Bundesverband schlägt Alarm Zahl der antisemitischen Vorfälle steigt um 77 Prozent

Die Zahl antisemitischer Vorfälle in Deutschland ist erneut stark gestiegen. Der Bundesverband Rias schlägt Alarm.
Die Zahl antisemitischer Vorfälle in Deutschland hat im Jahr 2024 einen neuen Höchststand erreicht. Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) zählte 8.627 Fälle, rund 77 Prozent mehr als im Vorjahr. Bereits 2023 hatte die Organisation einen starken Anstieg verzeichnet. Das geht aus dem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Jahresbericht hervor.
Besonders seit dem Überfall der islamischen Terrorgruppe Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sei ein "ungebremster Anstieg" antisemitischer Vorfälle in Deutschland zu beobachten, heißt es in dem Bericht. Viele Jüdinnen und Juden empfänden diesen Tag als tiefe Zäsur. "Ihr Leben teilt sich in ein Davor und ein Danach", heißt es im Bericht wörtlich.
Laut Rias wurden im Jahr 2024 im Schnitt knapp 24 antisemitische Vorfälle pro Tag registriert. Im Jahr zuvor waren es rund 13 pro Tag. Ein Rückgang sei bislang nicht festzustellen, so der Bericht.
Vorfälle in politisch aufgeladenen Kontexten
Acht Fälle von "extremer Gewalt" dokumentierte die Organisation im Jahr 2024, außerdem 186 körperliche Angriffe und 300 Bedrohungen. Viele Vorfälle ereigneten sich in politisch aufgeladenen Kontexten, etwa bei Versammlungen, im öffentlichen Raum oder an Hochschulen.
Die Zahl antisemitischer Vorfälle, die sich direkt gegen Jüdinnen und Juden oder Israelis richteten, hat sich laut Bericht seit 2022 fast verdreifacht: von 331 auf 966 Fälle. Die häufigste ideologische Zuordnung betrifft den sogenannten anti-israelischen Aktivismus. 5.857 Fälle konnten laut Rias dieser Kategorie zugewiesen werden. Mit 544 Fällen antisemitischer Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund registrierte Rias die höchste Zahl seit Beginn der bundesweiten Erfassung im Jahr 2020.
Entspannung ist nicht in Sicht
"Eine Entspannung der Situation war im Zeitraum dieses Berichts nicht zu erkennen, vielmehr hielt die Dynamik an", heißt es im Fazit. Der Hamas-Angriff und der darauffolgende Krieg in Nahost seien 2024 für viele Menschen ein Anlass gewesen, antisemitische Propaganda zu verbreiten oder gar antisemitische Taten zu verüben.
Als antisemitischer Vorfall wertet Rias die "Verbreitung antisemitischer Einstellungen, öffentlicher Debatten und Hass gegenüber Jüdinnen und Juden". Vorfälle können sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen richten.
Der Bundesverband Rias wurde 2018 gegründet. Er vereint zivilgesellschaftliche, universitäre und kommunale Meldestellen, die antisemitische Vorfälle erfassen. Ziel ist es, mit standardisierten Kategorien ein realistisches Bild antisemitischer Tendenzen in Deutschland zu zeichnen. Der Verband wird mit Haushaltsmitteln des Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus gefördert.
- Nachrichtenagentur dpa