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Grüne: Robert Habeck als Kanzlerkandidat – Parteichef mit Warnung


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Neue Grünen-Chefs
Eine Warnung an Habeck


Aktualisiert am 17.11.2024Lesedauer: 5 Min.
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Robert Habeck gratuliert Felix Banaszak: Der Grünen-Co-Vorsitzende zählt zum linken Flügel der Partei. (Quelle: IMAGO)

Die Grünen wollen aus der Krise am liebsten direkt ins Kanzleramt. Die Partei schwört sich auf dem Parteitag auf schwierige Kompromisse ein. Die beginnen schon beim neu gewählten Bundesvorstand.

Felix Banaszak hat an diesem Samstag zwei Botschaften für die Grünen mitgebracht. Für die Partei, die er künftig mit Franziska Brantner als Vorsitzender anführen will.

Die eine Botschaft soll Robert Habeck den Rücken stärken. Dem Mann, den die Grünen am Sonntag zu ihrem Kanzlerkandidaten machen wollen. Die andere Botschaft ist eher das Gegenteil davon, sie ist eine kleine Warnung an ihn.

Als Felix Banaszak am Mittag auf der Bühne des Grünen-Parteitags steht, klingt die erste Botschaft so: "Wir werben dafür, weiter Zukunft zu machen, weiter zu regieren." Das wird Robert Habeck gefallen haben, dafür tritt er an. Aber da ist eben noch Banaszaks zweite Botschaft. Und die geht so: Er wolle Vorsitzender einer Partei werden, sagt Banaszak, "die weiß, wer sie ist" und sich "nicht nur als Korrektiv einer Regierung" oder "ihre ausgelagerte Pressestelle" verstehe, sondern "als ihr Motor".

Ohne deine Partei, lieber Robert, geht's nirgendwo hin. So muss man das verstehen.

Es sind zwei Botschaften, die die Stimmung vieler Grüner in diesen Zeiten wohl gut zusammenfassen. Banaszak wird mit 92,9 Prozent gewählt. Für Franziska Brantner stimmen 78,2 Prozent. Sie führen nun eine Partei in einen Turbo-Wahlkampf, die von den vielen Kompromissen in der Ampelregierung wundgescheuert ist.

Wie kompliziert das wird, hat sich schon in den vergangenen Wochen angedeutet. In den Wochen nämlich, in denen intern der sechsköpfige Bundesvorstand zusammenverhandelt wurde, der an diesem Samstag auf dem Parteitag offiziell gewählt wird.

Herausgekommen ist ein großer Kompromiss, mit dem zwar hinter vorgehaltener Hand niemand so richtig zufrieden ist. Der aber zumindest dazu geführt hat, dass sich die Partei nicht schon deshalb zerlegt, weil sich Realos oder Parteilinke übervorteilt fühlen, also die wieder mächtig gewordenen Parteiflügel der Grünen.

Es war anders geplant

Eigentlich war nämlich alles etwas anders geplant. Robert Habeck und seine Leute hatten seine Vertraute und Realo-Kollegin Franziska Brantner früh als Politische Bundesgeschäftsführerin ins Spiel gebracht. Brantner, 45 Jahre alt, gilt als durchsetzungsstark, klug und in der Partei gut vernetzt.

Brantner sollte für Habeck aus der Parteizentrale heraus den Wahlkampf organisieren. Sie sollte seine Vertretung in der Bundesgeschäftstelle der Grünen sein, die einige seiner Leute schon lange für nicht gut aufgestellt hielten.

Doch dann kam alles anders. Ricarda Lang und Omid Nouripour traten nach einer Serie an Wahlniederlagen zurück. Und plötzlich hatte Franziska Brantner die Chance, gleich Parteichefin zu werden. Das wollte sie eigentlich schon beim letzten Mal. "Make Green Great Again", ruft sie an diesem Samstag dem Parteitag zu. Und redet sonst viel über das Herzensthema der Parteilinken, die soziale Gerechtigkeit: "Den Gürtel enger schnallen bringt halt nichts, wenn die Hose schon fehlt."

Video | Neues Führungsduo der Grünen gewählt – Ricarda Lang zu Tränen gerührt
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Quelle: reuters

Brantner weiß natürlich, dass sie die Linken noch überzeugen muss. Denn die waren mehr als skeptisch, als ihr Name das erste Mal für den Parteivorsitz fiel. Von "Habecks Sprachrohr" war schnell die Rede. Mancher spielte mit dem Gedanken, Brantner sogar zu verhindern. Die Parteilinken waren besorgt, dass der Ober-Realo Habeck die Sache jetzt "durchzocken" wolle, also mit seiner Vertrauten den linken Flügel ausbooten und die Partei nach seinen Vorstellungen umbauen würde.

Ein linkes Gegengewicht musste her. Dass der zweite Parteivorsitzende wieder aus dem linken Flügel kommen sollte, war ohnehin klar: Es wurde Felix Banaszak, 35 Jahre alt. Ein Parteilinker, der den Konflikt mit den Realos nicht scheut, aber erfolgsorientiert ist. So lauteten die Argumente für ihn.

Doch den Linken reichte das nicht. Und damit lief die Sache etwas aus dem Ruder.

Die Sache mit den grünen Quoten

Die Parteilinken handelten noch etwas anderes aus, um Brantner als Parteichefin mitzutragen. Mit Andreas Audretsch sollte ein weiterer bekannter und einflussreicher Parteilinker einen wichtigen Posten bekommen. Das Problem: In den Bundesvorstand passte Audretsch nicht mehr, wegen der grünen Quoten.

Der Bundesvorstand der Grünen muss nicht nur paritätisch mit Frauen und Männern besetzt sein und nach den Parteiflügeln gut austariert, den Realos und den Linken. Es dürfen auch nur zwei von sechs Mitgliedern dort ein Mandat haben. Und diese zwei Plätze waren mit den Bundestagsabgeordneten Banaszak und Brantner schon besetzt.

Also schuf man für Audretsch einen weiteren Posten: den des Wahlkampfleiters in der Parteizentrale, abseits des Bundesvorstands. Neben der Politischen Bundesgeschäftsführerin, deren Job das eigentlich ist. Und Audretsch bekam sogar noch einen Stellvertreter an die Seite. Denn der bisherige Schatzmeister Frederic Carpenter wollte eigentlich weitermachen, niemand hatte etwas an ihm auszusetzen. Nur wäre er am Ende der eine Mann zu viel im Bundesvorstand gewesen. Die Quote.

Der Giegold-Kompromiss

Die Parteilinken wollten nämlich auch noch unbedingt Sven Giegold im Bundesvorstand haben. Er hat vorher als Staatssekretär in Habecks Wirtschaftsministerium gearbeitet. Gut vernetzt und strategisch klug, ein Parteischwergewicht, aber anders als Brantner kein Habeck-Vertrauter, trotz Ministeriumsvergangenheit. Das waren die Argumente für ihn.

Giegold hatte sich als Politischer Bundesgeschäftsführer ins Spiel gebracht, doch die Realos wollten ihn dort nicht haben. Neben Audretsch war er für sie offenbar das eine linke Schwergewicht zu viel mit Einfluss auf den Wahlkampf.

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Als Kompromiss wird Giegold jetzt nur stellvertretender Vorsitzender, auf dem Posten der bisher vor allem in die Partei hinein wirkenden Pegah Edalatian, die nun Politische Bundesgeschäftsführerin wird. Der Einzige, der am Ende das bleibt, was er auch vorher war, ist Heiko Knopf. Er ist der stellvertretende Bundesvorsitzende, der sich in der Partei für Ostdeutschland starkmacht. Schatzmeisterin wird Manuela Rottmann.

Puzzle mit zu vielen Teilen

Es dauerte viele Wochen, bis die Grünen dieses Puzzle mit den zu vielen Teilen passend gemacht hatten. Zu lange habe das gedauert, lautete anschließend eine Kritik aus der Partei. Die Doppelstruktur mit dem zusätzlichen Wahlkampfleiter inklusive Stellvertreter neben der Politischen Bundesgeschäftsführerin finden selbst viele Linke nicht gut, obwohl sie Andreas Audretsch schätzen und loben.

Von der ursprünglichen Vorstellung, mit möglichst schlanken Strukturen in den Wahlkampf zu gehen, ist nicht viel übrig geblieben. Allerdings ist mit dem Rücktritt der Parteichefs und dem Bruch der Ampelregierung natürlich auch vom restlichen Plan für den Wahlkampf nicht viel übrig geblieben.

Besonders der Bruch der Ampel aber könnte dazu führen, dass der große Kompromiss-Bundesvorstand jetzt nicht zum großen Problem wird. Grüne, die sich mit Wahlkämpfen auskennen, geben zwar insgeheim zu, dass die Doppelstruktur in einem normalen und langen Wahlkampf zu Problemen führen würde. Nur wird die Zeit bis zum Wahltag am 23. Februar ja eines sicher nicht werden: lang und normal.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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