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Wut über Sitzungssaal: AfD flucht über die "Sardinenbüchse"


Streit mit SPD
Wut über Sitzungssaal: AfD will "Sardinenbüchse" nicht akzeptieren


Aktualisiert am 20.05.2025 - 18:05 UhrLesedauer: 4 Min.
Probesitzen der AfD-Fraktion im ehemaligen Saal der FDP: Sie will den Raum nicht akzeptieren.Vergrößern des Bildes
Probesitzen der AfD-Fraktion im ehemaligen Saal der FDP: Sie fordert einen anderen Raum. (Quelle: Leister )
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Im Bundestag eskaliert der Raumstreit zwischen SPD und AfD um den Otto-Wels-Saal. Beide Parteien führen sachliche Gründe an. Doch es geht um mehr.

"Sardinenbüchse", ruft ein AfD-Abgeordneter. "Das ist diskriminierend für Dicke", ruft der bayerische Landesvorsitzende Stephan Protschka. "Wo sind denn hier die Fluchtwege?", fragt der Parlamentarische Geschäftsführer Enrico Komning laut.

Die AfD-Fraktion macht am Dienstagnachmittag eine von der Presse begleitete Sitzprobe in dem Fraktionssaal, den sie eigentlich beziehen soll. Nicht alle 151 AfD-Abgeordnete sind da, aber viele von ihnen. Schulter an Schulter sitzen sie in den Reihen, schütteln die Köpfe, machen Videos für Social Media. Der Tenor dieser Videos: Viel zu eng sei es, so könne man nicht arbeiten. Eine Frechheit.

Zu diesem Fazit kommt auch AfD-Chef Tino Chrupalla rasch: "Von parlamentarischen Zuständen kann nicht die Rede sein", sagt er. "Wir werden den Raum so nicht akzeptieren." Der Reichstag gehöre allen, dem deutschen Volk. Auch der AfD, die zehn Millionen Wähler repräsentiere, stehe es zu, angemessen zu tagen. So gehe es nicht.

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Der Raumstreit gärt nun schon seit Wochen. Er hat sich zwischen AfD und SPD zügig nach der Wahl entwickelt. Am Freitag soll er sich im Ältestenrat final entscheiden. Die AfD versucht mit der Sitzprobe am Dienstag noch einmal, über die Medien ihr Problem plastisch zu verdeutlichen.

Beide Parteien führen in dem Streit "sachliche Gründe" an, auf ihrer Position zu beharren – eigentlich aber geht es um viel mehr – um einen großen Sozialdemokraten und den Umgang miteinander im Parlament insgesamt.

Raumstreit zwischen AfD und SPD gärt seit Monaten

Was genau ist das Problem? Die AfD hat im neuen Bundestag 151 Abgeordnete, die Fraktion hat sich zahlenmäßig verdoppelt und ist nun nach der Unionsfraktion die zweitstärkste im Parlament. Die SPD hingegen ist auf 120 Abgeordnete geschrumpft. Den zweitgrößten Sitzungssaal, den die SPD in der vergangenen Legislatur innehatte, aber will sie nicht an die AfD abtreten, sondern ihn wie in der vergangenen Legislatur selbst behalten.

Die AfD soll, so Stand der Diskussion, stattdessen in den ehemaligen Saal der FDP umziehen. Also in die "Sardinenbüchse", wie die AfD-Abgeordneten sie heute nennen. Die FDP hatte dort mit rund 90 Abgeordneten getagt, damals noch gleich neben der AfD. Seither ist er offenbar umgebaut worden, Sitzplätze gibt es dort für die AfD-Abgeordneten genug – aber tatsächlich ist die Fläche wesentlich kleiner als im Saal der SPD.

AfD kritisiert Raum und Umgang

Bernd Baumann, Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD, hat das bereits am Dienstagmorgen vorgerechnet, Präsentation von Grafiken und Saalzuschnitten inklusive: Der AfD stehe im FDP-Saal für jeden Abgeordneten nur 1,7 Quadratmeter zur Verfügung. Jeder SPD-Abgeordnete hingegen habe im "Tanzsaal" nun mehr als doppelt so viel Platz.

Nicht nur den mangelnden Platz kritisiert Baumann, sondern auch den Umgang: Mit der AfD sei vorab nicht diskutiert worden, Briefe der Fraktionsführung seien unbeantwortet geblieben. "Sie haben sogar den Saal umgebaut, ohne uns offiziell einzubeziehen." Der AfD werde von einem "Abwehrkartell" vorenthalten, was ihr zustehe, so Baumann.

Das sei ein Vorgehen "gegen alle Regeln des Parlamentarismus". Auch mit Blick auf Brandschutzmaßnahmen sei das schwierig. Man prüfe juristische Schritte.

SPD: "Videos zu früh gedreht"

Aber auch die SPD verweist am Dienstag bei "Bild" auf "sachliche Gründe": Sie argumentiert, dass sie als Regierungspartei bei ihren Fraktionssitzungen regelmäßig Besuch von Ministern und deren Mitarbeitern bekomme – und deswegen mehr Platz brauche. Außerdem, so der SPD-Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese, brauche man die "direkte Nähe" zum Koalitionspartner CDU/CSU.

Etwas befriedigt aber klingt Wiese schon: "Manch einer hat da wohl zu früh Videos gedreht. Die AfD wird die Umzugswagen wohl wieder abbestellen müssen."

Wiese spielt damit wohl auf Videos und Äußerungen an, die in der SPD die Haltung verhärtet haben dürften, der AfD keinesfalls entgegenzukommen. Stephan Brandner, Zweiter Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion, hat ein solches Video erstellt. "Wir lüften den Otto-Wels-Saal durch!", heißt es da auf YouTube, hochgeladen wurde es schon vor zwei Monaten.

Brandner macht darin einen Rundgang durch den leeren Fraktionssaal und schlendert an den Fotos der ehemaligen SPD-Vorsitzenden vorbei. Darunter: Otto Wels, der 1933 mit seiner Rede zum Nein der SPD gegen das NS-Ermächtigungsgesetz in die Geschichte eingegangen ist. "Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht", sagte Wels.

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Nach diesem Kämpfer gegen den Nationalsozialismus ist der Fraktionssaal der SPD benannt. Neben dem aus Zahlen und Nummern bestehenden technischen Namen heißt er auch Otto-Wels-Saal.

Brandner greift in seinem Video das berühmte Zitat von Wels in seinem Video auf und sagt dann: So ähnlich werde mit der AfD ja auch umgegangen. Dann beklagt er im Fraktionssaal "sozialdemokratischen Mief", der Raum müsse ordentlich durchgelüftet werden.

Anders – aber aus Sicht der SPD vermutlich ähnlich anmaßend – äußerte sich Bernd Baumann: Zu Wels' Zeiten sei die SPD eine Arbeiterpartei gewesen, nun sei sie eine Akademikerpartei. "Eher ist Otto Wels einer von uns heute." Der Name des Saals passe also auch gut zur AfD.

Chrupalla hatte Anfang März öffentlich angekündigt, seine Fraktion werde im Bundestag einen anderen Ton anschlagen. Zumindest im Raumstreit scheint das gelungen: Nun betonen Baumann wie auch andere Funktionäre: Der Name "Otto-Wels-Saal" sei ja nicht an den Raum gebunden, die SPD könne ihn in einen anderen Raum mitnehmen.

"Großes Thema" bei AfD-Wählern

Für die SPD scheint das nicht infrage zu kommen. "Ich möchte den Otto-Wels-Saal nicht hergeben", betonte Rolf Mützenich bereits vor seiner letzten Fraktionssitzung als Vorsitzender. Und sein Nachfolger Lars Klingbeil hält es ähnlich: "Wir werden alles tun, damit der Otto-Wels-Saal fest in sozialdemokratischer Hand bleibt."

Auch in der AfD laufen die Diskussionen zur Raumfrage. Recht entspannt aber blickt man hier auf den Ausgang. Es herrscht wie so oft dieser Tage in Diskussionen um den Umgang mit der AfD bei ihr selbst die Einschätzung vor: Man profitiere auch, wenn man den Streit nicht gewinne. Deshalb auch die vielen Videos von AfD-Abgeordneten im ehemaligen FDP-Saal.

"Der Saal ist bei unserer Wählerschaft ein sehr großes Thema", sagt Sebastian Münzenmaier, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD t-online. "Menschen verstehen nicht, warum die kleineren Wahlverlierer einfach im Saal sitzen bleiben."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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