen:
- Das nostalgisch-bürgerliche Milieu beschreibt das Sinus-Institut als harmonieorientierte Mitte mit Wunsch nach gesicherten Verhältnissen, einem angemessenen Status und einer Sehnsucht nach alten Zeiten. Angehörige sehen sich in der Mitte der Gesellschaft und mit einer zunehmenden Überforderung und Abstiegsängsten konfrontiert.
- Die adaptiv-pragmatische Mitte zeichnet sich dem Institut zufolge durch ein starkes Bedürfnis nach Verankerung und Zugehörigkeit aus. Sie ist anpassungs- und leistungsbereit, hat auch einen ausgeprägten Wunsch nach Spaß und Unterhaltung. Die Forscher beobachten auch in diesem Milieu eine wachsende Unzufriedenheit und Verunsicherung wegen der gesellschaftlichen Entwicklungen.
Beide Milieus sind in Brandenburg deutlich stärker ausgeprägt als im bundesweiten Durchschnitt. Die Grafik zeigt, dass Gruppen, die wirtschaftlich mittlere und untere Einkommensklassen sowie gesellschaftlich eher traditionellere Anschauungen repräsentieren, in Brandenburg stärker vertreten sind. Milieus hoher Einkommensschichten und sehr progressive Milieus sind dagegen deutlich unterrepräsentiert.
Neben den bereits genannten stechen in Brandenburg zwei weitere Milieus hervor. Zum einen das traditionelle Milieu, das vor allem aus einer älteren Generation besteht, die Sicherheit und Ordnung liebt und in einer kleinbürgerlichen Welt oder traditionellen Arbeiterkultur verhaftet ist. Dazu kommt das prekäre Milieu, die das Sinus-Institut als die um Orientierung und Teilhabe bemühte Unterschicht bezeichnet. Hier herrscht ein Gefühl des Abgehängtseins und der Verbitterung vor.
- Newsblog zur Landtagswahl in Brandenburg: Alle Informationen finden Sie hier
Zum Vergleich zeigt die folgende Grafik die Verteilung der Milieus von Gesamtdeutschland inklusive der Beschreibungen der einzelnen Bereiche:
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Wo in Brandenburg sind AfD und BSW besonders stark?
In der brandenburgspezifischen Verteilung liegt laut den Forschern des Sinus-Instituts auch eine Erklärung für den Erfolg der AfD und des BSW. Denn die Parteien finden in den Milieus unterschiedlich Anklang: "Die AfD wird überdurchschnittlich in kleinbürgerlichen Milieus, aber auch in den Milieus der Mitte gewählt", sagt Tim Gensheimer vom Sinus-Institut t-online.
Auch das BSW schneidet in dreien der Milieus verhältnismäßig gut ab: dem traditionellen, dem prekären und dem nostalgisch-bürgerlichem. Die folgende Grafik zeigt, wo in Brandenburg diese drei Milieus besonders stark vertreten sind:
Doch haben die AfD und BSW dasselbe Wählerpotenzial? "Die Schwerpunkte in den Milieus zeigen, dass AfD und BSW (ausgehend von unterschiedlichen Ausgangsniveaus) in den drei Milieus verstärkt Anklang finden", sagt Gensheimer. "Die AfD erreicht jedoch deutlich höhere Anteile als BSW."
Die jüngste Umfrage zur Landtagswahl in Brandenburg der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF vom Donnerstag sieht die AfD tatsächlich bei 28 Prozent vor der SPD mit 27 Prozent. Auf Platz drei folgt mit 14 Prozent die CDU, auf Rang vier mit 13 Prozent das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
Die Grünen werden bei viereinhalb Prozent gesehen, die Linke wird bei vier Prozent verortet und die Freien Wähler erreichen dreieinhalb Prozent. Frühere Umfragen ergaben ähnliche Bilder.
- Eigene Recherche
- Daten des Sinus-Instituts und seines Partners MB Micromarketing
- Gespräch mit Tim Gensheimer
- Mit Material der Nachrichtenagentur AFP