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Politikerverdrossenheit: Warum die Parteichefs die Basis nicht mehr verstehen


Politikerverdrossenheit
Warum die Parteichefs die Basis nicht mehr verstehen

MeinungEin Gastbeitrag von Wolfgang Bosbach

02.10.2018Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel, der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer und SPD-Chefin Andrea Nahles: Ihre Einigung im Fall Maaßen lässt die Basis rebellieren.Vergrößern des Bildes
Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel, der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer und SPD-Chefin Andrea Nahles: Ihre Einigung im Fall Maaßen lässt die Basis rebellieren. (Quelle: dpa-bilder)

Im Fall Maaßen haben sich drei erfahrene Parteivorsitzende kollektiv und fundamental geirrt. Auch als Politiker kann man da nur den Kopf schütteln.

Zur Vermeidung möglicher Irrtümer gleich vorneweg: Wenn man einen Fehler macht – ganz gleich, ob dieser mehr oder weniger laut oder gar öffentlich kritisiert wird oder nicht –, ihn als solchen erkennt und korrigiert, dann ist das mehr ein Zeichen von Stärke und Souveränität als von Schwäche. Einsicht und Korrektur sind allemal besser, als unbedingt im Irrtum zu verharren.

Über die Frage, ob man dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz für ein Interview, das er besser nicht gegeben hätte, weil dessen Inhalt mehr Fragen aufwarf als beantwortete, unbedingt sein Amt nehmen musste, kann man nun wirklich unterschiedlicher Meinung sein. Alternativlos war dies wohl kaum. Aber darum geht es hier nicht!

Viel interessanter ist doch die Frage, wie sich drei erfahrene Parteivorsitzende kollektiv derart irren konnten, dass die gemeinsam getroffene Entscheidung, Hans-Georg Maaßen zum Staatssekretär zu befördern, schon nach wenigen Tagen korrigiert werden musste.

Öffentlicher Druck

Wer in einer Koalition mit Zustimmung der Partner ein Problem lösen will, hat zwei Möglichkeiten: intern einen Konsens anstreben, um auf diese Weise die Kuh vom Eis zu bringen, oder öffentlich Forderungen aufstellen – und damit die Partner massiv unter Druck setzen. Andrea Nahles hat die zweite Variante gewählt – "Maaßen muss gehen und er wird gehen!" – und damit vor allem Horst Seehofer in eine schwierige Lage gebracht, weil er ja nur Stunden zuvor Maaßen ganz ausdrücklich sein Vertrauen ausgesprochen hatte.

Geht es um die Sache – oder darum, wer sich durchsetzt?

In einer Koalition darf es eigentlich bei Verhandlungen weder Sieger noch Besiegte geben, denn immer müssen alle Partner zustimmen. Deshalb lieben Koalitionäre Kompromisse – dann hat am Ende irgendwie jeder gewonnen.


Aber bei der Frage "Amt aufgeben oder behalten?" ist ein Kompromiss nicht möglich! Jetzt geht es darum, dass jede(r) sein Gesicht wahren möchte! Nahles oder Seehofer? Wer gewinnt/verliert? Das hat etwas von "12 Uhr mittags".

Nur eine(r) kann politisch siegen.

Das aber geht nicht, weil keine(r ) unterliegen möchte. Ergebnis: Nahles setzt sich durch mit der Aufgabe des Amtes, Seehofer damit, dass er durch die Beförderung zum Staatssekretär dessen juristische und politische Qualität und seine Unverzichtbarkeit noch einmal ausdrücklich dokumentiert.

Die Basis rebelliert

Die ohnehin von der Groko nur mäßig begeisterte Basis der SPD rebelliert jetzt offen, Teile der Spitze gleich mit und selbst an der nun wirklich pflegeleichten Basis der Union fragen sich viele: "Was haben sich die da oben denn DABEI gedacht?"

Die Mitglieder an der Basis sind einiges gewohnt. Sie wissen, dass es ohne Kompromisse nun mal nicht geht, dass die berühmten Kröten, die geschluckt werden müssen, damit es irgendwie weitergeht, ständig serviert werden und dass man "am Stand" vieles verteidigen und erklären muss, was man selbst nicht verstehen kann.

Aber das? Nicht wenige dürften sich gefragt haben: "Hätte man an der Spitze nicht erkennen müssen, was noch mit Mühe erklärt werden kann – und was nicht?"

Ende gut, alles gut? Von wegen!

Was die drei politischen Vollprofis offensichtlich nicht bedacht haben: Das Publikum möchte kein Ergebnis, das allenfalls zur Befriedigung streitender Koalitionäre taugt, es will ein sachlich gut begründetes Resultat, das inhaltlich überzeugt. Wenn aber jemand (angeblich) nicht mehr als "Präsident einer nachgeordneten Behörde" ( O-Ton der Kanzlerin) tragbar ist, warum dann ganz oben als Staatssekretär? Wie will man das vermitteln?

Und wenn der Gehaltssprung dann auch noch höher ist als das Bruttogehalt von Millionen, dann fragen sich diese ebenfalls: "Was haben sich die da oben denn dabei gedacht?"

Wenn politische Taktiererei auf Unverständnis für das Empfinden von vielen Millionen Bürgerinnen und Bürgern trifft, wenn eine Sachfrage von der politischen Universalfrage "Und wie sehe ich am Ende dabei aus?" überlagert wird, dann kommen solche Entscheidungen heraus.

Und anschließend wundert sich die Politik, dass die Politikverdrossenheit, die in Wahrheit eher eine Politikerverdrossenheit ist, weiter zugenommen hat.

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